Insbesondere Unternehmer im Baugewerbe bzw. im Baunebengewerbe führen in aller Regel Werklieferungen i. S. d. § 3 Abs. 4 UStG aus.[1] Wenn über das Vermögen z. B. eines Bauunternehmers oder eines selbstständigen Bauhandwerkers das Insolvenzverfahren eröffnet wird (sog. Werkunternehmer-Insolvenz), muss der Insolvenzverwalter entscheiden, wie er bezüglich der noch nicht abgeschlossenen Werklieferungen des Insolvenzschuldners (sog. halbfertige Arbeiten) verfährt. Der Insolvenzverwalter kann nach § 103 InsO wählen,

  • ob er die vertraglichen Verpflichtungen des Insolvenzschuldners erfüllt und dementsprechend auch vom Vertragspartner die Erfüllung verlangt oder
  • ob er die Erfüllung der Verpflichtungen ablehnt und dementsprechend auch auf die Erfüllung der Verpflichtungen des Vertragspartners verzichtet.

4.1.1 Erfüllung des Werklieferungsvertrags

Entscheidet sich der Insolvenzverwalter dafür, dass der Insolvenzschuldner seine vertraglichen Verpflichtungen erfüllt (Fertigstellung der halbfertigen Arbeiten), muss der Besteller (Auftraggeber) der Werklieferung den für das fertige Werk vereinbarten Preis zahlen. In diesem Fall wird die Werklieferung insgesamt zum Zeitpunkt der Verschaffung der Verfügungsmacht am fertigen Werk ausgeführt. Die hierfür anfallende Umsatzsteuer entsteht mit Ablauf des Monats, in dem die Werklieferung ausgeführt worden ist.[1] Die hierauf entfallende Umsatzsteuer gehört zu den sonstigen Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO, soweit sie noch nicht durch eine bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommene Anzahlungsbesteuerung abgedeckt ist.[2]

Hat der Insolvenzschuldner als Werklieferer – wie in der Praxis vielfach üblich – vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens Anzahlungen vereinnahmt, ist nur noch die auf den Restbetrag (Gesamtpreis abzüglich der vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vereinnahmten Anzahlungen) entfallende Umsatzsteuer als Masseforderung i. S. d. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO anzusehen.[3] Die Umsatzsteuer auf die vom Insolvenzschuldner vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vereinnahmten Anzahlungen gehört dagegen zu den Insolvenzforderungen.

[3] Vgl. BFH, Urteil v. 30.4 2009, V R 1/06, BStBl 2010 II S. 138.

4.1.2 Nichterfüllung des Werklieferungsvertrags

Lehnt der Insolvenzverwalter die weitere Erfüllung des Werkvertrags ab[1], wird das nicht fertiggestellte (Bau-)Werk zum Gegenstand der Werklieferung i. S. d. § 3 Abs. 4 UStG.[2] In diesem Fall wird die Werklieferung im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgeführt.[3] Ein eventueller Schadensersatzanspruch des Auftraggebers gegen den Insolvenzschuldner wegen nicht erbrachter Leistungsteile mindert als Zahlungsabzug das Entgelt. Die Umsatzsteuer für die Lieferung des nicht fertiggestellten Werks gehört – weil die Forderung vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet worden ist – zu den Insolvenzforderungen i. S. d. § 38 InsO.

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