Leitsatz

1. Sind Einkünfte eines unbeschränkt Steuerpflichtigen aus nicht selbstständiger Arbeit (hier: des Flugzeugführers einer irischen Fluggesellschaft) nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (hier: DBA-Irland 1962) von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmen, wird nach § 50d Abs. 8 Satz 1 1. Alternative EStG (i.d.F. des StÄndG 2003) die Freistellung bei der Veranlagung ungeachtet des Abkommens nur gewährt, soweit der Steuerpflichtige nachweist, dass der Staat, dem nach dem Abkommen das Besteuerungsrecht zusteht, auf dieses Besteuerungsrecht verzichtet hat. Ist der geforderte Nachweis erbracht, ist die Freistellung zu gewähren. Für ihre Versagung nach § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG (i.d.F. des JStG 2007) bestand dann regelmäßig kein Raum; § 50d Abs. 8 EStG (i.d.F. des StÄndG 2003) stand zu § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG (i.d.F. des JStG 2007) vielmehr unbeschadet der Regelung des § 50d Abs. 9 Satz 3 EStG (i.d.F. des JStG 2007) im Verhältnis der Spezialität (Bestätigung des Senatsurteils vom 11.1.2012, I R 27/11 (BFH/NV 2012, 862, BFH/PR 2012, 191). Infolge der Regelungsänderung des § 50d Abs. 9 Satz 3 EStG durch das AmtshilfeRLUmsG vom 26.6.2013 sind § 50d Abs. 8 EStG (i.d.F. des StÄndG 2003) und § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG (i.d.F. des JStG 2007) – nach § 52 Abs. 59a Satz 9 EStG i.d.F. des AmtshilfeRLUmsG vom 26.6.2013 rückwirkend auf alle Fälle, in denen die ESt und KSt noch nicht bestandskräftig festgesetzt worden ist – allerdings prinzipiell nebeneinander anwendbar.

2. Es wird eine Entscheidung des BVerfG darüber eingeholt,

a) ob § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG i.d.F. des JStG 2007 gegen Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 und Art. 25 GG verstößt, weil hierdurch die abkommensrechtliche Freistellung von Einkünften (hier: aus nicht selbstständiger Arbeit für Dienstleistungen eines unbeschränkt steuerpflichtigen Flugzeugführers einer in Irland ansässigen Fluggesellschaft) ungeachtet eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (hier: des DBA-Irland 1962) nicht gewährt wird, wenn die Einkünfte in dem anderen Staat nur deshalb nicht steuerpflichtig sind, weil sie von einer Person bezogen werden, die in diesem Staat nicht unbeschränkt steuerpflichtig ist;

b) ob § 52 Abs. 59a Satz 9 i.V.m. § 50d Abs. 9 Satz 3 EStG i.d.F. des AmtshilfeRLUmsG vom 26.6.2013 wegen Verstoßes gegen das Rückwirkungsverbot (Art. 20 Abs. 3 GG) verfassungswidrig ist.

 

Normenkette

§ 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 und Satz 3 EStG 2002 i.d.F. des JStG 2007, § 50d Abs. 8 EStG 2002 i.d.F. des StÄndG 2003, § 50d Abs. 9 Satz 3, § 52 Abs. 59a Satz 9 EStG 2009 i.d.F. des AmtshilfeRLUmsG; Art. XII Abs. 3 Art. XXII, Abs. 2 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 1 Art. XXVIII, Sätze 1 und 2, DBA-Irland 1962; Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3, Art. 25, Art. 59 Abs. 2 GG

 

Sachverhalt

Der in den Streitjahren 2007 bis 2010 im Inland wohnende Kläger erzielte in jenen Jahren als Flugzeugführer einer irischen Fluggesellschaft Einkünfte aus nicht selbstständiger Arbeit. Die von seinem Arbeitgeber auf diese Beträge zunächst einbehaltenen und an die irischen Finanzbehörden abgeführten Steuern wurden auf Antrag des Klägers in voller Höhe an ihn erstattet.

Das FA unterwarf den Bruttoarbeitslohn der deutschen Besteuerung. Die Einkünfte seien wegen § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG 2002 i.d.F. des JStG 2007/EStG 2009 nicht gemäß Art. XII Abs. 3 i.V.m. Art. XXII Abs. 2 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 1 DBA-Irland 1962 von der Bemessungsgrundlage für die Steuer in Deutschland auszunehmen.

Die dagegen erhobene Klage hatte unter Hinweis auf das BFH-Urteil vom 11.1.2012, I R 27/11 (BFH/NV 2012, 862, BFH/PR 2012, 191) Erfolg (Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 1.7.2013, 3 K 18/13, Haufe-Index 6474364).

 

Entscheidung

Der BFH hatte die Revision auf Beschwerde des FA in Anbetracht der zwischenzeitlich rückwirkend geänderten Gesetzeslage in § 50d Abs. 9 Satz 3 und § 52 Abs. 59a Satz 9 EStG 2009 i.d.F. des AmtshilfeRLUmsG zugelassen.

Er entschied in der Sache aufgrund dieser geänderten Regelungslage zulasten des Klägers; § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG sei nunmehr neben dem an sich vorrangigen § 50d Abs. 8 EStG anzuwenden. Infolgedessen komme es zum Besteuerungsrückfall an Deutschland. Doch sei genau dieser Rückfall abkommens- und damit zugleich zur Überzeugung des BFH verfassungswidrig. Deswegen wurde abermals das BVerfG zur Normenkontrolle angerufen.

 

Hinweis

1. "Treaty override zum Dritten": Nach den Normenkontrollersuchen des BFH durch Beschluss vom 9.1.2012, I R 66/09 (BFH/NV 2012, 1056, BFH/PR 2012, 235, Az. beim BVerfG 2 BvL 1/12) und durch Beschluss vom 11.12.2013, I R 4/13 (BStBl II 2014, 791, BFH/NV 2014, 614, BFH/PR 2014, 175, Az. beim BVerfG 2 BvL 15/14) handelt es sich nunmehr um die in der Tat dritte Vorlage an das BVerfG "in Sachen Treaty overriding". Jene Ersuchen betrafen das Treaty override des § 50d Abs. 8 EStG sowie des § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG, jetzt geht es um § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG. Das neuerliche Aktenzeichen bei...

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