Rz. 1314

Kernpunkt der Problematik "Gesellschafterdarlehen" ist, dass die Gesellschafter anstelle einer Darlehensgewährung auch neues Eigenkapital (beispielsweise durch eine effektive Kapitalerhöhung) in die Gesellschaft einbringen könnten. Derartiges Kapital fiele im Falle einer Insolvenz zugunsten anderer Gläubiger in die Insolvenzmasse. Gewähren die Gesellschafter jedoch mit dem Darlehen nur Fremdkapital, stehen sie der Gesellschaft wie Dritte gegenüber. Sie sind dann selbst Insolvenzgläubiger, die auf die Insolvenzmasse zugreifen könnten. Im Ergebnis führte dies zur Risikoverringerung für die Gesellschafter und gleichzeitig zu einer Benachteiligung anderer Gläubiger.

 

Rz. 1315

Im Insolvenzverfahren sind Gesellschafterdarlehen nachrangig (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO). Werden sie innerhalb eines Zeitraums von einem Jahr vor dem Eröffnungsantrag – oder nach diesem – an den Gesellschafter zurückgezahlt, kann der Insolvenzverwalter diese Zahlung allein auf Grund der Gesellschafterstellung anfechten (§ 135 Abs. 1 InsO). Die Bestellung von Sicherheiten für ein Gesellschafterdarlehen kann sogar für die Zeit bis zehn Jahre vor dem Eröffnungsantrag angefochten werden (§ 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Wirtschaftlich vergleichbare Vorgänge – wie die Rückzahlung eines Bankdarlehens, für das der Gesellschafter gebürgt oder eine andere Sicherheit gestellt hatte – sind ebenfalls anfechtbar (§ 135 Abs. 2 InsO).

 

Rz. 1316

Außerhalb des Insolvenzverfahrens stehen auch Gläubigern diese Anfechtungsrechte zu, wenn sie Inhaber eines Titels gegen die GmbH sind und die Zwangsvollstreckung daraus nicht erfolgreich war oder sein wird (§§ 6, 3 AnfG).

 

Rz. 1317

Gesellschafterdarlehen gleichgestellt sind Forderungen, die aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen, stammen (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO). Hierunter fallen insbesondere Stundungen oder der Verzicht auf die Geltendmachung fälliger Forderungen.[1] Gegebenenfalls – dies ist höchstrichterlich bislang noch nicht geklärt – kann auch das Stehenlassen eines Gewinns durch den Alleingesellschafter-Geschäftsführer eine entsprechende Rechtshandlung darstellen.[2] Hierbei dürfte es darauf ankommen, ob dadurch eine Finanzierungsentscheidung getroffen wurde oder ob der jeweilige Betrag wirtschaftlich gar nicht notwendig war.

 

Rz. 1318

Abweichend von der Grundregel des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO gilt das Sanierungsprivileg (§ 39 Abs. 4 Satz 2 InsO). Erwirbt ein neuer[3] Gläubiger danach bei drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder bei Überschuldung Anteile zum Zweck ihrer Sanierung, führt dies bis zur nachhaltigen Sanierung nicht zur Anwendung von § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO auf seine Forderungen.

 

Rz. 1319

Weiterhin sind Kleinbeteiligungen nichtgeschäftsführender Gesellschafter privilegiert (§ 39 Abs. 5 InsO): Hat ein nichtgeschäftsführender Gesellschafter eine Beteiligung von 10 % oder weniger[4] an der Gesellschaft, gelten für ihn nicht die Regeln des § 39 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG – seine Forderungen können damit als allgemeine Insolvenzforderungen nach § 38 InsO geltend gemacht werden.

 

Rz. 1320

Außerhalb des Insolvenzrechts gilt keine generelle Auszahlungssperre für Gesellschafterdarlehen – nunmehr sind Rückzahlungen unter den Voraussetzungen des § 30 Abs. 1 Satz 3 GmbHG zulässig. Zu beachten ist außerdem die Vorschrift des § 64 Satz 3 GmbHG, der Zahlungen, die zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen müssen oder bei bereits bestehender Zahlungsunfähigkeit vorgenommen werden, verbietet.

 

Rz. 1321

Obwohl die Regelung des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO Gesellschafterdarlehen einem Nachrang unterwirft, bleiben Rangrücktrittserklärungen ein probates Gestaltungsinstrument. Die Gegenüberstellung von § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO und § 39 Abs. 2 InsO zeigt, dass Forderungen mit Rangrücktritt im Rang noch weiter hinten stehen als Gesellschafterdarlehen. Im Überschuldungsstatus der Gesellschaft ist das Gesellschafterdarlehen daher so lange als insolvenzrechtlich relevante Verbindlichkeit zu behandeln, wie kein Rangrücktritt vorliegt (§ 19 Abs. 2 Satz 2 InsO). Um dies zu vermeiden und den Überschuldungsstatus der Gesellschaft zu korrigieren, kann ein Rangrücktritt ein probates Mittel sein.

 

Rz. 1322

Durch das MoMiG hat die Nutzungsüberlassung von Gegenständen des Gesellschafters an die Gesellschaft eine Neuregelung erfahren. Vor dem MoMiG hatte die Rechtsprechung Vereinbarungen, wonach der Gesellschafter der Gesellschaft Gegenstände zum Gebrauch (z. B. zur Miete oder lizenzweise) überlassen hatte, im Krisenfall wie "eigenkapitalersetzende" Darlehen als "eigenkapitalersetzende Nutzungsüberlassung" behandelt. Die Zahlung von Miete war nicht erforderlich, und der Insolvenzverwalter konnte den überlassenen Gegenstand unentgeltlich nutzen.[5]

 

Rz. 1323

Nun kann nach § 135 Abs. 3 InsO der Gesellschafter den Anspruch auf Aussonderung des überlassenen Gegenstandes im Insolvenzverfahren ein Jahr ab der Eröffnung nicht geltend machen, wenn der Gegenstand für die Fortführung des Unternehmens des Sch...

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