Leitsatz

Eine Gemeinde, die sich als Gegenleistung für die Übereignung eines mit Werbeaufdrucken versehenen Fahrzeugs (Werbemobil) verpflichtet, dieses für die Dauer von fünf Jahren in der Öffentlichkeit zu bewegen, ist Unternehmerin. Dies gilt auch dann, wenn die in Abschn. 23 Abs. 4 UStR 2005 genannte Umsatzgrenze von 30 678 EUR nicht erreicht wird.

 

Normenkette

§ 2 Abs. 1 und 3, § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1, § 3 Abs. 9 S. 1 und Abs. 12 S. 2, § 3a Abs. 4 Nr. 2, § 19 UStG, Art. 2 Nr. 1, Art. 17 Abs. 2 Buchst. a, Art. 4 Abs. 1 und 5 der 6. EG-RL

 

Sachverhalt

Die Klägerin vermarktet sog. Werbemobile. Sie beschafft ein Fahrzeug und beklebt es mit den Werbeaufschriften der von ihr geworbenen Kunden, die ihr für die Werbefläche ein Entgelt zahlen. Im Streitfall wurde ein solches Fahrzeug einer Gemeinde übereignet, die sich verpflichtete, es für die Dauer von fünf Jahren in der Öffentlichkeit zu bewegen. Die Gemeinde unterhielt einen gewerblichen Betrieb "Wasserversorgung", dessen Umsätze die Beträge für Kleinunternehmer gem. § 19 UStG überstiegen.

Die Gemeinde erteilte der Klägerin eine Rechnung über die Erbringung von Werbefahrten in der Zeit von Juni 2006 bis Juni 2011 i.H.v. 9 810 EUR netto zuzüglich USt.

Das FA war der Ansicht, die Gemeinde sei nicht Unternehmer und daher nicht berechtigt gewesen, Mehrwertsteuer in Rechnung zu stellen. Es erkannte den von der Klägerin geltend gemachten Abzug der Vorsteuer i.H.v. 1 569,87 EUR nicht an.

Das FG München gab der Klage statt (FG München, Urteil vom 30.01.2008, 14 K 161/07, Haufe-Index 1965864, EFG 2008, 1071).

 

Entscheidung

Die Revision des FA hatte keinen Erfolg. Die Gründe ergeben sich aus den Praxis-Hinweisen.

 

Hinweis

1. Der Vorsteuerabzug setzt nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UStG u.a. voraus, dass eine Lieferung oder sonstige Leistung für das Unternehmen ausgeführt worden ist.

Der BFH hat bereits entschieden, dass mit der Verwendung eines sog. Werbemobils, d.h. eines mit Werbeaufschriften versehenen Fahrzeugs, im Straßenverkehr für die Dauer von fünf Jahren eine nachhaltige sonstige Leistung erbracht wird (BFH, Urteil vom 16.04.2008, XI R 56/06, BFH/PR 2008, 397, BFH/NV 2008, 1413).

2. Für den Vorsteuerabzug ist nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UStG weiter erforderlich, dass der Leistungserbringer Unternehmer ist. Im Besprechungsfall war die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage zu klären, ob die Ausstellerin der Rechnung, eine Gemeinde, als juristische Person des öffentlichen Rechts Unternehmer i.S.d. § 2 UStG ist.

Zwar sind nach § 2 Abs. 3 S. 1 UStG die juristischen Personen des öffentlichen Rechts nur im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art (§ 1 Abs. 1 Nr. 6, § 14 KStG) und ihrer land- oder forstwirtschaftlichen Betriebe gewerblich oder beruflich tätig.

Der BFH hat aber bereits entschieden, dass diese Vorschrift unter Berücksichtigung von Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-RL richtlinienkonform auszulegen ist. Danach sind juristische Personen des öffentlichen Rechts Unternehmer, wenn sie Leistungengegen Entgelt auf privatrechtlicher Grundlage unter den gleichen rechtlichen Bedingungen wie ein privater Wirtschaftsteilnehmer erbringen (vgl. z.B. BFH, Urteil vom 03.07.2008, V R 51/06, BFH/PR 2009, 101, BFH/NV 2009, 93).

Im Besprechungsfall hat sich die Gemeinde in einem zivilrechtlichen Vertrag dazu verpflichtet, das Werbemobil in der Öffentlichkeit zu bewegen.

Sie hat ihre Leistung auch gegen Entgelt erbracht. Da ihr das Werbemobil übereignet und damit geliefert wurde, handelt sich um einen tauschähnlichen Umsatz i.S.d. § 3 Abs. 12 S. 2 UStG und damit um eine entgeltliche Leistung. Der Lieferung der Klägerin (Übereignung des Werbemobils) stand die sonstige Leistung der Gemeinde, nämlich die Verpflichtung zur Bewegung des Werbemobils in der Öffentlichkeit, gegenüber.

3. Die Unternehmereigenschaft scheitert auch nicht an der geringen Höhe der Umsätze mit dem Werbemobil. Um Unternehmer im umsatzsteuerrechtlichen Sinn zu sein, muss mangels einer entsprechenden unionsrechtlichen Grundlage nicht die in Abschn. 23 Abs. 4 UStR i.V.m. R 6 Abs. 5 KStR 2004 genannte Umsatzgrenze von 30 678 EUR erreicht sein.

4. Außerdem hat eine juristische Person des öffentlichen Rechts, die einen oder mehrere Betriebe gewerblicher Art unterhält, nur ein Unternehmen im umsatzsteuerrechtlichen Sinn (vgl. BFH, Urteil vom 18.08.1988, V R 194/83, Haufe-Index 62163, BStBl II 1988, 932).

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 17.03.2010 – XI R 17/08

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