Von einem Fehlen oder von einem Überschreiten der eingeräumten Vertretungsmacht ist deren Missbrauch zu unterscheiden. Während ein Handeln des Vertreters ohne oder außerhalb der ihm erteilten Vollmacht die oben dargestellten Folgen der §§ 177 ff. BGB auslöst, trifft ein Missbrauch der erteilten Vollmacht grundsätzlich den Vertretenen: Er wird aus dem Geschäft mit dem Dritten verpflichtet und kann allenfalls im Innenverhältnis seinen treuwidrig handelnden Vertreter in Regress nehmen.

Nach dem das Vertretungsrecht beherrschenden Abstraktionsprinzip ist dabei streng zwischen der Erteilung der Vollmacht und dem dieser Erteilung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis – meist ein Auftrag oder ein Geschäftsbesorgungsvertrag – zu unterscheiden. Allein Letzteres ist maßgeblich für die Frage, ob und ggf. welche vertraglichen Pflichten der Vertreter verletzt und ob er sich aus dieser Verletzung schadensersatzpflichtig gemacht hat.

 
Praxis-Beispiel

Vertreter, die nicht so handeln, wie sie sollen

  • K ordert beim Weingut W Wein. Weil W die Gewinnung neuer Kunden bei einer Mindestabnahme von fünf Kartons mit attraktiven Präsenten belohnt, bestellt K – ohne dazu ermächtigt zu sein – für seinen Nachbarn L noch einmal fünf Kartons in dessen Namen: ein klarer Fall des Handelns ohne Vertretungsmacht. Wird die zweite Order von L nicht genehmigt, haftet K dem W nach dessen Wahl auf Erfüllung des Vertrages oder Schadensersatz.
  • Nicht anders liegt es, wenn L den K bevollmächtigt hat, einen Karton für ihn zu bestellen. Die Bestellung von fünf Kartons in seinem Namen stellt dann eine Überschreitung der K eingeräumten Vollmacht dar, die insoweit wieder die Folgen eines Handelns ohne Vertretungsmacht auslöst.
  • Hat L dagegen dem W mitgeteilt, K sei ohne Mengenbegrenzung bevollmächtigt, Wein für ihn zu ordern und bestellt K nun eine unsinnige Menge für ihn bei W, um selbst in den Genuss höherer Rabatte zu kommen, mag das zwar ein Missbrauch der Vollmacht gegenüber L sein, ändert aber nichts an dessen Verpflichtung, den Wein abzunehmen. Denn K handelte im Rahmen der ihm eingeräumten umfassenden Vertretungsmacht. Ob L den K deswegen belangen kann, hängt davon ab, ob diesem eine schuldhafte Verletzung des der Vollmachtserteilung zugrunde liegenden Rechtsgeschäfts vorgeworfen werden kann.

In bestimmten Fällen führt indessen auch der Missbrauch einer tatsächlich eingeräumten Vollmacht nicht zur Verpflichtung des Vertretenen:

  • Wirken Vertreter und Dritter böswillig zum Schaden des Vertretenen zusammen, wird dieser nicht verpflichtet. Ein solches bewusstes Zusammenwirken zum Nachteil des Vertretenen wird Kollusion genannt.
  • Nichts anderes gilt, wenn der Dritte den Missbrauch der Vertretungsmacht durch den Vertreter erkennt oder wenn er sich ihm aufdrängen musste.
  • Schließlich ist auch das Geschäft nichtig, das der vom Verbot des Selbstkontrahierens (§ 181 BGB) befreite Vertreter[4] mit sich selbst (Insichgeschäft) zum Nachteil des Vertretenen schließt.[5]
[4] Vgl. dazu Gruppe 16 S. 261 ff.

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