Leitsatz

1. Die Übertragung von Vermögen gegen Versorgungsleistungen ist nur im Anwendungsbereich des § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG (bzw. früher: § 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG i.d.F. des JStG 2008) unentgeltlich; wird nach dieser Vorschrift nicht begünstigtes Vermögen übertragen, liegt ertragsteuerrechtlich eine entgeltliche oder teilentgeltliche Übertragung vor.

2. Bei Übertragung eines Vermietungsobjekts des Privatvermögens gegen Leibrente führen die wiederkehrenden Leistungen des Übernehmers an den Übergeber in Höhe ihres Barwerts zu Anschaffungskosten, die mit den AfA berücksichtigt werden, und in Höhe ihres Zinsanteils zu sofort abziehbaren Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung.

3. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Satz 2 EStG, wonach Leibrentenzahlungen nur mit dem in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG vorgesehenen Ertragsanteil als Werbungskosten (sofort) abgezogen werden können, ist verfassungsgemäß.

 

Normenkette

§ 10 Abs. 1a Nr. 2, § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Satz 2 und Nr. 7 Satz 1, § 12 Nr. 2, § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG, § 11 Abs. 1 Sätze 1 und 2 EStDV, Art. 3 Abs. 1 GG

 

Sachverhalt

Ihr Vater übertrug der Klägerin das Eigentum an einem vermieteten Mehrfamilienhaus. Die Übertragung sollte nach dem notariellen Vertrag unentgeltlich sein. Die Klägerin verpflichtete sich, an ihren Vater (aus den Vermietungserträgen) lebenslänglich 2.500 EUR monatlich zu zahlen. Den Aufwand machte sie als sofort abziehbare Werbungskosten geltend. Das FA erkannte nur den Ertragsanteil an. Das FG hat die Übertragung als voll unentgeltlich erachtet (kein Sonderausgaben- und kein Werbungskostenabzug), eine Verböserung aber unterlassen (FG Bremen, Urteil vom 25.10.2018, 1 K 165/17 (3), Haufe-Index 12954993).

 

Entscheidung

Die dagegen gerichtete Revision der Klägerin hatte Erfolg. Die Vermögensübertragung war jedenfalls nicht unentgeltlich. Ob sie voll- oder nur teilentgeltlich war, muss nun das FG feststellen. In der Sache gewinnt die Klägerin allerdings nicht viel, weil ihre Versorgungszahlungen an den Vater auch im Fall der Vollentgeltlichkeit nur mit dem Ertragsanteil sofort abziehbare Werbungskosten sind. Berücksichtigt werden müssen aber noch AfA aus dem Barwert der wiederkehrenden Leistungen und aus weiteren bisher nicht berücksichtigten Anschaffungskosten der Klägerin.

 

Hinweis

1. Die Beteiligten stritten nur über die Frage, ob die von der Klägerin an ihren Vater im Gegenzug für die Übertragung eines Vermietungsobjekts geleisteten wiederkehrenden Versorgungszahlungen in voller Höhe oder nur mit dem Ertragsanteil sofort abziehbare Werbungskosten sind. Die Klägerin hielt die Vorschrift in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Satz 2 EStG für verfassungswidrig. Darüber hatte der BFH allerdings bereits entschieden. Im Besprechungsurteil ist dies entsprechend kurz abgehandelt. Der BFH hat seine Rechtsprechung insofern bestätigt (Leitsatz 3; vgl. auch Rz. 38 des Urteils; BFH, Urteil vom 16.12.1997, VIII R 38/94, BFH/NV 1998, 1020, Haufe-Index 67016, BStBl II 1998, 339).

2. Die Kernfrage des Falles war indes, ob die Klägerin aus dem Übergabevertrag überhaupt Werbungskosten geltend machen konnte. Das FG hatte dies verneint. Das Grundstück sei unentgeltlich übertragen worden. Die von der Klägerin übernommenen Leistungen seien mithin nicht durch die Einkünfteerzielung veranlasst. Zwar seien bei ihr AfA zu Unrecht nicht berücksichtigt worden; diese lägen aber betragsmäßig unter den zu Unrecht vom FA anerkannten Werbungskosten in Höhe des Ertragsanteils der wiederkehrenden Leistungen, weshalb (Verbot der reformatio in peius) die Klage abzuweisen sei.

a) Das BMF vertritt seit der Neufassung des § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG a.F. durch das JStG 2008 (jetzt § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG) die Auffassung, dass die Übertragung von nicht (mehr) nach dieser Vorschrift begünstigtem Vermögen stets entgeltlich oder zumindest teilentgeltlich sei (so BMF, Schreiben vom 11.3.2010, IV C 3 – S 2221/09/10004, BStBl I 2010, 227 Tz. 57 und 65). Davon war das FG abgewichen.

b) Der BFH hatte deshalb das BMF zum Beitritt und zur Stellungnahme aufgefordert, ob wiederkehrende Leistungen im Zusammenhang mit der Übertragung nach § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG nicht mehr begünstigtem Vermögens stets (d.h. ohne Ausnahme) Entgelt sind oder ob gleichwohl eine unentgeltliche Übertragung (in bestimmten Fällen) vorliegen könne (BFH, Beschluss vom 28.4.2020, IX R 11/19, BFH/NV 2020, 977, Haufe-Index 13913102, BFH/PR 2020, 256).

3. Nun hat der BFH die Rechtsfrage im Sinne der Finanzverwaltung entschieden (Leitsatz 1).

a) Ausgangspunkt ist der Übertragungsvertrag. Zutreffend hat das FG den Vertrag zunächst zivilrechtlich als Schenkung gegen Auflage qualifiziert. Sie gilt zivilrechtlich als vollunentgeltlich.

b) Ertragsteuerrechtlich muss indes die Un-/Entgeltlichkeit des Geschäfts eigenständig beurteilt werden. Maßstab ist hier vor allem der Veranlassungsgrundsatz:

aa) Danach sind Vermögensübertragungen gegen Versorgungsleistung auch zwischen Familienangehörigen grun...

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