Leitsatz

Dem EuGH wird zur Vorabentscheidung folgende Rechtsfrage vorgelegt: Liegt ein Verstoß gegen Art. 43 EG vor, wenn einem gebietsansässigen Steuerpflichtigen die Zusammenveranlagung zur ESt mit seinem in Österreich wohnenden Ehegatten, von dem er nicht getrennt lebt, mit der Begründung versagt wird, dieser habe sowohl mehr als 10 % der gemeinsamen Einkünfte als auch mehr als 24.000 DM erzielt, wenn diese Einkünfte nach österreichischem Recht steuerfrei sind?

 

Normenkette

§ 1 Abs. 3 EStG 1997 , § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG 1997 , § 26 Abs. 1 EStG 1997 , Art. 39 EG , Art. 43 EG

 

Sachverhalt

Der Kläger ist österreichischer Staatsbürger mit Wohnsitz in Deutschland. Seine Ehefrau, die Beigeladene, wohnt in Österreich.

Der Kläger erzielte im Streitjahr 1997 in Deutschland Einkünfte aus selbstständiger Arbeit sowie aus Gewerbebetrieb i.H.v. insgesamt 138.422 DM. Die Beigeladene war im Streitjahr nicht berufstätig. Sie erhielt von der Republik Österreich im Streitjahr ein Wochengeld von 142.586 öS sowie ein Karenzgeld von 47.117 öS (zusammen 189.703 öS) ausgezahlt. Des Weiteren bezog sie für ihre im Januar 1997 geborene Tochter Familienbeihilfe i.H.v. 15.600 öS.

Für das Streitjahr beantragten der Kläger und die Beigeladene die Zusammenveranlagung nach §§ 26, 26b EStG 1997. Das FA lehnte dies ab und führte eine Einzelveranlagung durch. Es war der Auffassung, dass die Voraussetzungen des § 1a Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 1 Abs. 3 EStG 1997 nicht gegeben seien. Zum einen liege der Anteil der inländischen Einkünfte beider Ehegatten unter 90 %. Zum anderen sei auch die absolute Grenze des § 1 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 1a Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 EStG 1997 von 24.000 DM überschritten, da die Beigeladene Lohnersatzleistungen von insgesamt umgerechnet 26.994,73 DM vom österreichischen Staat bezogen habe. Diese Lohnersatzleistungen seien nicht nach § 3 Nr. 1 Buchst. d EStG 1997 steuerfrei. Deshalb seien diese als wiederkehrende Bezüge i.S.d. § 22 Nr. 1 EStG 1997 bei der Prüfung der Wesentlichkeitsgrenze des § 1 Abs. 3 EStG 1997 einzubeziehen.

Die dagegen erhobene Klage hatte Erfolg (EFG 2005, 612). Das FG legte § 1 Abs. 3 Satz 2 EStG "europarechtskonform" aus und gewährte den beanspruchten Vorteil in Deutschland.

 

Entscheidung

Der BFH sah sich demgegenüber veranlasst, die im Leitsatz ersichtliche Rechtsfrage dem EuGH zur Vorabentscheidung vorzulegen.

Nach deutscher Regelungslage sei der Zusammenveranlagungsantrag abzulehnen. Denn die in Österreich lebende Ehefrau habe dort Lohnersatzleistungen vereinnahmt, die, weil nicht aus deutschen Quellen stammend, in Deutschland nicht nach § 3 Nr. 1 Buchst. d und § 3 Nr. 67 EStG steuerbefreit und deshalb in Deutschland steuerpflichtig wären. Von den Gesamteinkünften unterlägen nur die Einkünfte des Ehemanns in Deutschland. Folglich liege der Anteil der inländischen Einkünfte beider Ehegatten unter 90 % und sei zudem die absolute Einkunftsgrenze von 24.000 DM überschritten worden. Die Voraussetzungen von § 1 Abs. 3 Satz 2 EStG seien damit nicht erfüllt.

Es müsse jedoch geprüft werden, ob dieses Ergebnis gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen (in Gestalt der Diskriminierungsverbote der Art. 39, Art. 43 EG). standhalte.

 

Hinweis

1. Beanspruchen Eheleute den Vorteil des Ehegatten-Splittings gem. §§ 26, 26b EStG, dann schadet es zwar nicht, wenn einer der Ehegatten in einem anderen EG-Mitgliedstaat wohnt. Es genügt gem. § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG, wenn – erstens – einer von ihnen die Voraussetzungen der unbeschränkten Steuerpflichtigen nach § 1 Abs. 1 EStG oder der fiktiven unbeschränkten Steuerpflichtigen nach § 1 Abs. 3 EStG erfüllt und zugleich Staatsangehöriger eines EG-/EWR-Staats ist und wenn – zweitens – der andere Ehegatte seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im EG-/EWR-Ausland hat.

2. Allerdings müssen die Eheleute die Einkunftsgrenzen des § 1 Abs. 3 Satz 2 EStG einhalten. Und danach dürfen die Einkünfte beider Ehegatten im Kalenderjahr – erstens (= relativ) – mindestens zu 90 % der deutschen ESt unterliegen oder – zweitens (= absolut) – die nicht der deutschen ESt unterliegenden Einkünfte den Betrag von 24.000 DM (heute: 6.136 ?-) nicht übersteigen.

3. Die innerhalb dieser Grenzen bestimmten Einkünfte sind nach deutschem Recht zu ermitteln, was ein zweistufiges Vorgehen erfordert: Zunächst ist das Welteinkommen beider Ehegatten unter Einschluss aller steuerbaren und steuerpflichtigen Inlands- und Auslandseinkünften zu ermitteln. Sodann sind jene Einkünfte auszusondern, die nicht der inländischen "Besteuerung unterliegen".

Zur ersten Prüfungsstufe: Im Beschlussfall wohnte der (klagende) Ehemann in Deutschland und erzielte dort Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit. Die Ehefrau lebte in Österreich und vereinnahmte dort steuerfrei Lohnersatzleistungen. Der BFH ermittelte das Welteinkommen der Eheleute unter Einbeziehung jener Ersatzleistungen der Ehefrau. Die für vergleichbare -Inländer maßgeblichen Befreiungsvorschriften des § 3 Nr. 1 Buchst. d und des § 3 Nr. 67 EStG waren mangels entsprechender Zuflüsse a...

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