1.1 Zweck und Vorteil des Verlustabzugs

Der Verlustabzug nach § 10d EStG stellt sicher, dass dem Steuerpflichtigen bei jährlich schwankenden Einkünften keine steuerlichen Nachteile entstehen. Existenzgründer können sich mit Anfangsverlusten aus einer selbstständigen Tätigkeit Liquidität verschaffen, wenn sie im Jahr vor der Gründung z. B. hohe Einkünfte aus nicht selbstständiger Tätigkeit hatten, weil sie mittels des Verlustabzugs Einkommensteuer aus dem Vorjahr erstattet bekommen.

 
Praxis-Beispiel

Verluste aufgrund der Insolvenz eines Großkunden

Ein Unternehmer hat in 02 einen hohen Verlust (negative Einkünfte nach § 15 EStG) von 100.000 EUR erlitten, weil ein Großkunde unerwartet Insolvenz angemeldet hat. In 01 hatte der Unternehmer einen Gewinn aus Gewerbebetrieb von 300.000 EUR. Aufgrund des möglichen Verlustabzugs zahlt er im Ergebnis für das Jahr 01 nur bezüglich eines Gewinns von 200.000 EUR Einkommensteuer.

Existenzgründer mit Anfangsverlusten ohne Antrag auf Verlustabzug

Ein lediger Arzt ohne Kinder hat sich Anfang 2023 selbstständig gemacht. Er hat Investitionen getätigt, Personal- und Raumkosten etc. Trotz vieler Privatpatienten erwirtschaftet er in 2023 einen Verlust von 100.000 EUR. Andere positive Einkünfte hat er nicht.

In 2022 hatte er als Angestellter im Krankenhaus Einkünfte aus nicht selbstständiger Tätigkeit i. H. v. 48.000 EUR. Unter Berücksichtigung der Sonderausgabenpauschale von 36 EUR und beschränkt abzugsfähiger Sonderausgaben (KV-und PV-Beiträge und Altersvorsorge) i. H. v. 9.180 EUR betrug das zu versteuernde Einkommen 38.784 EUR. Die Steuerzahllast für 2022 betrug 7.763 EUR (Einkommensteuer) und 0 EUR (Solidaritätszuschlag).

Das Finanzamt wird ohne Antrag von Amts wegen einen Betrag von 48.000 EUR vom Verlust des Jahres 2023 als Verlustabzug in 2022 berücksichtigen. Es kommt zu einer Steuererstattung 2022 i. H. v. 7.763 EUR (Einkommensteuer). Der verbleibende Verlustvortrag wird zum 31.12.2023 auf 52.000 EUR gem. 10d Abs. 4 Satz 1 EStG gesondert festgestellt.

1.2 Verlustausgleich ist vorrangig durchzuführen

§ 2 Abs. 3 EStG regelt den Verlustausgleich. Dabei werden positive Einkünfte mit negativen Einkünften im gleichen Veranlagungszeitraum verrechnet. Dabei ist folgende Reihenfolge zu beachten:

1.2.1 Horizontaler Verlustausgleich

Beim horizontalen (internen) Verlustausgleich werden Verluste mit Gewinnen derselben Einkunftsart grundsätzlich unbegrenzt verrechnet.

 
Praxis-Beispiel

Steuerpflichtiger als Eigentümer mehrerer Immobilien

Der Steuerpflichtige erzielt mit seinem vermieteten Haus (8 Wohnungen) in München einen Überschuss aus Vermietung und Verpachtung gem. § 21 EStG i. H. v. 15.000 EUR. Mit einem Mietobjekt in den neuen Bundesländern erzielt er aufgrund von Leerständen Verluste aus Vermietung und Verpachtung i. H. v. 10.000 EUR. Aufgrund des horizontalen Verlustausgleichs bleiben ihm positive Einkünfte i. H. v. 5.000 EUR.

1.2.2 Vertikaler Verlustausgleich

Bleiben nach dem horizontalen Verlustausgleich aus einer Einkunftsart negative Einkünfte übrig, können diese mit positiven Einkünften aus anderen Einkunftsarten verrechnet werden (vertikaler bzw. externer Verlustausgleich). Dieser ist in unbeschränkter Höhe zulässig.

 
Praxis-Beispiel

Vertikaler Verlustausgleich bei Ehepaar

Der Ehemann hat nach horizontalem Ausgleich positive Mieteinkünfte i. H. v. 15.000 EUR. Aus seinem neu gegründeten Nebengewerbe hat er Verluste aus Gewerbebetrieb i. H. v. 22.000 EUR. Nach vertikalem Verlustausgleich beträgt die negative Summe der Einkünfte 7.000 EUR.

Die Ehefrau hat als angestellte Bankkauffrau einen Bruttoarbeitslohn von 35.000 EUR. Sie hat Werbungskosten i. H. v. 1.500 EUR, also positive Einkünfte i. H. v. 33.500 EUR.

Der Ehemann kann seine negative Summe der Einkünfte i. H. v. 7.000 EUR mit den positiven Einkünften der Ehefrau im Wege des vertikalen Verlustausgleichs vollständig verrechnen. Die Summe der Einkünfte der Eheleute beläuft sich auf 26.500 EUR.

Die Beschränkung des Verlustabzugs unter Berücksichtigung des objektiven Nettoprinzips auf "negative Einkünfte" und die Berechnung des Verlustverbrauchs durch Verrechnung der nicht ausgeglichenen Verluste mit einem positiven Gesamtbetrag der Einkünfte ohne vorrangige Berücksichtigung privater Aufwendungen, wie z. B. Sonderausgaben oder außergewöhnliche Belastungen ist verfassungsmäßig nicht zu beanstanden.[1]

1.3 Verlustabzug in anderen Jahren

Können negative Einkünfte nicht oder nicht vollständig mit positiven Einkünften im gleichen Jahr verrechnet werden, kann der nicht ausgeglichene Verlustbetrag von einem positiven Gesamtbetrag der Einkünfte in einem anderen Jahr abgezogen werden. Dabei ist folgende Reihenfolge relevant.

1.3.1 Verlustrücktrag in die Vorjahre

Gem. § 10d Abs. 1 Satz 1 EStG wird der verbleibende Verlust des Steuerpflichtigen automatisch vom Finanzamt vom Gesamtbetrag der Einkünfte des vorangegangenen Jahres abgezogen und zwar vorrangig vor Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen und sonstigen Abzugsbeträgen. Dabei gilt bezüglich des Verlustrücktrags ein Höchstbetrag.[1]

Soweit ein Ausgleich der negativen Einkünfte nach § 10d Abs. 1 Satz 1 EStG nicht möglich ist, sind diese zwingend gem. § 10d...

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