Leitsatz

Eine Anteilsminderung i.S. des § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG liegt vor, wenn die Beteiligung am Vermögen der Gesamthand gemindert wird. Das kann durch Veräußerung des Gesellschaftsanteils selbst bewirkt werden oder auch durch anderweitige Vereinbarungen erfolgen, wenn es dadurch bei im Übrigen unveränderter bürgerlich-rechtlicher Beteiligung am Gesamthandsvermögen wirtschaftlich zu einer Beschränkung oder Aufgabe der Beteiligung am wirtschaftlichen Wert des Gesellschaftsanteils und somit an der Teilhabe am Wert des eingebrachten Grundstücks kommt.

 

Normenkette

§ 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Sätze 1 und 2, § 17 Abs. 2 GrEStG

 

Sachverhalt

Am Vermögen der Klägerin, einer KG, war Z zu 100 % beteiligt. Mit Kaufvertrag vom xx.9.2008 erwarb die Klägerin diverse Grundstücke von insgesamt zehn KGs, deren Kommanditanteile von den leiblichen Kindern des Z gehalten wurden. Die veräußernden KGs hatten den Grundbesitz in diesem Zeitpunkt über einen Zeitraum von mehr als fünf Jahren gehalten. Das FA behandelte diesen Erwerbsvorgang zunächst nach § 3 Nr. 6 i.V.m. § 6 Abs. 3 GrEStG als steuerfrei.

Mit Vertrag vom xx.12.2008 veräußerte Z 94 % seiner Kommanditanteile an der Klägerin mit sofortiger Wirkung an E. Außerdem unterbreitete Z am selben Tag D ein bis zum 30.6.2014 für Z unwiderrufliches notariell beurkundetes Angebot auf Abschluss eines Kauf‐ und Abtretungsvertrags über den ihm verbliebenen Kommanditanteil von 6 %. Am xx.12.2008 trat Z seine Gewinn‐ und Verlustbeteiligung für die bei ihm verbliebenen 6 % bis zum 31.12.2013 an E ab.

Das FA nahm an, dass die Steuervergünstigung für den Vertrag vom xx.9.2008 angesichts der Vorgänge vom xx./xx.12.2008 gemäß § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG vollumfänglich rückwirkend zu versagen sei. Es erließ deshalb einen entsprechend geänderten Feststellungsbescheid gegenüber der Klägerin. Einspruch und Klage blieben insoweit erfolglos (FG Köln, Urteil vom 27.3.2019, 5 K 1953/16, Haufe-Index 14058307, EFG 2020, 1701).

 

Entscheidung

Der BFH änderte auf die Revision der Klägerin den angefochtenen Bescheid dahin gehend, dass die Steuervergünstigung nach § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 GrEStG nicht vollständig, sondern nur i.H.v. 94 % der Bemessungsgrundlage des streitgegenständlichen Erwerbs rückwirkend nicht zu gewähren ist. Im Übrigen wies er die Klage ab.

Die Steuervergünstigung des § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG sei durch den Vertrag vom xx.12.2008 zu 94 % entfallen. In diesem Umfang sei der Anteil des Z am Gesellschaftsvermögen der Klägerin vermindert worden. Der Zeitpunkt der Weiterveräußerung habe innerhalb der Haltefrist gelegen. In diese Frist sei die vorherige Beteiligung der Kinder des Z nicht einzurechnen. Die Voraussetzungen zur teleologischen Reduktion der Missbrauchsverhinderungsvorschriften der §§ 5 und 6 GrEStG lägen im Streitfall nicht vor.

Die Steuervergünstigung des § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG sei hinsichtlich des verbleibenden Anteils von 6 % durch die Rechtsakte vom xx./xx.12.2008 nicht entfallen. Z habe durch die Vereinbarungen mit D und E nicht auch über seine restliche Beteiligung i.H.v. 6 % verfügt. Weder das Kaufangebot an D noch die Abtretung der Gewinn‐ und Verlustbeteiligung an E noch beide Maßnahmen in einer Gesamtschau hätten zu einer Änderung der Beteiligung am Gesellschaftsvermögen geführt.

 

Hinweis

Der BFH befasst sich im Besprechungsurteil mit dem rückwirkenden Wegfall der Steuervergünstigung nach § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 GrEStG.

1. In Fällen, in denen sich ein Rechtsvorgang auf mehrere Grundstücke bezieht, die in den Bezirken verschiedener Finanzämter liegen, stellt das FA, in dessen Bezirk der wertvollste Grundstücksteil oder das wertvollste Grundstück oder der wertvollste Bestand an Grundstücksteilen oder Grundstücken liegt, die Besteuerungsgrundlagen gesondert fest (§ 17 Abs. 2 Alternative 2 GrEStG).

a) Zu den Besteuerungsgrundlagen gehören u.a. die verbindliche Entscheidung über die Steuerpflicht des jeweiligen Erwerbsvorgangs dem Grunde nach sowie über eine etwaige Steuerbefreiung oder Nichterhebung der Steuer dem Grunde und der Höhe nach. Beim Übergang von Grundstücken von einer Gesamthand auf eine andere ist Gegenstand der gesonderten Feststellung auch, ob und in welcher Höhe für den Rechtsvorgang nach § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 GrEStG keine Steuer erhoben wird oder ob und in welchem Umfang diese Steuervergünstigung rückwirkend aufgrund der Voraussetzungen des § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStGentfallen ist.

b) Alle Feststellungen sind jeweils eigenständig einer Überprüfung im Einspruchs‐ und Klageverfahren zugänglich.

2. Beim Übergang eines Grundstücks von einer Gesamthand auf eine andere Gesamthand wird nach § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 GrEStG die Steuer nicht erhoben, soweit die Anteile der Gesamthänder am Vermögen der erwerbenden Gesamthand ihren Anteilen am Vermögen der übertragenden Gesamthand entsprechen.

a) Gemäß § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG in der bis zum 30.6.2021 geltenden Fassung ist § 6 Abs. 1 Satz 1 GrEStG insoweit nicht entsprechend anzu...

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