Rz. 1151

Innerhalb von Konzernen verfügen oft einige Gesellschaften über momentan nicht benötigte Liquidität, während andere (z. B. für Investitionen) Liquiditätsbedarf haben. Es ist naheliegend, dies konzernintern durch ein Cash Pooling-System zum Ausgleich zu bringen: Die überschüssige Liquidität aller beteiligten Konzerngesellschaften wird täglich an einen Cash Pool-Leader[1] abgeführt, der allen beteiligten Konzerngesellschaften die benötigte Liquidität zur Verfügung stellt (physisches Cash Pooling durch sog. zero-balancing[2]). Den Tochtergesellschaften wird entweder Liquidität abgezogen oder zugeführt; rechtlich stellt dies jeweils eine Darlehensgewährung zwischen den beteiligten Gesellschaften dar.[3]

 

Rz. 1152

Das physische Cash Pooling hat mehrere Vorteile:

  • die Konzerngesellschaften werden mit der benötigten Liquidität versorgt,
  • die Finanzierungsaufwendungen im Konzern können reduziert bzw. es können höhere Finanzierungserträge erzielt werden,[4]
  • es wird Know-How zu Finanzierungsfragen und der zentrale Überblick über die Liquidität der Konzernunternehmen bei dem Cash Pool-Leader gebündelt.[5]
 

Rz. 1153

Gleichzeitig birgt das physische Cash Pooling Nachteile und Risiken:[6]

  • die beteiligten Gesellschaften verlieren ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit,
  • die liquiditätsabführenden Gesellschaft bündeln ihre gesamten Finanzmittel an einer Stelle, anstatt sie zu streuen ("Klumpenrisiko"),[7]
  • der Konzern (bzw. die Liquidität abführende Konzerngesellschaft) übernimmt – zusätzlich zu dem (konzernimmanenten) Eigenkapitalrisiko – das üblicherweise den Banken überlassene Kreditrisiko und die wirtschaftliche Schieflage einer Konzerngesellschaft, die immer mehr Liquidität benötigt und ihre Darlehen nicht mehr zurückzahlen kann, steckt schnell andere Konzerngesellschaften oder den ganzen Konzern an, da diese mit ihren Rückzahlungsansprüchen ausfallen ("Dominoeffekt"). Damit erhöht sich auch das Risiko für die Gläubiger der Liquidität abführenden Konzerngesellschaften.
 

Rz. 1154

Dies führt zum einen dazu, dass im Rahmen der allgemeinen Sorgfaltspflicht (§ 43 Abs. 1 GmbHG) die Geschäftsführung[8] die Vor- und Nachteile[9] der Teilnahme an einem konzerninternen Cash Pooling-System für die GmbH (nicht den Konzern!) abzuwägen hat und dies dokumentieren sollte (dazu auch unter Rn. 1138). Die Teilnahme an einem Cash Pooling-System sollte ebenfalls nur aufgrund eines schriftlichen Cash Pooling-Vertrages erfolgen.

 

Rz. 1155

Zum anderen gelten die gläubigerschützenden Regeln der Kapitalaufbringung und des Kapitalerhalts sowie die Regelungen über Gesellschafterdarlehen auch im Rahmen eines Cash Pooling-Systems.[10] Mit dem ARUG und dem MoMiG wurden mit den Änderungen in § 30 GmbHG an Stelle der vorherigen §§ 32a, b GmbHG Regelungen eingeführt, die nach der Intention des Gesetzgebers das aus ökonomischer Sicht sinnvolle und auch im Interesse der Konzerntochtergesellschaften ausgeübte Cash Pooling rechtlich absichern und unter bestimmten Bedingungen zulassen sollten.[11] Damit kommt es auch im Cash Pool auf die Werthaltigkeit an (s. u. Rn. 1158).

[1] Dies kann, muss aber nicht die Konzernobergesellschaft sein. Die Auswahl ist insb. bei internationalen Cash Pooling-Systemen typischerweise steuerlich motiviert.
[2] Dabei werden die Konten der beteiligten Konzerngesellschaften täglich zugunsten/zulasten des Kontos des Cash Pool-Leaders auf Null gestellt. Der Cash Pool-Leader kann einen positiven Saldo anlegen bzw. muss einen negativen Saldo finanzieren.
[3] Ekkenga, in MüKo-GmbHG, § 30 Rn. 184; Heidinger, in Michalski, § 30 Rn. 80.
[4] Die Liquidität abführenden Konzerngesellschaften erhalten gleiche oder höhere Zinsen als für ihr Kontoguthaben bei der Bank; die Liquidität in Anspruch nehmende Konzerngesellschaften zahlen geringe Zinsen als banküblich. Nur der Konzernsaldo muss zu höheren Bankzinsen finanziert bzw. zu geringeren Tages-/Festgeldkonditionen angelegt werden. Durch die Kumulierung von Finanzströmen können ggf. Größenvorteile bei den Banken in Anspruch genommen werden.
[5] Siehe dazu und zu den steuerlichen Implikationen eines grenzüberschreitenden Cash Pooling auch: Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 8. Aufl., S. 716, 1102 ff.
[6] Siehe dazu und Möglichkeiten der Haftungsvermeidung: Kollruss, MDR 2011, S. 208 ff.
[7] Liebscher, in MüKo-GmbHG, Anh. § 13 Rn. 425.
[8] Ggf. ist wegen der Bedeutung der Maßnahme oder aufgrund entsprechender Satzungsbestimmungen die Zustimmung eines Aufsichtsrats, der Gesellschafterversammlung oder eines Beirats zum Abschluss eines Cash Pooling-Vertrages notwendig.
[9] Hierzu gehören auch die steuerlichen Folgen der Teilnahme am Cash Pooling. Es sei insoweit nur auf die Regelungen der Gesellschafterfremdfinanzierung (§ 8a KStG), des beschränkten Betriebsausgabenabzugs für Zinsen aus Dauerschulden bei der Gewerbesteuer (§ 8 Nr. 1 GewStG) sowie die Regelungen der verdeckten Gewinnausschüttung/verdeckten Einlage und des Außensteuergesetzes bei nicht marktüblichen Konditionen der Darlehen verwiesen.

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