Leitsatz

Der für die Berechnung des Ertragsanteils maßgebende Beginn einer am 31.12.1991 bestehenden, nach den Vorschriften des Beitrittsgebiets berechneten Invalidenrente, die gem. § 302a SGB VI vom 1.1.1992 an als Erwerbs- oder Berufsunfähigkeitsrente geleistet wird, ist der Eintritt des diese Invalidenrente auslösenden Versicherungsfalls.

 

Normenkette

§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG , § 55 Abs. 2 EStDV , § 302a SGB VI

 

Sachverhalt

Die am 30.3.1951 geborene Klägerin bezog seit dem 18.11.1974 eine Invalidenrente nach DDR-Recht. Im Streitjahr 1994 erhielt sie eine Erwerbsunfähigkeitsrente gem. Bescheid der BfA vom 2.12.1991. Mit Bescheid vom 25.10.1995 stellte die BfA die Rente wegen Berufsunfähigkeit auf Antrag der Klägerin zum 1.1.1993 neu fest. Im Veranlagungszeitraum 1992 wurde die Rente an die Klägerin mangels Erreichens der Hinzuverdienstgrenze als Erwerbsunfähigkeitsrente gezahlt. Im Jahr 1993 war diese Grenze überschritten worden.

Nach Auffassung von FA und FG beträgt der Ertragsanteil der Erwerbsunfähigkeitsrente für das Streitjahr 52 %, während die Klägerin den maßgeblichen Ertragsanteil mit 36 % bzw. 35 % beziffert, weil Invalidenrente und Erwerbsunfähigkeitsrente jeweils verschiedene Renten seien.

 

Entscheidung

Auch nach Auffassung des BFH war die abgekürzte Leibrente auf den 18.11.1974 zu datieren und die Bezüge hieraus folglich – bei einer Laufzeit von 41 Jahren und 4 Monaten – mit einem Ertragsanteil von 52 % zu besteuern.

Denn nach dem RÜG vom 25.7.1991 (BGBl I 1991, 1606) wird die übergeleitete Invalidenrente der Klägerin aufgrund der Überleitung in das Sozialversicherungsrecht der Bundesrepublik "grundsätzlich wie eine Erwerbsunfähigkeitsrente behandelt" (vgl. BRDrucks 197/91, S. 134 f.). Diese Überleitung hat folglich die steuerrechtliche Maßgeblichkeit des nach DDR-Recht zu beurteilenden Versicherungsfalls – hier: Eintritt der Invalidität der Klägerin im Jahr 1974 – nicht berührt.

Die durch die Überleitung bewirkte Erhöhung der Rente soll lediglich das ostdeutsche Versorgungsniveau an das westdeutsche angleichen. Sie erhöht nicht den "Wert des Stammrechts", sondern passt nur den "inneren Wert" an, so dass der Ertragsanteil der Erhöhungsbeträge gleichbleibend mit dem vom Hundertsatz vom Beginn des Versicherungsfalls zu ermitteln ist.

 

Hinweis

1. Der Ertragsanteil abgekürzter Leibrenten ist nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Satz 4 EStG i.V.m. § 55 Abs. 2 EStDV zu ermitteln. Danach sind die "Einkünfte aus den Erträgen des Rentenrechts"abhängig von der "gesamten Dauer des Rentenbezugs", die sich darstellt als die vom "Beginn der Rente" an bemessene "voraussichtliche Laufzeit".

2. Der "Beginn der Rente" (Kopfleiste der Ertragswerttabelle § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG) bzw. der "Beginn des Rentenbezugs" (Kopfleiste der Ertragswerttabelle des § 55 Abs. 2 EStDV) ist der Zeitpunkt der Entstehung des Rentenanspruchs. Er ist grundsätzlich auf den Eintritt des sozialrechtlich maßgebenden Versicherungsfalls zu datieren.

Sozialversicherungsrechtlich ist der "Versicherungsfall" nicht der "Leistungsfall" als Inbegriff der Voraussetzungen, an die das Gesetz die Entstehung eines Leistungsanspruchs knüpft, sondern – im Regelfall – der Eintritt des versicherten Risikos, der die Leistungspflicht des Versicherungsträgers begründet, mithin der versicherte Bedarfsfall (BFH, Urteil vom 22.1.1991, X R 56/90, BStBl II 1991, 688). Die Ansprüche auf Versicherungsleistungen sind ihrem Rechtsgrund nach auf das bei Eintritt des jeweiligen Versicherungsfalls bestehende Versicherungsverhältnis bezogen (BSG, Urteil vom 2.8.2000, B 4 RA 40/99 R, SozR 3?2600 § 100 Nr. 1), unabhängig davon, dass die auch nach dem Prinzip der Fürsorge ausgestaltete Versicherungsleistung hinsichtlich ihrer Höhe von bedarfsorientierten Tatbestandsmerkmalen abhängig ist. Danach wird die "voraussichtliche Dauer des Rentenbezugs" im Rechtssinn nicht allein dadurch abgekürzt, dass

  • das vorzeitige oder flexible Altersruhegeld bei Aufnahme einer den zulässigen Rahmen übersteigenden Beschäftigung wegfallen kann,
  • der Rentenbezieher erklärt, ein Fortfall der Rente erscheine möglich,
  • der Gesetzgeber wie im Streitfall den Inhalt des an einen bestimmten Versicherungsfall anknüpfenden Rentenanspruchs inhaltlich modifiziert.
 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 5.9.2001, X R 40/98

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