Zahlreiche gesetzgeberische Maßnahmen der letzten zwei Jahre sind vor dem Hintergrund der in verschiedenen Bereichen angewachsenen USt-Verkürzung zu sehen, z. B.:

  • Annahme eines besonders schweren Falls der Steuerhinterziehung mit erhöhter Strafandrohung (von sechs Monaten bis zu zehn Jahren) wegen Steuerverkürzung in großem Ausmaß oder Erlangung von nicht gerechtfertigten Steuervorteilen. Die Einführung des Verbrechenstatbestands der gewerbsmäßigen oder bandenmäßigen Steuerhinterziehung großen Ausmaßes nach § 370a AO a. F. musste wegen erheblicher verfassungsrechtlicher Bedenken (Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot nach Art. 103 Abs. 2 GG) aufgegeben werden (Rechtsgrundlage: § 370a AO).[1]
  • Die Einführung einer Sicherheitsleistung im Einvernehmen mit dem Unternehmer in den Fällen, in denen die Steueranmeldung zu einer Erstattung oder Herabsetzung der Steuer führt (Rechtsgrundlage: § 18f. UStG).
  • Die Haftung für schuldhaft nicht abgeführte Steuer; diese Vorschrift wurde speziell zur Bekämpfung der Karussellgeschäfte eingeführt. Die Haftung kann sich dabei auf mehrere vorangegangene Umsätze erstrecken (nicht nur unmittelbarer Eingangs-, sondern auch Vorstufenumsätze) (Rechtsgrundlage: § 25d UStG).
  • Umsatzsteuernachschau (Rechtsgrundlage: § 27b UStG).
  • Dem Anstieg an Umsatzsteuer-Betrugsfällen soll auch durch die "Zentrale Datenbank zur Speicherung und Auswertung von Umsatzsteuer-Betrugsfällen und Entwicklung von Risiko-Profilen" ("ZAUBER") begegnet werden. Allerdings sind die Fahndungsprüfer und die Sachbearbeiter in den BuStra gehalten, dorthin sämtliche Fälle zu melden, in denen es zu USt-Hinterziehung kam; da dies nahezu jeder Fall ist, ist mit einer kontraproduktiven Überfrachtung der Datenbank zu rechnen.
  • Nach Art. 4 Abs. 2 und 3 der Verordnung über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden auf dem Gebiet der indirekten Besteuerung können die Finanzbehörden von anderen EU-Mitgliedstaaten Informationen über innergemeinschaftliche Erwerbe deutscher Unternehmer erhalten (Kontrolle der Erwerbsdaten in Deutschland). Die Information basiert dabei auf den Angaben, die Unternehmer in anderen EU-Mitgliedstaaten zu innergemeinschaftlichen Lieferungen an deutsche Unternehmer in ihren Zusammenfassenden Meldungen gemacht haben. Diese Daten können durch das Verfahren USLO (Umsatzsteuer Länder Online) beim Bundeszentralamt für Steuern abgefragt werden.[2]

Die Datenbanken ZAUBER und die Koordinierungsstelle KUSS beim Bundeszentralamt für Steuern sind nach einigen Anlaufschwierigkeiten inzwischen arbeitsfähig. Die Nutzung der ZAUBER-Datei durch die Umsatzsteuer-Sonderprüfer und Steuerfahnder ist allerdings von Land zu Land und sogar von Amt zu Amt noch sehr unterschiedlich. Dies ist einerseits auf technische Unzulänglichkeiten der Datenbank zurückzuführen, andererseits damit zu begründen, dass die Bedienung ohne eine gewisse Routine immer noch recht schwerfällig ist. Es zeigt sich, dass die bloße Zurverfügungstellung von Technik nicht ausreicht. Vielmehr bedarf es klarer bundeseinheitlicher Weisungen zum Einsatz der gewonnenen technischen Möglichkeiten. Nur dann sind auch bundesweite Statistiken über den Einsatz der Technik durch die Prüfungsdienste vergleichbar und aussagekräftig.[3]

Als Lösungsmöglichkeit sollte primär darauf abgestellt werden, wie die Verhinderung und nicht die nachträgliche Verfolgung solcher Betrugshandlungen Priorität haben, schon weil die eingetretenen Steuerschäden in den weitaus meisten Fällen irreversibel sind. Insbesondere wird schon lange auf EU-Ebene bisher vergeblich diskutiert, dass die Struktur des deutschen Mehrwertsteuersystems dergestalt zu ändern ist, dass eine Verlagerung der Steuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfänger vorzunehmen ist (reverse-charge-Modell).[4]

Die Besteuerung der Umsätze im europäischen Binnenmarkt zwischen Unternehmern wurde vor mehr als 15 Jahren nur als eine Übergangslösung geschaffen; tatsächlich wird uns dieses System aber noch viele Jahre begleiten. Von der dringlichen Notwendigkeit einer Änderung wird vor allem derzeit ausgegangen, weil bestimmte Schwächen dieses Systems vermehrt von Betrügern ausgenutzt werden; insbesondere der Karussellbetrug ist hier in aller Munde. Diese Schwächen führen europaweit zu erheblichen Steuerausfällen.[5]

Reformvorschläge zur Eindämmung des grenzüberschreitenden Mehrwertsteuerbetrugs[6]

Nach einer Pressemitteilung der EU-Kommission vom 6.9.2016 beliefen sich die Mehrwertsteuerausfälle aufgrund des Vollzugsdefizits und Mehrwertsteuerbetrugs auf fast 160 Mrd. EUR im Jahr 2014. Aufgrund dieser evidenten Missstände hat sich die EU-Kommission dazu durchgerungen, das gesamte EU-Mehrwertsteuersystem grundlegend zu reformieren.

Die Europäische Kommission hat am 5.10.2017 eine weitreichende Reform des EU-Mehrwertsteuersystems vorgeschlagen. Durch die Neuregelung soll das System für Regierungen und Unternehmen gleichermaßen verbessert und modernisiert werden. Mit dem Paket schlägt die Kommission vor, das derzeitige Mehrwertsteuersystem gru...

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