Leitsatz

Die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 5 Satz 1 AO endet – auch im Falle einer nach Abgabe der Steueranmeldung wegen § 168 Satz 2 AO noch nicht festgesetzten Steuer – erst, wenn die aufgrund der Ermittlungen der Fahndungsprüfung zu erlassenden Bescheide unanfechtbar geworden sind.

 

Normenkette

§ 149 Abs. 1, § 150 Abs. 1 Satz 3, § 167 Abs. 1 Satz 1, § 168 Satz 2, § 169 Abs. 1 Satz 1, § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 169 Abs. 2 Satz 2, § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 171 Abs. 4, § 171 Abs. 5 Satz 1 AO, § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO, § 2 Abs. 1, § 18 Abs. 3 Satz 1 UStG

 

Sachverhalt

Die Klägerin machte mit der Umsatzsteuer-Jahreserklärung 1999 vom 14.12.2000 eine Steuervergütung von 237.194,30 DM geltend. Das Finanzamt stimmte der Umsatzsteuererklärung weder zu noch setzte es die Jahressteuer abweichend fest. In den Steuerakten befindet sich eine nicht bekannt gegebene Umsatzsteuerberechnung für 1999 vom 18.9.2001. Danach ging das Finanzamt zunächst von einer festzusetzenden Umsatzsteuerschuld von 436.342 DM aus. Nach einer gleichfalls nicht bekannt gegebenen Umsatzsteuerberechnung für 1999 vom 29.8.2002 ergab sich demgegenüber eine festzusetzende Steuervergütung von 56.140,87 EUR. Auf den dazugehörigen Prüfhinweisen ist jeweils handschriftlich "intern" vermerkt.

Am 4.9.2001 gab die Steuerfahndungsstelle des Finanzamts gegenüber dem Geschäftsführer X der Klägerin die Eröffnung des Steuerstrafverfahrens bekannt. Die Fahndungsprüfung betraf u.a. Ermittlungen wegen Hinterziehung der Umsatzsteuer für 1999. Ausweislich eines Vermerks des FA wurde das gegenüber X eingeleitete Steuerstrafverfahren am 4.6.2006 eingestellt. Am 14.6.2006 wurde die Klägerin – nachdem der Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen mangels Masse am 25. Februar 2003 abgewiesen worden war – wegen Vermögenslosigkeit im Handelsregister gelöscht. Sowohl der am 25.5.2010 durch X im Namen der Klägerin eingelegte Einspruch wegen Nichtbearbeitung der Umsatzsteuererklärung für 1999 als auch die am 25.5.2012 erhobene Untätigkeitsklage, die im Laufe des Rechtsstreits durch die am 21.5.2012 bestellte Nachtragsliquidatorin genehmigt wurden, blieben ohne Erfolg (FG München, Urteil vom 30.4.2014, 3 K 1663/12, Haufe-Index 7639452). Das Finanzgericht ging von Festsetzungsverjährung aus.

 

Entscheidung

Der BFH hob die Entscheidung des Finanzgerichts auf und verwies die Sache an das Finanzgericht zurück. Der Ablauf der Festsetzungsfrist sei gemäß § 171 Abs. 5 AO gehemmt gewesen. Es seien noch Feststellungen zum Umfang der Hemmung und der Höhe der festzusetzenden Umsatzsteuer zu treffen.

 

Hinweis

1. § 171 Abs. 5 Satz 1 AO regelt die Ablaufhemmung, wenn die Dienststellen der Steuerfahndung vor Ablauf der Festsetzungsfrist beim Steuerpflichtigen mit Ermittlungen der Besteuerungsgrundlagen beginnen. Die Festsetzungsfrist läuft dann nicht ab, bevor die aufgrund der Ermittlungen zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind.

2. Nach dem Wortlaut des § 171 Abs. 5 Satz 1 AO ist die Ablaufhemmung mit der Unanfechtbarkeit der aufgrund der Ermittlungen zu erlassenden Bescheide verknüpft. Dies hat zur Folge, dass der Erlass eines (Änderungs-)Bescheids im Anschluss an eine Fahndungsprüfung grundsätzlich ohne zeitliche Begrenzung zulässig ist. Es kommt nicht darauf an, dass der Bescheid innerhalb eines bestimmten Zeitraums nach Abschluss der Ermittlungen ergeht. Dies gilt auch dann, wenn die ermittelten Besteuerungsgrundlagen zu einer erstmaligen Steuerfestsetzung führen. Sind aufgrund der Ermittlungen der Fahndungsprüfung Steuerbescheide (ggf. erstmals) zu erlassen, enden Ablaufhemmung und Festsetzungsfrist daher erst, wenn diese Steuerbescheide unanfechtbar werden.

3. Auch bei einer – nach Abgabe der Steueranmeldung wegen § 168 Satz 2 AO – noch nicht festgesetzten Steuer endet die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 5 Satz 1 AO erst, wenn die aufgrund der Ermittlungen der Fahndungsprüfung noch zu erlassenden Bescheide unanfechtbar geworden sind. Die Ablaufhemmung gilt somit auch zugunsten des Steuerpflichtigen.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 17.12.2015 – V R 58/14

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