Leitsatz

1. Bei Fremdwährungsverbindlichkeiten mit einer Restlaufzeit von zumindest zehn Jahren berechtigt nicht jeder Kursverlust zur Annahme einer voraussichtlich dauernden Werterhöhung.

2. Eine voraussichtlich dauernde Werterhöhung liegt jedoch jedenfalls dann vor, wenn fundamentale Veränderungen der wirtschaftlichen und/oder finanzpolitischen Daten eine dauerhafte Veränderung der Wechselkurse vermuten lassen. Dies ist z.B. der Fall, wenn die Notenbank eines Fremdwährungsstaats die Absicht äußert, Stützungskäufe zu tätigen, um einen bestimmten Wechselkurs der Fremdwährung zu verteidigen.

 

Normenkette

§ 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Satz 1, Abs. 6, § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1, Nr. 2 Sätze 2 und 3, Nr. 4 EStG, § 244, § 256a Satz 1 HGB

 

Sachverhalt

Die Klägerin, eine GmbH, nahm im Oktober 2008 bei einer Bank ein (zunächst tilgungsfreies) Darlehen über 3.480.000 CHF mit Rückzahlungszeitpunkt 30.9.2023 auf. Sie passivierte das Darlehen in ihrer Bilanz zum 31.12.2008 mit 2.237.942,12 EUR (Wechselkurs bei Darlehensaufnahme rechnerisch ca. 1,555 CHF pro EUR).

In der Folgezeit stieg der Wechselkurs des CHF zum EUR stark an. Aufgrund der Kursentwicklung bewertete die Klägerin in ihrer Bilanz zum 31.12.2010 die Verbindlichkeit mit 2.779.893,60 EUR. Die Differenz zum Vorjahresbetrag (541.951 EUR) erfasste sie gewinnmindernd als Aufwand.

In einem Communiqué vom 6.9.2011 teilte die Schweizerische Nationalbank (SNB) mit, die gegenwärtig massive Überbewertung des CHF stelle eine akute Bedrohung für die Schweizer Wirtschaft dar und berge das Risiko einer deflationären Entwicklung. Die SNB strebe daher eine deutliche und dauerhafte Abschwächung des CHF an. Sie toleriere am Devisenmarkt ab sofort keinen EUR-CHF-Wechselkurs unter dem Mindestkurs von 1,20 CHF pro EUR. Die SNB werde den Mindestkurs mit aller Konsequenz durchsetzen und sei bereit, unbeschränkt Devisen zu kaufen.

In der Bilanz zum 31.12.2011 setzte die Klägerin die Verbindlichkeit mit 2.859.255,60 EUR an (gerundeter Wechselkurs rechnerisch: 1,2171 CHF pro EUR). Die Differenz zum Vorjahr (79.412 EUR) berücksichtigte sie erneut gewinnmindernd als Aufwand.

Nach einer Außenprüfung vertrat das FA die Auffassung, dass das Darlehen weiterhin mit den ursprünglich angesetzten Anschaffungskosten in der Bilanz zu erfassen sei. Es liege keine voraussichtlich dauernde Werterhöhung vor. Der Gewinn des Jahres 2010 sei um 541.951 EUR und der Gewinn des Jahres 2011 um 79.412 EUR zu erhöhen. Die Einsprüche blieben erfolglos.

Das FG (FG Düsseldorf, Urteil vom 23.7.2018, 6 K 884/15 K,G,F, HI12288847, EFG 2018, 1531) wies die Klage in dem streitigen Punkt ab. Es nahm an, der Teilwert dürfe nicht angesetzt werden, da bei Fremdwährungsverbindlichkeiten mit einer Restlaufzeit von mehr als zehn Jahren davon auszugehen sei, dass sich Währungsschwankungen grundsätzlich ausgleichen. Die am 6.9.2011 veröffentlichte Festlegung eines Mindestkurses von 1,20 CHF pro EUR durch die SNB sei keine fundamentale Veränderung der wirtschaftlichen und finanzpolitischen Daten, aufgrund derer eine Teilwerterhöhung zum Bilanzstichtag 31.12.2011 als voraussichtlich dauernd anzusehen sei. Die Stützung des Kurses stelle kein objektives Anzeichen für ein langfristiges Anhalten dieses Kursniveaus dar.

 

Entscheidung

Der BFH bestätigte das Urteil der Vorinstanz zum Jahr 2010, verwies aber den Rechtsstreit betreffend 2011 an das FG zurück. Er bejahte eine fundamentale Veränderung der wirtschaftlichen und finanzpolitischen Daten spätestens seit 6.9.2011.

 

Hinweis

Mit drei am 28.10.2021 veröffentlichten Urteilen haben der IV. und XI. Senat des BFH zur Zulässigkeit von Teilwertzuschreibungen auf Fremdwährungsdarlehen entschieden. Konkret ging es um die möglichen bilanziellen Folgen des in den Jahren 2010 und 2011 eingetretenen Kursverfalls des EUR gegenüber dem Schweizer Franken.

1. Dabei hat der IV. Senat des BFH es im Urteil vom 10.6.2021 (BFH, Urteil vom 10.6.2021, IV R 18/18, Haufe-Index 14833507) revisionsrechtlich nicht beanstandet, dass das FG Baden-Württemberg eine Teilwertzuschreibung bereits zum 31.12.2010 vorgenommen hat. Im Urteil vom 10.6.2021 (BFH, Urteil vom 10.6.2021, IV R 2/19, Haufe-Index 14833506) hat er den Rechtsstreit zum selben Bilanzstichtag an das FG München zur Nachholung weiterer Feststellungen zurückverwiesen. Mit dem Besprechungsurteil hat der XI. Senat des BFH es revisionsrechtlich nicht beanstandet, dass am 31.12.2010 noch keine Teilwertzuschreibung, aber spätestens am 31.12.2011 eine Teilwertzuschreibung vorzunehmen ist. Wie kommt es zu diesem Strauß von unterschiedlichen Rechtsfolgen?

2. Beide BFH-Senate gehen davon aus, dass eine Teilwertzuschreibung bei einer Verbindlichkeit (abweichend von § 256a HGB) steuerrechtlich nur zulässig ist, wenn eine "voraussichtlich dauernde"Werterhöhung der Verbindlichkeit vorliegt. Allein eine bestimmte prozentuale Wertveränderung der Fremdwährung, auf die das Darlehen lautet, genügt hierfür nicht, weil sich nach Auffassung des BFH Wertveränderungen über die Darlehenslaufzeit grun...

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