Leitsatz

1. Die tatsächliche Durchführung des Gewinnabführungsvertrags (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 KStG) bezieht sich nicht nur auf den Schlusspunkt des Ausgleichs aller aus dem Gewinnabführungsvertrag resultierenden Forderungen und Verbindlichkeiten. Die entsprechenden Forderungen und Verbindlichkeiten müssen auch in den Jahresabschlüssen gebucht werden.

2. Kommt es während der Mindestvertragslaufzeit von fünf Jahren zur Nichtdurchführung des Gewinnabführungsvertrags, führt dies nicht nur zu einer Unterbrechung der körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft für einzelne Veranlagungszeiträume, sondern insgesamt zu einer (rückwirkenden) Nichtanerkennung der körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft.

 

Normenkette

§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 KStG

 

Sachverhalt

Die B‐GmbH erwarb am ….2008 mit Wirkung zum ….2008 sämtliche Geschäftsanteile an der Klägerin, einer GmbH. Zugleich schloss die B‐GmbH mit der Klägerin einen Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag (EAV) ab. Darin verpflichtete sich die Klägerin, ihren gesamten Jahresüberschuss an die B‐GmbH abzuführen. Im Gegenzug verpflichtete sich die B‐GmbH, jeden während der Vertragsdauer entstehenden Jahresfehlbetrag der Klägerin entsprechend § 302 AktG auszugleichen. Nach Aktenlage und übereinstimmender Auffassung der Beteiligten galt der EAV für die Zeit ab 1.1.2009; er war nicht vor Ablauf von fünf Jahren seit seinem Wirksamwerden kündbar.

Die Klägerin wies in ihrem Jahresabschluss zum 31.12.2008 einen handelsrechtlichen Verlustvortrag von … EUR aus. Für die Streitjahre erwirtschaftete sie jeweils Gewinne. Die jeweiligen KSt-Erklärungen enthielten in Zeile 2 der Anlage ORG einen Hinweis auf die B‐GmbH als Organträgerin; außerdem wurde in Zeile 28 die Zurechnung der Jahresüberschüsse zur B‐GmbH als Organträgerin erklärt.

Für das Jahr 2013 ergab sich für die Klägerin ein Verlust von … EUR. Die Angaben in der KSt-Erklärung wurden entsprechend der Vorjahre vorgenommen. In Zeile 21 der Anlage ORG ("Vom Organträger an die Organgesellschaft zum Ausgleich eines sonst entstehenden Jahresfehlbetrages zu leistender Betrag") nahm die Klägerin keine Eintragung vor.

Die Bilanz zum 31.12.2013 wurde am 10.11.2014 erstellt; eine Forderung der Klägerin gegenüber der B‐GmbH war nicht berücksichtigt. Allerdings wies der Steuerberater der Klägerin in seinem Bericht über die Erstellung des Jahresabschlusses zum 31.12.2013 unter "Rechtliche Verhältnisse" und in einem an die Klägerin gerichteten Begleitschreiben vom 20.11.2014 darauf hin, dass der Verlust nach dem EAV von der B‐GmbH zu erstatten sei. Am 11.2.2015 zahlte die B‐GmbH unter Angabe eines entsprechenden Überweisungszwecks … EUR an die Klägerin.

Das FA veranlagte die Klägerin für die Streitjahre zunächst erklärungsgemäß. Die Bescheide ergingen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

Im Anschluss an eine im Jahr 2016 durchgeführte Außenprüfung erließ das FA für die Streitjahre die Änderungsbescheide. Die körperschaftsteuerrechtliche Organschaft sei mangels tatsächlicher Durchführung nicht anzuerkennen, da der Anspruch der Klägerin auf Ausgleich des im Jahr 2013 erwirtschafteten Verlusts weder bei der Klägerin noch bei der B‐GmbH bilanziell berücksichtigt worden sei.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg (Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 6.6.2019, 1 K 113/17, Haufe-Index 13391952, EFG 2019, 1714).

 

Entscheidung

Der BFH bestätigte das FG-Urteil als rechtsfehlerfrei und wies die Revision der Klägerin zurück. Hinsichtlich der Begründung wird auf die Praxis-Hinweise verwiesen.

 

Hinweis

1. Wie im zuvor abgedruckten Beitrag zum Revisionsverfahren I R 29/19 (BFH, Urteil vom 2.11.2022, I R 29/19, BFH/PR 2023, 148) ging es auch im Besprechungsurteil um die tatsächliche Durchführung eines Gewinnabführungsvertrags (GAV) und die damit zusammenhängende Frage der Anerkennung einer körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft. Es wird daher zunächst auf die Praxis-Hinweise zum BFH-Urteil I R 29/19 verwiesen.

2. Im Streitfall kam zunächst eine ertragsteuerrechtliche Organschaft mit Wirkung ab dem 1.1.2009 zustande. In den Folgejahren erzielte die Organgesellschaft jeweils einen Gewinn, den sie aufgrund des GAV an den Organträger ordnungsgemäß abführte. Im Jahr 2013, also noch während der fünfjährigen Mindestvertragslaufzeit des GAV, kam es allerdings zu einem Verlust: "Erstaunlicherweise" wurde in der Bilanz der Organgesellschaft keine (Zahlungs-)Forderung der Organgesellschaft gegen den Organträger auf Verlustausgleich erfasst. Erst im Jahr 2015 zahlte der Organträger den Verlustausgleichsbetrag an die Organgesellschaft.

3. Der BFH legte dieselben Rechtsgrundsätze wie im Fall I R 29/19 zugrunde, der in diesem Heft im vorherigen Beitrag erläutert wird: Während der gesamten fünfjährigen Mindestvertragslaufzeit muss der GAV auch tatsächlich durchgeführt werden. Wird der GAV auch nur in einem Jahr nicht tatsächlich durchgeführt, dann ist die Organschaft für alle fünf Jahre der Mindestvertragslaufzeit nicht anzuerkennen. Im Einzelnen:

a) Die Nichtverbu...

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