Leitsatz

Dem EuGH werden zur Vorab-Entscheidung folgende Rechtsfragen vorgelegt:

1. Ist Art. 52 i.V.m. Art. 58 EGV dahin gehend auszulegen, dass es gegen das Recht auf freie Niederlassung verstößt, wenn der von einer ausländischen EU-Kapitalgesellschaft im Jahr 1994 durch eine Zweigniederlassung in Deutschland erzielte Gewinn einer deutschen KSt-Belastung von 42 % (= sog. Betriebsstättensteuersatz) unterliegt, obwohl

  • der Gewinn nur mit 33,5 % deutscher KSt belastet worden wäre, wenn eine in Deutschland unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtige Tochterkapitalgesellschaft der ausländischen EU-Kapitalgesellschaft ihn erzielt und bis zum Ablauf des 30.6.1996 voll an die Muttergesellschaft ausgeschüttet hätte,
  • der Gewinn zwar zunächst mit deutscher KSt in Höhe von 45 % belastet worden wäre, wenn die Tochterkapitalgesellschaft ihn bis zum Ablauf des 30.6.1996 thesauriert hätte, sich die KSt-Belastung aber im Fall einer vollständigen Ausschüttung nach dem 30.6.1996 nachträglich auf 30 % vermindert hätte?

2. Muss der Betriebsstättensteuersatz, falls er gegen Art. 52 i.V.m. Art. 58 EGV verstößt, für das Streitjahr auf 30 % herabgesetzt werden, um den Verstoß zu beseitigen?

 

Normenkette

§ 2 Nr. 1 KStG 1991 i.d.F. des StandOG 1993 , § 23 KStG 1991 i.d.F. des StandOG 1993 , Art. 5 DBA-Luxemburg , Art. 13 Abs. 1 und 2 DBA-Luxemburg , Art. 20 Abs. 2 DBA-Luxemburg

 

Sachverhalt

Die Klägerin ist S.A. mit Sitz und Geschäftsleitung in Luxemburg. Sie unterhielt u.a. im Jahr 1994 (Streitjahr) in Deutschland eine Zweigniederlassung. Das FA veranlagte die Klägerin entsprechend der von ihr eingereichten Steuererklärung als beschränkt steuerpflichtige Körperschaft mit ihrem durch die Zweigniederlassung erzielten Einkommen für das Streitjahr zur KSt und setzte die Steuer auf 42 % des zu versteuernden Einkommens fest.

Einspruch und Klage, mit denen die Klägerin geltend machte, dieser Steuersatz sei diskriminierend und verletze ihr Recht auf Niederlassungsfreiheit gem. Art. 52 EGV (jetzt Art. 43 EG) i.V.m. Art. 58 EGV (jetzt Art. 48 EG), waren erfolglos (vgl. EFG 2001, 651).

 

Entscheidung

Der BFH teilte demgegenüber die gemeinschaftsrechtlichen Bedenken der Klägerin. Er legte die Sache deswegen dem EuGH zur Vorab-Entscheidung vor. Die Gründe hierfür entnehmen Sie den Praxis-Hinweisen.

 

Hinweis

Einmal mehr geht es um die "Steuersatz-Gerechtigkeit" innerhalb der EU, in diesem Fall nach Maßgabe des zwischenzeitlich ausgelaufenen KSt-Anrechnungsverfahrens:

1. Danach unterfiel der Gewinn, den eine EU-ausländische Kapitalgesellschaft mit ihrer inländischen Betriebsstätte erzielte, einem KSt-Satz von 42 %, vgl. § 23 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 und § 2 Nr. 1 KStG a.F. Gegen diese Steuersatzhöhe bestehen gewichtige gemeinschaftsrechtliche Bedenken.

Denn betrieb die EU-ausländische Gesellschaft ihre Geschäfte im Inland nicht in Gestalt einer Betriebsstätte, sondern einer eigenständigen, unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft, betrug der Steuersatz im Fall der Vollausschüttung (bis zum 30.6.1996) max. 33,5 %, nämlich 30 % des Gewinns vor Abzug der KSt (§ 27 Abs. 1 KStG a.F.) zzgl. 5 % an KapESt auf den Ausschüttungsbetrag (= 70/100 des Gewinns vor Abzug der KSt von 30 %), vgl. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 44 Abs. 1 Satz 1, § 44d Abs. 1 EStG 1994 i.V.m. § 49 Abs. 1, § 50 Abs. 1 Nr. 2 KStG a.F. Nach dem 30.6.1996 wurde die KapESt auf Antrag im Ausschüttungsfall nicht mehr erhoben (§ 44d Abs. 1 Satz 3 EStG 1994 i.V.m. § 49 Abs. 1 KStG a.F.). Im Thesaurierungsfall betrug die KSt so oder so 45 % (§ 23 Abs. 1 KStG a.F.), konnte bei Ausschüttung bis zum 30.06.1996 jedoch gleichermaßen gemindert werden.

2. Damit wurde die Betriebsstätte gegenüber der Tochtergesellschaft im Grundsatz steuerlich benachteiligt. Denn die Gewinnermittlungsregeln stellen sich bei beiden letztlich gleich dar. Und der Steuersatz-Nachteil der Tochtergesellschaft im Thesaurierungsfall entpuppt sich angesichts des "Auswegs", zu günstigeren steuerlichen Bedingungen ausschütten zu können, als ein scheinbarer.

Rechtfertigungsgründe für diese Unterschiede sind vor den strengen Maßstäben der einschlägigen EuGH-Rechtsprechung schwerlich ersichtlich, weder in der "Binnenstruktur" des früheren körperschaftsteuerrechtlichen Anrechnungsverfahrens noch in der Erwägung fiskalischer Nachteile und auch nicht in der virtuellen Möglichkeit, statt einer Betriebsstätte eine Tochtergesellschaft einzuschalten. Deshalb befürchtet der BFH (zu Recht) eine Kollision mit der europarechtlichen Niederlassungsfreiheit.

Vielleicht, so gibt der BFH zu bedenken, muss der Steuersatz auf die Betriebsstättengewinne aber nicht sogleich auf 30 % abgesenkt werden, um europarechtlichen Anforderungen zu genügen. Vielleicht reichen auch 33,5 % aus. Denn über den Betriebsstättengewinn konnte jederzeit während des Streitjahrs 1994 verfügt werden, insoweit vergleichbar mit einer ausländischen EU-Muttergesellschaft, die ihre inländische Tochtergesellschaft während des Streitjahrs zu Vorabausschüttungen veranlasste. Dann hätte d...

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