Sachverhalt

Das Verfahren knüpfte an das EuGH-Urteil v. 11.6.1998, C-263/95 (Karlheinz Fischer) an. Nach dieser Entscheidung darf ein Mitgliedstaat die unerlaubte Veranstaltung eines Glücksspiels - in dem entschiedenen Fall ging es um ein Roulettespiel - nicht der Mehrwertsteuer unterwerfen darf, wenn die Veranstaltung eines solchen Glücksspiels durch eine zugelassene öffentliche Spielbank steuerfrei ist. Der Grundsatz der steuerlichen Neutralität verbiete es, bei der Erhebung der Mehrwertsteuer allgemein zwischen erlaubten und unerlaubten Geschäften zu differenzieren. Da steuerliche Neutralität sowohl bei der Besteuerung als auch Befreiung von der Mehrwertsteuer geboten sei, dürften die Mitgliedstaaten die Steuerbefreiung nicht den erlaubten Glücksspielen in öffentlichen Spielbanken vorbehalten. Den Einwand, dass es der Grundsatz der steuerlichen Neutralität nicht gebieten kann, steuerliche Begünstigungen in gleicher Weise auf legale und illegale Tätigkeiten zu erstrecken und damit die Sozialschädlichkeit illegalen Verhaltens zu vertiefen (oder dazu anzureizen), ließ der Gerichtshof nicht gelten.

Vorliegend ging es aber nicht um die Unterscheidung zwischen erlaubten und unerlaubten Spielgeräten, sondern um § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG, der von der folgender Unterscheidung ausgeht:

  • Umsätze in öffentlichen Spielbanken sind von der Steuer befreit. Solche Umsätze sind jedoch der sehr viel höheren Spielbankabgabe unterworfen, mit der zugleich die Mehrwertsteuer abgegolten wird.
  • Glücksspiele außerhalb von Spielbanken sind der Mehrwertsteuer unterworfen, unterliegen jedoch nicht der Spielbankabgabe.

Nach dem EuGH-Urteil steht Artikel 13 Teil B Buchst. f der 6. EG-Richtlinie dieser Differenzierung entgegen. Überdies erzeugt die Vorschrift unmittelbare Wirkung, d.h. der Unternehmer kann sich gegen das nationale Recht unmittelbar auf die Steuerbefreiung der Glücksspielumsätze berufen. Die zeitliche Wirkung des Urteils ist unbeschränkt, d. h. in allen noch offenen Fällen anzuwenden.

Zur Begründung seiner Entscheidung stellt der EuGH einzig auf den Neutralitätsgrundsatz ab. Hierbei spricht er aber nur an, dass es als Rechtfertigung unterschiedlicher Besteuerungsformen auf unterschiedliche Unternehmereigenschaften (Spielbank oder Einzelunternehmer) nicht ankommt. Dies schließt er aus seinem Urteil in der Sache C-283/95 (Fischer), in dem er nur die Vergleichbarkeit von erlaubtem Spielbankenroulette und unerlaubtem illegalem Roulette geprüft habe und es nach diesem Urteil auf die Unternehmeridentität nicht ankomme. Daraus zieht er den Schluss, das Gleiche müsse "erst recht für die Feststellung gelten, ob zwei rechtmäßig veranstaltete Glücksspiele oder betriebene Glücksspielgeräte als miteinander in Wettbewerb stehend anzusehen sind."

Unklar bleibt dabei, ob der EuGH wie die Generalanwältin tatsächlich geprüft hat, ob Glücksspielumsätze innerhalb und außerhalb von Spielbanken unterschiedlicher Natur sein können, die auch eine unterschiedliche Besteuerung rechtfertigen. Immerhin ist bei Glücksspielautomaten, die außerhalb von Spielbanken betrieben werden dürfen, die Gerätezahl je Spielstätte beschränkt. Es ist eine Gerätezulassung durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt erforderlich, der Höchsteinsatz je Spiel ist auf 0,20 Euro festgelegt (Mindestdauer: 12 Sekunden je Spiel) und die Mindestgewinnausschüttung beträgt 60 Prozent. Für Glücksspiele auf Geldspielgeräten in Spielbanken gelten alle diese Schutzbeschränkungen nicht (§ 33 h Nr. 1 GewO). Die in Spielbanken aufgestellten Geräte (sog. "Slot-machines" bzw. "Einarmige Banditen") sind daher gewerberechtlich nicht zulässig. Wegen dieser qualitativen Unterschiede sprechen beide Spielarten auch völlig unterschiedliche Kreise von Spielern an. Der typische Spielbankbesucher entspricht gerade nicht dem typischen Nutzer von Spielgeräten, die in Gaststätten oder in Spielhallen aufgestellt sind.

Die Generalanwältin hatte vorgetragen die streitigen Umsätze seien gleichartig in dem Sinne, dass sie ähnliche Eigenschaften haben und bei den Verbrauchern den gleichen Bedürfnissen dienen, und zwar nicht anhand eines Kriteriums der strengen Identität, sondern der Ähnlichkeit und Vergleichbarkeit der Verwendung. Ob der EuGH inhaltlich tatsächlich dieser Einschätzung gefolgt ist, bleibt unklar. Die eigentliche Frage, ob wie vorgetragen, unterschiedliche Geldspielautomatenumsätze unterschiedlich besteuert werden können, bleibt jedenfalls ausdrücklich unbeantwortet. Immerhin hat der EuGH die erste Vorlagefrage dahingehend uminterpretiert, ob es zulässig ist, dass Spielbankenbetreiber und Nichtspielbankenbetreiber mit "Ausübung der gleichen Tätigkeit" unterschiedlich behandelt werden. Daraus ergibt sich noch nicht zwangsläufig, dass der EuGH tatsächlich von gleichen oder (wie die Generalanwältin es ausdrückt) gleichartigen Umsätzen innerhalb und außerhalb von Spielbanken ausgeht. Eine "gleiche Tätigkeit" muss nicht zwangsläufig zu gleichen Umsätzen führen. Gleich ist die Tätigkeit von Spielba...

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