Leitsatz

Der bis zum Zeitpunkt der Begründung der unbeschränkten Steuerpflicht nach § 1 Abs. 1 EStG entstandene Vermögenszuwachs hat nicht i.S. von § 17 Abs. 2 Satz 3 EStG aufgrund gesetzlicher Bestimmungen des Wegzugsstaats im Wegzugsstaat einer der Steuer nach § 6 AStG vergleichbaren Steuer unterlegen, wenn dort keine Steuer festgesetzt ­worden ist.

 

Normenkette

§ 17 Abs. 1 und 2 EStG, Art. 13 Abs. 5 und 6 DBA NLD 2012

 

Sachverhalt

Der Kläger war Alleingesellschafter einer B. V. niederländischen Rechts, die er 1998 mit einer Einlage von 18.000 EUR (so die tatsächlichen Feststellungen des FG) gegründet hatte. 2006 zog er nach Deutschland und veräußerte 2016 seine Beteiligung. Nach Art. 13 Abs. 6 DBA NLD 2012 hätte der Besteuerungswert bei Wegzug in einem Steuerbescheid (Konservierungsbescheid) festgestellt und die darauf entfallende Steuer festgesetzt werden müssen. Die Steuer wäre dann gestundet und später möglicherweise erlassen worden. Dieses Verfahren sei von den niederländischen Behörden versäumt worden. 2015 erwirkte der Kläger von der niederländischen Finanzbehörde eine Bescheinigung, dass die Aufschubbesteuerung in seinem Fall versäumt worden sei. Er werde aber so behandelt, als ob sie stattgefunden hätte. Als Wert der Anteile wären 1.112.240 EUR anzusetzen gewesen. Der Kläger setzte diesen Wert als Anschaffungskosten an; das FA lehnte dies ab und berücksichtigte die ursprünglichen Anschaffungskosten. Das FG hat die Klage abgewiesen (FG Düsseldorf, Urteil vom 1.7.2020, 7 K 2991/19 E, Haufe-Index 14033459).

 

Entscheidung

Auch die Revision der Kläger hatte keinen Erfolg. Die nachträglich vom Kläger erwirkte Bescheinigung der niederländischen Steuerbehörde sei keine Festsetzung der Wegzugsteuer. Der bis zum Wegzug entstandene Wertzuwachs habe deshalb in den Niederlanden keiner Wegzugbesteuerung "unterlegen".

 

Hinweis

Das Besprechungsurteil betrifft die Ermittlung des Veräußerungsgewinns gemäß § 17 EStG bei der Veräußerung eines Anteils an einer ausländischen Kapitalgesellschaft (hier B. V. niederländischen Rechts) nach Zuzug aus dem EU-Ausland. Streitig war, ob die historischen Anschaffungskosten angesetzt werden müssen (mit der Folge, dass der gesamte Wertzuwachs in Deutschland versteuert wird) oder ob ein davon abweichender Wert, mit dem die Beteiligung im Wegzugsstaat einer § 6 AStG entsprechenden (Wegzug-)Steuer unterlegen hat (§ 17 Abs. 2 Satz 3 EStG), angesetzt werden kann (mit der Folge, dass nur der im Inland entstandene Wertzuwachs erfasst wird).

1. Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG ist die niederländische Wegzugsteuer der deutschen vergleichbar. Auch hätten die Niederlande den Wegzug nach diesem Gesetz und dem DBA besteuern dürfen.

2. Der bis zum Wegzug (im Ausland) entstandene Wertzuwachs habe dieser Steuer aber nicht i.S.v. § 17 Abs. 2 Satz 3 EStG"unterlegen".

a) Aus der Rechtsfolgenanordnung der Norm ("Berechnung") ergebe sich, dass zumindest ein Steuerbescheid des Wegzugsstaats mit Berechnung und Festsetzung der Steuer ergangen sein muss. Es genüge nicht, dass die Niederlande das Recht gehabt hätten, einen solchen Bescheid zu erlassen.

b) Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus Art. 13 Abs. 5 und 6 DBA NLD 2012. Danach falle das Besteuerungsrecht an Deutschland zurück, wenn und soweit es in den Niederlanden (tatsächlich) nicht zu einer Besteuerung gekommen sei.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 26.10.2021 – IX R 13/20

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