Ob sich auf die Niederlassungsfreiheit auch solche Gesellschaften berufen können, die von Anfang an bewusst als reine Briefkastenfirma im Ausland gegründet worden sind, hat der EuGH nicht in der Überseeringentscheidung ausdrücklich festgestellt, da es in der zugrunde liegenden Entscheidung um eine Gesellschaft ging, die zunächst auch in den Niederlanden ihren effektiven Verwaltungssitz hatte und diesen erst später verlegte ("Wegzugsfall"). Die Entscheidung muss so verstanden werden, dass auch die Gründung einer Briefkastenfirma im Ausland wirksam ist.[1]

Konsequent hat daher schon 2003 das OLG Zweibrücken entschieden, dass die Eintragung einer Zweigniederlassung im Inland auch dann nicht versagt werden dürfe, wenn der tatsächliche Verwaltungssitz der Gesellschaft sich von Anfang an im Inland befindet.[2] Im konkreten Fall wurde im Vereinigten Königreich mit einem eingezahlten Kapital von 100 britischen Pfund eine Kapitalgesellschaft gegründet, die sich mit der Herstellung von CD-Roms und DVDs beschäftigte. Ohne jemals in England tätig gewesen zu sein, beantragte sie sogleich die Eintragung einer Zweigniederlassung in Deutschland.

Am 30.9.2003 entschied dann auch der EuGH, dass eine in England als reine Briefkastengesellschaft gegründete Kapitalgesellschaft, die unter Inspire Art Ltd. firmierte und die in den Niederlanden als Zweigniederlassung eingetragen werden sollte, im Inland rechtsfähig ist.[3]

[1] Siehe Leible/Hoffmann, ZIP 2003, 925, 929, wonach nicht nur in "Wegzugsfällen" die Rechts- und Parteifähigkeit ausländischer Gesellschaften im Inland anzuerkennen sind, sondern auch dann, wenn ein effektiver Sitz im Ausland nie bestand.

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