Leitsatz

1. Ein rechtswidriger Durchsuchungsbeschluss führt nur dann zu einem Beweisverwertungsverbot, das auch nicht durch zulässige, erneute Ermittlungsmaßnahmen geheilt werden kann, wenn die zur Fehlerhaftigkeit der Ermittlungsmaßnahme führenden Verfahrensverstöße schwerwiegend waren oder bewusst oder willkürlich begangen wurden.

2. Ein von der Steuerfahndung im steuerlichen Ermittlungsverfahren gestelltes Auskunftsersuchen ist rechtswidrig, wenn es den Eindruck erweckt, dass trotz der Einstellung des Strafermittlungsverfahrens weiter wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung ermittelt werde, hierdurch das Ansehen des Steuerpflichtigen erheblich gefährdet wird und mit einem Auskunftsersuchen durch die Veranlagungsstelle ein milderes Mittel zur Verfügung gestanden hätte.

 

Normenkette

§ 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 93 Abs. 1 AO, § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO

 

Sachverhalt

Der Kläger erzielte u.a. Einkünfte aus selbstständiger Arbeit für eine leitende Tätigkeit in einem eingetragenen Verein.

Das FA leitete gegen ihn – aufgrund eines anderen Sachverhalts – ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Einkommensteuer- und Umsatzsteuerverkürzung ein.

Das Amtsgericht ordnete auf Ersuchen der Staatsanwaltschaft die Durchsuchung der Wohnung des Klägers, der Geschäftsräume von Bankinstituten und des Vereins an. Zur Vollziehung des Durchsuchungsbeschlusses wurde der Kläger von den Beamten des FA in seiner Wohnung aufgesucht. Nachdem sich der Kläger hinsichtlich des Vorwurfs der Steuerhinterziehung entlasten konnte, verzichteten die Vertreter des FA auf die Vollziehung des Durchsuchungsbeschlusses. Der Kläger überließ dem FA diverse Unterlagen zur weiteren Nachprüfung seiner Angaben, u.a. auch Kontoauszüge des Vereins.

Auf die Beschwerde des Klägers hob das Landgericht die Durchsuchungsbeschlüsse des Amtsgerichts auf. Ein Anfangsverdacht hinsichtlich einer Steuerhinterziehung habe nicht bestanden. Die Staatsanwaltschaft stellte das Strafverfahren gegen den Kläger nach § 170 Abs. 2 StPO ein. Die Einstellung umfasste auch den Vorwurf der Einkommensteuerhinterziehung in Bezug auf die Einkünfte des Klägers aus seiner Tätigkeit für den Verein. Die Straf- und Bußgeldsachenstelle des FA teilte dem Kläger schriftlich mit, dass diesbezüglich auch keine leichtfertige Steuerverkürzung vorliege.

Danach forderte das FA den Verein unter dem Briefkopf der Dienststelle für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung auf, in dem steuerlichen Ermittlungsverfahren gegen den Kläger Auskunft darüber zu geben, welche Konten der Verein für den Kläger geführt habe, und die entsprechenden Kontoverdichtungen vorzulegen. Der Verein übersandte dem FA die angeforderten Unterlagen, aus denen sich keine weiteren Erkenntnisse ergaben.

Das FG wies die Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Auskunftsersuchens ab (FG Köln, Urteil vom 15.12.2009, 8 K 2933/06, Haufe-Index 2304059, EFG 2010, 551).

 

Entscheidung

Der BFH hob die Vorentscheidung auf und stellte fest, dass das Auskunftsverlangen des FA an den Verein rechtswidrig gewesen sei, weil es von der mit der Steuerfahndung betrauten Dienststelle und nicht von der Veranlagungsstelle stammte. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die PraxisHinweise verwiesen.

 

Hinweis

1. Nach § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO kann, wenn ein mit der Klage angefochtener Verwaltungsakt sich im Verlauf des Klageverfahrens erledigt hat, das Gericht unter bestimmten Voraussetzungen auf Antrag die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts feststellen. Das gilt auch, wenn ein Verwaltungsakt sich schon vor der Klageerhebung erledigt hat. Dies ist z.B. der Fall, wenn die Rechtmäßigkeit eines Auskunftsbegehrens strittig ist und der Kläger die Auskunft bereits vor Klageerhebung erteilt hat.

2."Berechtigtes Interesse" i.S.d. § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO ist jedes konkrete, vernünftigerweise anzuerkennende Interesse rechtlicher, tatsächlicher oder wirtschaftlicher Art.

a) Das berechtigte Interesse ist u.a. dann gegeben, wenn die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts zu einem Verwertungsverbot führt. Insoweit kommt auch ein qualifiziertes materielles Verwertungsverbot mit Fernwirkung in Betracht. Ein solches Beweisverwertungsverbot, das auch nicht durch zulässige, erneute Ermittlungsmaßnahmen geheilt werden kann, kommt – z.B. als Folge einer fehlerhaften Durchsuchung – nur dann in Betracht, wenn die zur Fehlerhaftigkeit der Ermittlungsmaßnahme führenden Verfahrensverstöße schwerwiegend waren oder bewusst oder willkürlich begangen wurden.

b) Das Feststellungsinteresse i.S.v. § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO in Bezug auf ein bereits erledigtes Auskunftsersuchen ist jedoch dann gegeben, wenn der Kläger durch das Auskunftsersuchen in seinem Persönlichkeitsrecht betroffen wird und deshalb ein Interesse an seiner Rehabilitierung hat.

aa) Es kann einen erheblichen Eingriff in die Persönlichkeitssphäre bedeuten, wenn der erledigte Verwaltungsakt als Fortsetzung des erkennbar unzutreffenden Vorwurfs der Steuerhinterziehung verstanden werden kann. ...

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