Entscheidungsstichwort (Thema)

Bei einer unentgeltlichen Übertragung eines Mietwohngrundstücks im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge gegen wiederkehrende Versorgungsleistungen kein Werbungskosten- oder Sonderausgabenabzug für die wiederkehrenden Zahlungen des Übernehmers

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Übergibt ein Elternteil im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge unter Vereinbarung einer Leibrente seinem Kind ein vermietetes Grundstück, besteht im Zeitpunkt der Übertragung die begründete Erwartung, dass die vereinbarten Versorgungsleistungen in vollem Umfang aus den Erträgen des Grundstücks getragen werden können, und ist der Barwert der vereinbarten Leibrente deutlich niedriger als der Verkehrswert der Mietimmobilie, so ist von einer unentgeltlichen Vermögensübertragung gegen wiederkehrende Versorgungsleistungen auszugehen. Die Rentenzahlungen des Kindes sind somit dem privaten Bereich zuzuordnen und weder vollständig nach § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 S. 1 EStG noch anteilig mit dem Ertragsanteil nach § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 S. 2 EStG als Werbungskosten bei den Einkünften des Kindes aus Vermietung und Verpachtung abziehbar.

2. Es ist nicht verfassungswidrig, dass bei einer unentgeltlichen Übertragung eines Mietwohngrundstücks gegen wiederkehrende Versorgungsleistungen nach § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG in der ab 2008 gültigen Fassung auch ein Sonderausgabenabzug für die wiederkehrenden Leistungen nicht möglich ist. Es ist auch nicht möglich, bei der Übertragung eines Mietgrundstücks gegen Versorgungsleistungen wegen Fehlens einer gesetzlichen Zulassung des Sonderausgabenabzugs ersatzweise eine Berücksichtigung der Rentenzahlungen – und sei es auch nur mit dem Ertragswert – als Werbungskosten vorzunehmen.

 

Normenkette

EStG 2013 § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 6, Abs. 2, § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 S. 1, S. 2, § 10 Abs. 1a Nr. 2, § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 12 Nrn. 1-2, § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb; GG Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 29.09.2021; Aktenzeichen IX R 11/19)

BFH (Beschluss vom 28.04.2020; Aktenzeichen IX R 11/19)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über den Umfang der Berücksichtigungsfähigkeit von lebenslangen monatlichen Zahlungen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung.

Die Kläger sind verheiratet und wurden im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Klägerin erzielte in diesem Jahr u.a. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung des Grundstücks L… in B….

Dieses Grundstück hatte der am … geborene Vater der Klägerin mit notariellem Vertrag vom …2011 in der Fassung des notariellen Änderungsvertrags vom …2011 auf die Klägerin übertragen.

§ 4 des Vertrages vom …2011 enthält unter der Überschrift „Gegenleistung” folgende Regelung:

„Die Übertragung erfolgt unentgeltlich im Wege der Schenkung.

Der Erwerber zu 2., [Klägerin], bewilligt und beantragt die Eintragung einer Reallast zugunsten des Übergebers zu 1., [Vater], für seinen Anspruch auf Leistung von monatlich Euro 2.000,00 zahlbar jeweils zum dritten Werktag eines jeden Monats. Die wiederkehrende Leistung ist für die Lebensdauer des Berechtigten zu erbringen.

(…)”

Im Änderungsvertrag vom …2011 wurde der monatliche Betrag von 2.000,00 Euro in 2.500,00 Euro geändert.

Darüber hinaus sah der Vertrag als Gegenleistung für die Grundstücksübertragung die Erstattung eines durch den Vater zur Ablösung einer Grundschuld gezahlten Betrages in Höhe von … Euro vor. In dem Vertrag wurde ein Grundstückswert von … Euro angegeben.

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr erklärten die Kläger Mieteinnahmen der Klägerin aus dem Mietobjekt L… in Höhe von … Euro zzgl. Umlagen und sonstige Einnahmen in Höhe von … Euro. Neben der mit den Beträgen des Vaters fortgeführten Absetzung für Abnutzung (AfA) und anderen Werbungskosten machten sie für die vertragsgemäßen Zahlungen an den Vater der Klägerin Werbungskosten in Höhe von 30.000,00 Euro (2.500,00 Euro/Monat × 12 Monate) geltend.

Im Ergebnis erklärten sie negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für das Objekt L… in Höhe von … Euro.

In den getrennt veranlagten Jahren 2012, 2014 und 2015 erklärte die Klägerin unter vollem Abzug der Zahlungen an ihren Vater positive Einkünfte aus der Vermietung des Grundstücks L… in Höhe von … Euro, … Euro und … Euro.

In dem Einkommensteuerbescheid für 2013 vom … berücksichtigte der Beklagte die Zahlungen der Klägerin an ihren Vater nur teilweise als Werbungskosten.

Er bewertete die Zahlungen dabei als Leibrente im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und berücksichtigte lediglich den sich aus § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG ergebenden Ertragsanteil in Höhe von 3.900,00 Euro jährlich (13 % von 30.000,00 Euro) als Werbungskosten.

Im Ergebnis ergaben sich positive Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für das Objekt L… in Höhe von … Euro.

Hiergegen legten die...

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