Sachverhalt

Bei dem Verfahren ging es - wie auch in der Rechtssache C-223/03 (University of Huddersfielsd Higher Education Corporation) - um die Frage, ob ein bestimmtes Einschaltmodell zur Erlangung des Vorsteuerabzugs eine rechtsmissbräuchliche Gestaltung darstellte, mit der Folge, dass der Vorsteuerabzug nicht anzuerkennen war.

In dem Streitfall hat eine Bank beabsichtigt, auf mehreren ihr gehörenden Grundstücken sog. Callcenter zu errichten. Da die Bank nach britischem Recht nur zu etwa 5 % zum Vorsteuer-abzug berechtigt war, hätte sie in den Bauleistungen enthaltene Umsatzsteuer, wäre sie selbst unmittelbar Leistungsempfängerin gewesen, zu 95 % als Kosten tragen müssen. Um in den Genuss des Vorsteuerabzugs zu gelangen, gründete die Bank insgesamt drei 100-prozentige Tochtergesellschaften. Die erste Gesellschaft war beauftragt, in geringem Umfang Bauleistungen zu erbringen, im Übrigen aber die zweite Gesellschaft mit den Bauleistungen zu beauftragen. Die zweite Gesellschaft gab die Bauleistungen an Bauunternehmen in Auftrag und konnte daraus den Vorsteuerabzug geltend machen, weil sie ihrerseits die Bauleistungen an die erste Gesellschaft weiterreichte. Da sich die Tätigkeit der ersten Gesellschaft auf die geringfügigen (steuerpflichtigen) Bauleistungen beschränkte, hatte sie ebenfalls den Vorsteuerabzug aus den gesamten Anschaffungskosten des Gebäudes.

An den Grundstücken, auf denen die Gebäude errichtet wurden, hatte die erste Gesellschaft von der Bank Rechte (Pachtrechte) erworben. Diese Pachtrechte veräußerte die Gesellschaft nach Abschluss der Bauphase an die von der Bank gegründete dritte Gesellschaft steuerfrei. Diese steuerfreie Veräußerung löste nach britischem Recht jedoch keine Berichtigung des Vorsteuerabzugs aus den Baukosten bei der ersten Gesellschaft aus. Die dritte Gesellschaft verpachtete dann das bebaute Grundstück - steuerfrei - an die Bank zurück.

In einem ersten Urteil hatte das Vorlagegericht entschieden, dass die Tätigkeiten der ersten und zweiten Gesellschaft nur der Erlangung des Vorsteuerabzugs dienten und es sich damit nicht um wirtschaftliche Tätigkeiten i.S.v. Artikel 4 der 6. EG-Richtlinie handele, so dass der Vorsteuerabzug ausgeschlossen sei. Die Leistungen der Bauunternehmen seien unmittelbar an die Bank bewirkt worden. Die Kläger hatten gegen dieses Urteil Berufung beim High Court of Justice eingelegt. Sie machten geltend, Artikel 4 der 6. EG-Richtlinie gehe im Streitfall von wirtschaftlichen Leistungen aus, da es auf das Ergebnis der Tätigkeit nicht ankomme. Der High Court hatte die Sache an das Vorlagegericht zurückverwiesen mit der Auflage, es müsse auch geprüft werden, ob die Kläger die Geschäfte mit der subjektiven Absicht abgeschlossen hätten, den Vorsteuerabzug möglich zu machen bzw. ob die Kläger dabei rechtsmissbräuchlich gehandelt hätten.

Das Vorlagegericht fragte EuGH, ob eine Tätigkeit, die ausschließlich in der Absicht vorgenommen wird, einen Steuervorteil zu erreichen und mit der kein selbständiger Geschäftszweck verfolgt wird, eine wirtschaftliche Tätigkeit i.S.v. Artikel 4 der 6. EG-Richtlinie sein kann bzw. ob die Kläger rechtsmissbräuchlich gehandelt haben.

Wie in den Rechtssachen C-223/03 (University of Huddersfielsd Higher Education Corporation) und in der Rechtssache C-419/02 (BUPA Hospitals hatte der EuGH zu entscheiden, ob sich der Begriff der wirtschaftlichen Tätigkeit bzw. der Begriff der Lieferung und Dienstleistung allein anhand eines von den Parteien geschlossenen Vertrages bestimmen kann, oder ob auch der wirtschaftliche Zweck der gewählten Leistungsbeziehung nachvollziehbar sein muss. Nach Art. 2 der 6. EG-Richtlinie, der den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer festlegt, unterliegen der Richtlinie nur Tätigkeiten mit wirtschaftlichem Charakter im Sinne des Art. 4. Der EuGH musste entscheiden, ob Gestaltungen, die ausschließlich oder überwiegend aus Gründen der Steuerumgehung erfolgen, in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fallen.

 

Entscheidung

In seinem Urteil erinnert der EuGH daran, dass das mit der 6. EG-Richtlinie geschaffene System insbesondere auf einer einheitlichen Definition der steuerbaren Umsätze beruht. Aus der Analyse der Begriffe der Lieferung von Gegenständen und der Dienstleistung sowie des Steuerpflichtigen und der wirtschaftlichen Tätigkeit werde deutlich, dass diese Begriffe alle einen objektiven Charakter haben und unabhängig von Zweck und Ergebnis der betroffenen Umsätze anwendbar sind. Bei der Feststellung, ob ein Umsatz eine Lieferung von Gegenständen oder eine Dienstleistung und eine wirtschaftliche Tätigkeit darstellt, kommt es nach dem Urteil deshalb nicht darauf an, ob der betreffende Umsatz ausschließlich zur Erlangung eines Steuervorteils getätigt wurde. Umsätze wie im Ausgangsfall, selbst wenn sie ausschließlich in der Absicht getätigt werden, einen Steuervorteil zu erlangen, und sonst keinen wirtschaftlichen Zweck verfolgen, sind daher Lieferungen von Gegenständen oder Dienstleistungen und eine wirtschaftlich...

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