Leitsatz

1. Bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts ist zwischen der umsatzsteuerrechtlich relevanten Betätigung im Unternehmen und der nicht unternehmerischen – vorzugsweise hoheitlichen – Tätigkeit zu unterscheiden.

2. Eine juristische Person des öffentlichen Rechts führt unternehmerische Tätigkeiten aus, wenn sie – auf privatrechtlicher Grundlage – im eigenen Namen gegen Entgelt Lieferungen oder sonstige Leistungen erbringt.

3. Die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung gilt nur insoweit nach § 2 Abs. 3 S. 2 Nr. 5 UStG 1993 als Unternehmerin, als sie selbst Umsätze ausführt.

4. Die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung ist aus der Übernahme von Schweinen im Rahmen von Sondermaßnahmen nach Ausbruch der Schweinepest nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt, wenn sie die Schweine nicht durch Umsätze für ihr Unternehmen verwendete, sondern lediglich in Tierkörperbeseitigungsanstalten entsorgen ließ.

 

Normenkette

§ 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 3 S. 2 Nr. 5, § 15 Abs. 1 UStG 1993, Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 3, Art. 17 Anhang D Nr. 76 der 6. EG-RL, Nr. 414/97 und Nr. 370/98 Verordnung (EG)

 

Sachverhalt

Die Klägerin erwarb aufgrund entsprechender VO nach Ausbruch der Schweinepest Schweine von den Landwirten, rechnete darüber im Gutschriftverfahren ab und gab diese in Tierkörperbeseitigungsanstalten, die für den "Transport und die Entsorgung" der übernommenen Tierkörper ... DM je Tonne in Rechnung stellte, die Tiere z.T. zu Tiermehl, Fetten und Ölen verarbeitete und diese Erzeugnisse sodann auf dem freien Markt veräußerte.

 

Entscheidung

Der BFH bestätigte die Würdigung des FG (Hessisches FG, Urteil vom 05.09.2006, 6 K 4528/01, Haufe-Index 1748457, EFG 2007, 549), die Tierkörperbeseitigungsanstalt habe über Transport und Entsorgung und nicht über den Erwerb von Schweinen abgerechnet. Im Streitfall jedenfalls hat das FG revisionsrechtlich nicht zu beanstandende Anhaltspunkte für eine Lieferung verneint.

 

Hinweis

1. Der Vorsteuerabzug setzt einen direkten und unmittelbaren Zusammenhang zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und Ausgangsumsätzen voraus, die zum Vorsteuerabzug berechtigen. Bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts ist zunächst zwischen der umsatzsteuerrechtlich relevanten Betätigung im Unternehmen und der nicht unternehmerischen – vorzugsweise hoheitlichen – Tätigkeit zu unterscheiden. Eine unternehmerische (wirtschaftliche) Tätigkeit führt eine juristische Person des öffentlichen Rechts (nur) aus, wenn sie – auf privatrechtlicher Grundlage – in eigenem Namen gegen Entgelt Lieferungen oder sonstige Leistungen erbringt.

Auch bei Stützungskäufen im Rahmen einer gemeinschaftsrechtlichen Beihilfeaktion (hier zur Stützung des Schweinemarkts nach Ausbruch der Schweinepest) kommt es deshalb darauf an, ob die angekauften Gegenstände im unmittelbaren Zusammenhang mit einer unternehmerischen Tätigkeit des Ankäufers verbunden sind.

2. Nach § 2 Abs. 3 S. 2 Nr. 5 UStG gelten als gewerbliche oder berufliche Tätigkeit die Tätigkeit der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (folgend B), soweit Aufgaben der Marktordnung, der Vorratshaltung und der Nahrungsmittelhilfe wahrgenommen werden. B ist Marktordnungsstelle und Interventionsstelle. Zu den Aufgaben der Marktordnung gehören die Interventionen, d.h. die Übernahme, Abgabe und Verwertung von Marktordnungswaren durch die Interventionsstelle. Grundlage hierfür ist Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 3 i.V.m. Anhang D der 6. EG-RL. Nr. 7 des Anhangs D nennt "Umsätze der landwirtschaftlichen Interventionsstellen aus landwirtschaftlichen Erzeugnissen, die in Anwendung der Verordnungen über die gemeinsame Marktorganisation für diese Erzeugnisse bewirkt werden". Diese Kriterien müssen kumulativ vorliegen. Es muss sich um Umsätze – d.h. Lieferungen oder sonstige Leistungen gegen Entgelt – handeln.

Angesichts der verbesserten Möglichkeiten der Wiederverwertung von Abfallprodukten scheint die Frage, ob die Abgabe von Abfall als (tauschähnliche) Lieferung zu beurteilen ist, ein neues Thema zu werden. Ob die Abgabe von Abfall stets zu einer (tauschähnlichen) Lieferung an den Abfallentsorger mutiert, weil der Abnehmer daraus z.T. handelbare Stoffe herstellen und dies bei seiner Preiskalkulation für das Entsorgungsentgelt berücksichtigen kann, erscheint zweifelhaft.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 03.07.2008 – V R 51/06

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