OFD Niedersachsen, 11.5.2012, S 2244 - 110 - St 244

Mit Urteil vom 25.6.2009 (BStBl 2010 II S. 220) und Beschluss vom 18.3.2010 (BStBl 2010 II S. 627) hat der BFH entgegen der bisherigen Verwaltungsauffassung entschieden, dass der Abzug von Erwerbsaufwand (z.B. Betriebsvermögensminderungen, Anschaffungskosten oder Veräußerungskosten) im Zusammenhang mit Einkünften aus der Veräußerung oder Auflösung einer Beteiligung nach § 17 Absatz 1 und Absatz 4 EStG jedenfalls dann nicht nach § 3c Absatz 2 Satz 1 EStG begrenzt ist, wenn der Steuerpflichtige keinerlei durch seine Beteiligung vermittelten Einnahmen erzielt hat.

Den hierzu ergangenen Nichtanwendungserlass vom 15.2.2010 (BStBl 2010 I S. 181) hat das BMF mit Schreiben vom 28.6.2010 (BStBl 2010 I S. 599) aufgehoben, so dass die Grundsätze der BFH-Rechtsprechung zu beachten sind.

Bei der Bearbeitung der Fälle bis einschließlich VZ 2010 ist Folgendes zu beachten:

 

1. Schädliche Einnahmen

Ein Verlust nach § 17 EStG ist ohne Anwendung des Halb- (bis VZ 2008) bzw. Teilabzugsverbots (ab VZ 2009) nur dann in voller Höhe zu berücksichtigen, wenn der Steuerpflichtige keinerlei durch seine Beteiligung vermittelten Einnahmen – weder auf der Vermögensebene (im Rahmen der Veräußerungsgewinnbesteuerung) noch auf der Ertragsebene (Einkünfte aus Kapitalvermögen) – erzielt hat. Die im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen zugeflossenen Zinseinnahmen aus einem Darlehen, das zu nachträglichen Anschaffungskosten einer Beteiligung i.S. des § 17 EStG führt, stehen nicht direkt mit der Beteiligung an sich in Zusammenhang. Hierbei handelt es sich vielmehr um ein eigenständiges Schuldverhältnis, das von der Beteiligung als solche – unbeschadet ihrer gesellschaftsrechtlichen Veranlassung – zu unterscheiden ist (vgl. BFH-Urteil vom 14.1.2009, BStBl 2009 II S. 674). Zu den Einnahmen, die eine volle Verlustberücksichtigung ausschließen, gehören:

Ausschüttungen aus dem steuerlichen Einlagekonto nach § 27 KStG sind auch dann zu berücksichtigen, wenn der Betrag der Ausschüttung nicht die Anschaffungskosten der Beteiligung übersteigt und damit zunächst keine steuerpflichtigen Einkünfte nach § 17 Abs. 4 EStG vorliegen.

In Liquidations- und Insolvenzfällen bitte ich besonders zu prüfen, ob dem Anteilseigner im Rahmen der Abwicklung Wirtschaftsgüter aus dem Gesellschaftsvermögen (insbesondere abgeschriebene Wirtschaftsgüter der Betriebs- und Geschäftsausstattung) ausgekehrt wurden. Soweit diese zu fremdüblichen Bedingen an den Anteilseigner veräußert werden, handelt es sich nicht um eine Einnahme aus der Beteiligung, die zur Einschlägigkeit des Halb- bzw. Teilabzugsverbots führt.

Erzielt der Steuerpflichtige während des Zeitraums, in dem er die Beteiligung gehalten hat, zu irgendeinem Zeitpunkt (noch so geringe) Einnahmen, ist das Halb- bzw. Teilabzugsverbot anzuwenden (Ausnahmen siehe 2.2.2 und 2.2.4). In die Prüfung, ob durch die Beteiligung vermittelte Einnahmen erzielt wurden, ist für Beteiligungen, die

  • vor dem VZ 2002 erworben wurden, der Zeitraum ab 2002 (vgl. Tz. 2.1) maßgeblich.
  • ab dem VZ 2002 erworben wurden, der gesamte Zeitraum einzubeziehen, in dem der Steuerpflichtige die Beteiligung gehalten hat (vgl. Tz. 2.2.1).

Hierfür sind z.B. Verträge, Gesellschafterbeschlüsse, Unterlagen des Insolvenzverfahrens sowie die Inhalte der ESt-Akten heranzuziehen. Zudem sollte Kontakt mit dem für die Kapitalgesellschaft zuständigen Veranlagungsbezirk aufgenommen werden, um ggf. vorhandene Informationen über Gewinnausschüttungen oder Kapitalrückzahlungen zu gewinnen.

 

2. Zeitpunkt der Einnahmeerzielung

Anschließend ist zu prüfen, wann die Einnahmen angefallen sind. Das Halbeinkünfteverfahren ist für offene Gewinnausschüttungen ab dem VZ 2002, für verdeckte Gewinnausschüttungen und Vorabausschüttungen bereits ab dem VZ 2001 anzuwenden (§ 52 Abs. 4d Satz 1 Nr. 1 EStG i.V.m. § 34 Abs. 12 Satz 1 Nr. 2 KStG). Es sind daher zwei Fallgruppen zu unterscheiden:

 

2.1 Beteiligungserwerb vor Inkrafttreten des Halbeinkünfteverfahrens

Der BFH hat mit Urteil vom 6.4.2011 (Az. IX R 28/10, BStBl 2011 II S. 814) die Auffassung des Niedersächsischen FG (Urteil vom 18.5.2010, EFG 2010 S. 1588) bestätigt, dass § 3c Abs. 2 EStG bei der Ermittlung des Auflösungsverlustes nach § 17 Abs. 4i.V.m. Abs. 2 EStG nicht bei ausschließlich im Anrechnungsverfahren zugeflossenen Einnahmen einschlägig ist.

Soweit Einspruchsverfahren aufgrund dieses Verfahrens ruhen, können sie nunmehr wieder aufgenommen werden. Das anderslautende rechtskräftige Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 12.11.2009 (EFG 2010 S. 318) ist damit obsolet.

 

2.2 Beteiligungserwerb ab Inkrafttreten des Halbeinkünfteverfahrens

Die Rechtsgrundsätze des BFH-Urteils vom 25.6.2009 (a.a.O.), wie auch des Beschlusses vom 18.3.2010 (a.a.O.) sind g...

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