Ja. Das Kapitel 1 der OECD-VP-Richtlinien wurde erheblich durch die BEPS Aktionspunkte 8 bis 10 geändert. Die OECD hat den vor Beginn der Initiative angegriffenen Fremdvergleichsgrundsatz (mit Ausnahme der kommenden Regelungen zu "Pillar 1" und "Pillar 2" in Teil B, Kapitel 5.1.8) sowie in der Zusammenfassung am Ende des Kapitels 6 bestätigt und damit alternativen Ansätzen wie der globalen Gewinnaufteilung vorerst einen Riegel vorgeschoben. Damit scheint eine Aufteilung von steuerlichem Einkommen zwischen Staaten unter Anwendung von Allokationsschlüsseln wie z. B. Umsatz oder Mitarbeiterzahl zumindest bei den OECD-Mitgliedstaaten zum jetzigen Zeitpunkt weiterhin keinen Anklang zu finden. Der Fremdvergleichstest soll nun zweistufig erfolgen. In einem ersten Schritt ist die konzerninterne Geschäftsbeziehung samt den wirtschaftlich erheblichen Charakteristika ("economically relevant characteristics"[226]) bzw. Fremdvergleichsfaktoren zu identifizieren. In einem zweiten Schritt werden diese Charakteristika der konzerninternen Transaktion mit denen verglichen, wie sie fremde Dritte vereinbaren würden. Es geht der OECD darum, dass die tatsächlich durchgeführte konzerninterne Transaktion möglichst gut beschrieben wird, um sie auf Fremdüblichkeit testen zu können. D. h., fremdvergleichswidrige Vertragsgestaltungen, ein Auseinanderfallen von Risikoallokation und tatsächlicher Entscheidung über Risiken, ein Auseinanderfallen von Ergebnisallokation und tatsächlicher Wertschöpfungsallokation soll laut OECD von den Finanzverwaltungen aufgegriffen und recharakterisiert werden.

Für den Fremdvergleichstest will die OECD die wirtschaftlich erheblichen Charakteristika bzw. die Fremdvergleichsfaktoren in folgende fünf Kategorien unterteilen und analysieren:

  • "The contractual terms of the transaction (D.1.1).
  • The functions performed by each of the parties to the transaction, taking into account assets used and risks assumed, including how those functions relate to the wider generation of value by the MNE group to which the parties belong, the circumstances surrounding the transaction, and industry practices (D.1.2).
  • The characteristics of property transferred or services provided (D.1.3).
  • The economic circumstances of the parties and of the market in which the parties operate (D.1.4).
  • The business strategies pursued by the parties (D.1.5)."[227]

Nachfolgend werden die wesentlichen praxisrelevanten Besonderheiten der o. g. fünf Kategorien beschrieben.

D.1.1: Vertragsbeziehungen

Falls schriftliche Verträge abgeschlossen worden sind, sind diese als "starting point"[228] heranzuziehen, um die Transaktion hinsichtlich der zwischen den verbundenen Unternehmen vereinbarten Pflichten, Rechte und Konditionen zu beschreiben. Auch anderweitige Kommunikationen zwischen den Parteien können herangezogen werden. Falls kein Vertrag vorliegt, ist die tatsächliche Durchführung, d. h. der tatsächlich umgesetzte Wille der Parteien zugrunde zu legen. In folgenden Fällen soll die Transaktion auf Basis der tatsächlichen Durchführung anstatt nach dem Vertragswortlaut beschrieben und auf Fremdüblichkeit analysiert werden (substance over form):

  • "… whether the associated enterprises' actual conduct indicates that the contractual terms have not been followed,
  • do not reflect a complete picture of the transactions,
  • have been incorrectly characterised or labelled by the enterprises,
  • or are a sham.

Where conduct is not fully consistent with economically significant contractual terms, further analysis is required to identify the actual transaction. Where there are material differences between contractual terms and the conduct of the associated enterprises in their relations with one another, the functions they actually perform, the assets they actually use, and the risks they actually assume, considered in the context of the contractual terms, should ultimately determine the factual substance and accurately delineate the actual transaction."[229]

Da der Vertrag alleine nicht ausreichen soll, um die tatsächliche Transaktion möglichst gut zu beschreiben, sind die weiteren vier Kategorien ergänzend zu prüfen.

D.1.2: Funktions-/Risiko-/Wertschöpfungsanalyse

Die OECD fokussiert nunmehr deutlich stärker als bisher auf eine umfassende Risikoanalyse, um die tatsächliche Transaktion möglichst gut beschrieben zu können. Hierfür hat sie folgenden sechs-stufigen Prüfungsansatz entwickelt[230]:

  • Step 1: Identify economically significant risks with specificity (see Section D.1.2.1.1).
  • Step 2: Determine how specific, economically significant risks are contractually assumed by the associated enterprises under the terms of the transaction (see Section D.1.2.1.2).
  • Step 3: Determine through a functional analysis how the associated enterprises that are parties to the transaction operate in relation to assumption and management of the specific, economically significant risks, and in particular which enterprise or enterprises perform control functions and risk mitigation functions, which enter...

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