Leitsatz (amtlich)

1. Im Verwaltungsprozess vertritt nicht der Insolvenzverwalter, sondern der Geschäftsführer, eine sich in der Insolvenz befindliche GmbH, wenn sich diese gegen eine sie betreffende Gewerbeuntersagung wendet.

2. Das Gewerbeuntersagungsverfahren betrifft nicht die Insolvenzmasse, sondern ist auf Beendigung der persönlichen Tätigkeit der gewerbetreibenden GmbH gerichtet.

3. Eine Verfahrensunterbrechung nach § 173 VwGO i.V.m. § 240 ZPO tritt in diesen Verfahren nicht ein.

 

Nachgehend

BVerwG (Beschluss vom 18.01.2006; Aktenzeichen 6 C 21.05)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens haben die Klägerin und der Beigeladene je zur Hälfte zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten des Beklagten vorläufig vollstreckbar.

Der Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung nach Maßgabe der Kostenfestsetzung abwenden, falls nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Sprungrevision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin, eine GmbH, wehrt sich gegen die Untersagung des von ihr seit dem 22.06.1999 ausgeübten Gewerbes „An- und Verkauf, Verwaltung und Vermietung von Grundstücken, Gebäuden und sonstigen Gegenständen und Gerätschaften sowie die Bebauung von Grundstücken, Erbringung von Service-Leistungen im Bereich der Gastronomie und Vermietung von gastronomischen Einrichtungen.”

Mit Schreiben vom 27.05.2002 teilte das Finanzamt C. dem Beklagten mit, die Steuerschulden der Klägerin beliefen sich auf 142.056,17 Euro. Am 23.07.2002 leitete der Beklagte gegen die Klägerin ein Gewerbeuntersagungsverfahren ein. Unter dem 14.11.2002 teilte das Finanzamt dem Beklagten mit, die Steuerschulden betrügen nunmehr 225.043,91 Euro.

Der Beklagte erließ am 21.11.2002 die bereits bei der Einleitung des Verfahrens angedrohte Gewerbeuntersagungsverfügung. Der Klägerin wurde das von ihr ausgeübte Gewerbe sowie jede selbständige gewerbliche Tätigkeit, soweit diese unter § 35 Abs. 1 GewO fällt, untersagt. Gleichzeitig drohte der Beklagte die Schließung des Betriebes nach Ablauf eines Monats gerechnet vom Tage der Vollziehbarkeit des Bescheides an für den Fall der Zuwiderhandlung. Die Kosten möglicher Vollstreckungsmaßnahmen veranschlagte er auf 250,– Euro.

Die Untersagungsverfügung begründete der Beklagte mit Steuerrückständen gegenüber dem Finanzamt in Höhe von 225.043,– Euro und verwies ferner darauf, die Klägerin komme ihren steuerlichen Mitwirkungspflichten nicht bzw. nur unvollständig nach (Bl. 22 ff. der Beiakte).

Hiergegen legte die Klägerin am 23.12.2002 Widerspruch ein. Wegen der Begründung wird auf ihr Schreiben vom 19.12.2002 (Bl. 36 d. Beiakte) Bezug genommen.

Mit Bescheid vom 10.07.2003 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück unter Hinweis darauf, die Abgabenrückstände bestünden nunmehr in einer Höhe von 287.063,97 Euro. Außerdem stünden die Steuererklärungen ab dem Jahre 2000 aus. Der Widerspruchsbescheid wurde am 12.06.2003 zugestellt.

Die Klägerin hat am 10.07.2003 Klage gegen die Gewerbeuntersagung erhoben.

Mit Beschluss des Amtsgerichts D. vom 09.09.2003 wurde über das Vermögen der Klägerin das Insolvenzverfahren eröffnet und der beigeladene Rechtsanwalt zum Insolvenzverwalter bestellt. Dieser teilte unter dem 27.11. 2003 mit, das Verfahren sei gemäß § 173 VwGO i. V. m. § 240 ZPO unterbrochen, soweit sich der angegriffene Verwaltungsakt gegen die GmbH richte. Mit Beschluss vom 08.12.2003 (Bl. 25) ist das Verfahren bis zum Abschluss des Insolvenzverfahrens ausgesetzt worden. Auf die Beschwerde des Beklagten hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof den Aussetzungsbeschluss aufgehoben (B. v. 03.02.2004 – 8 TJ 35/04 –, Bl. 39 ff. d. Gerichtsakte).

Die Klägerin hat ihre Klage nicht begründet.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Bescheid vom 21.11.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.06.2003 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Auffassung, der Bescheid sei rechtmäßig.

Der beigeladene Insolvenzverwalter beantragt,

den Bescheid vom 21.11.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.06.2003 aufzuheben,

hilfsweise,

die Sprungsrevision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zuzulassen.

Er ist der Ansicht, kraft Gesetzes sei das Verfahren nach § 173 VwGO i. V. m. § 240 ZPO unterbrochen. Eine Differenzierung, wie sie auch der Hessische Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 03.02.2004 gemacht habe, zwischen der Insolvenzmasse einerseits und einer „beruflichen Betätigung des Gewerbetreibenden” andererseits sei nicht tragfähig, weil außerhalb des Insolvenzverfahrens zumindest bei einer Kapitalgesellschaft überhaupt keine „berufliche Betätigung des Gewerbetreibenden” denkbar sei. Es werde übersehen, dass nach § 35 InsO das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zurzeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gehöre und das er während dieses Verfahrens erlange, von dem Insolvenzverfahren umfasst werde und zur Insolvenzmasse gehöre. Bei nicht natürlichen Pers...

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