FinMin Schleswig-Holstein, 11.12.2017, ESt - Kurzinformation Nr. 2008/38

Einkommensteuerliche Behandlung des Kaufs kassenärztlicher Zulassungen;

Vertragsarztzulassung als immaterielles Wirtschaftsgut;

   
  BFH-Urteile vom 9.8.2011 – BStBl 2011 II S. 875 und 21.2.2017 – BStBl 2017 II S. 689, 694
   

Kassenzulassung als wertbildender Faktor

Mit dem o.g. Urteil vom 9.8.2011 hat der BFH entschieden, dass der Vorteil aus der Zulassung als Vertragsarzt grundsätzlich kein neben dem Praxiswert stehendes Wirtschaftsgut darstellt. Erwirbt daher ein Praxisnachfolger eine bestehende Arztpraxis, einen Teilbetrieb oder einen Mitunternehmeranteil mit Vertragsarztsitz und zahlt er unter Berücksichtigung des wirtschaftlichen Interesses des ausscheidenden Vertragsarztes oder dessen Erben einen Kaufpreis, der den Verkehrswert der Praxis nicht übersteigt, ist der Kassenzulassung kein gesonderter Wert beizumessen und diese somit einheitlich mit dem Praxiswert abzuschreiben.

Kassenzulassung als eigenständig bewertbares, nicht abschreibungsfähiges Wirtschaftsgut

Allerdings hat der BFH in seinem Urteil ausgeführt, dass dieser grundsätzlich in den Praxiswert eingeflossene wertbildende Faktor sich dann zu einem eigenständigen Wirtschaftsgut konkretisieren kann, wenn er zum Gegenstand eines Veräußerungsvorgangs – z.B. im Kaufvertrag – gemacht wird. Von einem eigenständigen Wirtschaftsgut ist nur in besonders gelagerten Fällen auszugehen. Erwirbt etwa ein Praxisnachfolger im Rahmen der Nachbesetzung eine Praxis, ohne sie (Praxisräume, Patientenstamm, Nebenbetriebsstätten) zu übernehmen und fortzuführen und ergeben sich aufgrund vorliegender Vereinbarungen oder Verträge Anhaltspunkte dafür, dass der Erwerb der Kassenzulassung im Vordergrund steht, z.B. um den Vertragsarztsitz zu verlegen oder die Aufnahme des Erwerbers als weiteren Gesellschafter in eine bestehende freiberufliche Personengesellschaft zu ermöglichen, dann kommt der Anschaffung der Vertragsarztzulassung eine nicht unerhebliche eigene wirtschaftliche Bedeutung zu (vgl. Rz 25 des o. a. Urteils). In diesen Fällen ist von der Entstehung eines selbständigen immateriellen Wirtschaftsgutes auszugehen, so dass die entsprechenden Anschaffungskosten der Kassenzulassung zuzuordnen sind.

Absetzungen für Abnutzung oder Teilwertabschreibung

Da die Vertragsarztzulassung generell zeitlich unbegrenzt erteilt wird, kommen Absetzungen für Abnutzung nach § 7 Abs. 1 EStG nicht in Betracht. Unter den Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG kann eine Teilwertabschreibung vorgenommen werden, wenn der Vertragsarzt seinen Gewinn nach § 4 Abs. 1 EStG durch Bestandsvergleich ermittelt. Eine Teilwertabschreibung nach Einführung der Bedarfszulassung zum 1.1.2003 im Rahmen der Reform der gesetzlichen Krankenversicherungen ab 2000 (GKV – GR 2000 vom 22.12.1999, BGBl 1999 I S. 2626) kommt allerdings nicht in Betracht. Denn eine Verwertungsmöglichkeit der Zulassung besteht auch über den 1.1.2003 hinaus, da nach § 103 Abs. 4 SGB V die Ausschreibung für gesperrte Planbereiche weiterhin möglich ist. Durch die Einführung der Bedarfszulassung ändert sich an der Verwertungsmöglichkeit der Zulassung nichts.

   
  Entscheidungen des BFH vom 21.2.2017
   
  Der BFH hat bestätigt, dass zwischen dem Erwerb des Betriebs einer Vertragsarztpraxis als Sachgesamtheit mit allen materiellen Wirtschaftsgütern und einem Praxiswert (= Chancenpaket inklusive eines im Praxiswert untrennbar enthaltenen Vorteils aus der Zulassung als Vertragsarzt) einerseits und dem Sonderfall des Erwerbs nur des immateriellen Wirtschaftsguts des mit einer Vertragsarztzulassung verbunden wirtschaftlichen Vorteils andererseits zu unterscheiden sei.
   
  Der Erwerb einer Praxis als Chancenpaket könne auch vorliegen, wenn der Erwerber nicht beabsichtige, die ärztliche Tätigkeit in den bisherigen Räumen des Einzelpraxisinhabers fortzusetzen. Folgende Indizien sprechen nach der Auffassung des BFH demgegenüber für den Erwerb allein des wirtschaftlichen Vorteils einer Vertragsarztzulassung:
   
 
  • Die fehlende Übernahme der Patientenkartei.
  • Die fehlende Übernahme von Wirtschaftsgütern des Anlage- und Umlaufvermögens.
  • Die fehlende Übernahme bestehender Praxisverträge.
  • Die räumliche Entfernung zwischen der veräußerten und der vom Erwerber fortgeführten Praxis.
   
  Der BFH führt weiter aus, dass der Annahme eines entgeltlichen Erwerbs nicht entgegen stehe, dass die Vertragsarztzulassung als öffentlich-rechtliche Berechtigung nicht übertragbar sei, sondern der „Erwerber” nur im Rahmen eines vom „Veräußerer” zu beantragenden Nachbesetzungsverfahrens gem. § 103 SGB V durch den Zulassungsausschuss – ohne dass hierfür an diesen ein Kaufpreis zu zahlen wäre – erteilt werden könne. Da der bisherige Zulassungsinhaber das Nachbesetzungsverfahren in Gang setzen müsse und er zugunsten seines Vertragspartners Einfluss auf das Verfahren nehmen könne, diene die Zahlung des auf privatrechtlicher Ebene vereinbarten Kaufpreises, der Anschaffung der mit der Vertragsarztzula...

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