Zum Jahreswechsel sollte noch einmal für die Veranlagungen der vergangenen Jahre überprüft werden, ob evtl. strittige Sachverhalte zu Änderungen des Umsatzsteuerrechts führen könnten. In diesem Zusammenhang sollten immer die wichtigen, gerade beim EuGH oder beim BFH anhängigen Verfahren beachtet werden – um ggf. für Vorjahre noch durch einen Einspruch die Festsetzungsverjährung zu hemmen. Wichtige Fragen, die derzeit vom EuGH bzw. vom BFH zu klären sind, sind insbesondere:

  • Die Frage der Nebenleistung in der Immobilienwirtschaft beschäftigt immer noch den BFH. Die grundsätzliche Frage, ob und in welchem Umfang Nebenkosten i. Z. m. Vermietungsleistungen Nebenleistungen darstellen, wird – nachdem der EuGH 2015[1] zumindest in bestimmten Fällen eine eigenständige Leistung für möglich hielt – den BFH beschäftigen. Nachdem das FG Münster[2] den Vorsteuerabzug aus einer neu errichteten Heizungsanlage gewährt hatte, muss der BFH[3] nun darüber entscheiden, ob die Energielieferung, die ein Wohnungsvermieter an seine Wohnungsmieter erbringt, dann keine (steuerfreie) Nebenleistung zur Vermietungsleistung darstellt, wenn die Energielieferungen über Mietnebenkostenabrechnungen gesondert für jeden Mieter abgerechnet werden und die Mieter den Energieverbrauch individuell regeln können.
  • Der EuGH[4] hatte 2022 einige Fragen zur nationalen Umsetzung der Organschaft geklärt. Allerdings ergab sich aufgrund der Feststellungen des EuGH eine weitere Rechtsfrage, die die bisherige nationale Konsequenz der Nichtbesteuerung der Umsätze innerhalb des Organkreises (Innenumsätze) in Frage stellte. Der BFH[5] hat daraufhin den EuGH angerufen und fragt, ob Innenumsätze innerhalb eines Organkreises der Umsatzsteuer unterliegen bzw. ob die die Nichtbesteuerung von bestimmten Voraussetzungen abhängig ist.

     
    Hinweis

    Derzeit kein praktischer Handlungsbedarf

    Der weitere Fortgang des Verfahrens muss zwar aufmerksam beobachtet werden, da dies die bisherigen nationalen Grundsätze für die Organschaft grundlegend ändern würde. Bis zu einer Entscheidung sind aber noch keine praktischen Konsequenzen zu ziehen, da die Nichtbesteuerung zu keinen wirtschaftlichen Nachteilen für die betroffenen Unternehmer führt.

  • Ebenfalls beim EuGH anhängig sind Grundsatzfragen zur Besteuerung einer unentgeltlichen Wertabgabe aus dem Unternehmen. Verwendet ein Unternehmer Gegenstände (hier als Gegenstände geltende Wärme) unentgeltlich für Zwecke, die außerhalb seines Unternehmens liegen, gilt dies als Lieferung gegen Entgelt.[6] Dies setzt aber nach der Rechtsprechung[7] die Gefahr eines unbesteuerten Endverbrauchs voraus. Zur Frage der Besteuerung der unentgeltlichen Abgabe der Prozesswärme bei dem Betrieb einer Biogasanlage an einen Spargelbauern, der die Wärme zur Beheizung seiner Spargelfelder nutzt, hat der BFH[8] jetzt den EuGH angerufen.

     
    Praxis-Tipp

    Zusammenstellung der bisherigen Rechtserkenntnisse

    In dem Vorlageverfahren stellt der BFH akribisch die bisherigen Erkenntnisse bei den verschiedenen Motiven der unentgeltlichen Wertabgabe dar. Zumindest in den Fällen, in denen Gegenstände aus unternehmerischen Gründen unentgeltlich aus dem Unternehmen abgegeben werden[9], sollten derzeit Sachverhalte offen gehalten werden.

  • Der EuGH[10] hatte 2019 entschieden, dass Aufsichtsräte nicht unternehmerisch tätig sind, wenn sie eine tätigkeitsunabhängige Festvergütung erhalten. Die Finanzverwaltung[11] hatte dies entsprechend der Vorgabe der Rechtsprechung umgesetzt. Jetzt ist beim EuGH[12] ein Verfahren anhängig, in dem es um einen Verwaltungsrat (in Luxemburg) geht, der offensichtlich auch erfolgsabhängige Vergütungen (Tantiemen) erhielt. In dem Verfahren hat die deutsche Generalanwältin vorgeschlagen, dass sich aus dem Grundsatz der Rechtsformneutralität ergibt, dass eine natürliche Person, die Mitglied eines gesetzlich zwingend vorgesehenen Organs einer Gesellschaft ist und für diese Tätigkeit als Mitglied des Organs eine Vergütung erhält, insoweit nicht als selbständig wirtschaftlich tätig angesehen werden kann. Soweit der EuGH dem Schlussantrag folgen sollte, würde sich unabhängig davon, ob eine tätigkeitsabhängige bzw. erfolgsabhängige oder eine davon nicht abhängige Zahlung erfolgt, keine Unternehmereigenschaft bei einer einem (zwingenden) gesetzlichen Organ einer Gesellschaft zugehörigen Person ergeben.
  • Zur Frage der Behandlung von Mitgliedsbeiträgen, die an Fitnessstudios während coronabedingter Schließungszeiten weiter gezahlt worden waren, sind beim BFH 2 Revisionsverfahren[13] anhängig. Es geht dabei um die Frage, ob es sich bei diesen Zahlungen um nicht steuerbare Einnahmen der Fitnessstudios oder um der Besteuerung unterliegende (Voraus-)Zahlungen handelt. Finanzgerichte hatten hier teilweise unterschiedlich entschieden.

     
    Praxis-Tipp

    Sachverhalte sollten offen gehalten werden

    Sachverhalte, bei denen es um die Besteuerung während pandemiebedingter (Zwangs-)Schließungszeiten weiter gezahlter Mitgliedsbeiträge bei Fitnessstudios oder vergleichbarer Einrichtungen geht, sollte...

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