Leitsatz

Wer bei einem Umsatz als Leistender anzusehen ist, ergibt sich regelmäßig aus den abgeschlossenen zivilrechtlichen Vereinbarungen. Die Finanzverwaltung kann den auftretenden Personen nicht ohne Weiteres auf Grund von Branchenerfahrungen, Fahndungsermittlungen etc. die Unternehmereigenschaft absprechen.

 

Sachverhalt

Die Klägerin betrieb einen Großhandel mit Altmaterial und Reststoffen ("Schrottplatz"). Sie war von der Steuerfahndung (rein vorsorglich) mehrfach mündlich darüber informiert worden, dass gegenüber Schrott- und Recyclinghöfen vielfach nur sogenannte "Schreiber" tätig werden, die tatsächlich nicht die eigentlichen Anliefernden sind, sondern für "Hintermänner" nur ihre Unterschrift zur Anlieferung und Abrechnung zur Verfügung stellten. Außerdem sei der Handel mit Schrott und Altmetallen im Ortsbereich XY im Wesentlichen auf bestimmte Familien aufgeteilt. Im Rahmen einer späteren Umsatzsteuersonderprüfung für den Zeitraum Januar 2008 bis Juni 2009 versagte das Finanzamt den Vorsteuerabzug der Klägerin aus diversen Gutschriften, die diese gegenüber 2 anliefernden Personen erteilt hatte. Begründet wurde dies mit der fehlenden Unternehmereigenschaft der Anlieferer, die lediglich als sogenannte "Schreiber" tätig gewesen seien.

 

Entscheidung

Die Klage beim Finanzgericht hatte Erfolg. Die umstrittenen "Anlieferer" wurden vor Gericht eingehend als Zeugen verhört. Danach stand für die Finanzrichter fest, dass die Personen eine für die Unternehmereigenschaft erforderliche nachhaltige Tätigkeit bereits aufgrund der Vielzahl der Lieferungen über einen längeren Zeitraum am Markt gegenüber der Klägerin und anderen Recyclinghöfen ausgeübt haben. Bei diesen Lieferungen seien sie auch Leistende gewesen. Leistender ist in der Regel derjenige, der die Lieferungen oder sonstigen Leistungen im eigenen Namen gegenüber einem anderen selbst ausführt oder durch einen Beauftragten ausführen lässt. Nach eigenem Bekunden der Zeugen sind sie gegenüber der Klägerin als Leistungserbringer aufgetreten, in dem sie Schrott und Altmetalle unter ihrem Namen lieferten und abrechneten. Unabhängig davon kann auch ein Strohmann Leistender sein. Ein "vorgeschobenes" Strohmanngeschäft ist nur dann umsatzsteuerrechtlich unbeachtlich, wenn es nur zum Schein abgeschlossen wird, das heißt, wenn die Vertragsparteien einverständlich oder stillschweigend davon ausgehen, dass die Rechtswirkungen des Geschäfts gerade nicht zwischen ihnen, sondern zwischen dem Leistungsempfänger und dem "Hintermann" eintreten sollen (vgl. BFH, Urteil v. 12.8.2009, XI R 48/07 sowie Beschluss v. 31.1.2002, V B 108/01). Insoweit ist aber das Finanzamt darlegungs- und beweispflichtig.

 

Hinweis

Dem geschilderten Sachverhalt sind zahlreiche Hinweise zu entnehmen, dass die Klägerin im Streitfall ihren Sorgfaltspflichten als Leistungsempfänger ausreichend nachgekommen ist. Insbesondere hat sie nach entsprechenden Hinweisen seitens der Steuerfahndung im Vorfeld folgende Maßnahmen ergriffen:

Identitätsprüfung der Person des Liefernden durch Vorlage eines Personalausweises und Vergleich der Unterschriften;

Angabe der Steuernummer des Liefernden und entsprechende Nachfrage bei den dafür zuständigen Finanzämtern, die wegen des Steuergeheimnisses allerdings zumindest teilweise nicht beantwortet wurden;

Telefonische Rückfrage bei anderen Recyclinghöfen über Ablieferungen dieser Lieferanten;

Vorlage der Reisegewerbekarten der Lieferanten (Gutschriften wurden verweigert, sofern diese nicht mehr gültig waren);

Aufzeichnen der Kennzeichen der anliefernden Lkws.

Mehr dürfte man in der Praxis hier nicht erwarten können. Offenbar hat die Finanzverwaltung vor Gericht noch argumentiert, dass sich die Klägerin hätte auf ihr "Bauchgefühl" verlassen müssen und auf die allgemeine Kenntnis, dass in dieser Branche ortsbezogen bestimmte Familien tätig sind und häufig Anlieferer nur als sogenannte Schreiber auftreten. Entsprechend handfeste Nachweise blieb die Finanzverwaltung allerdings schuldig.

Unabhängig davon ist für die Praxis von besonderer Bedeutung, dass der Vorsteuerabzug vom Finanzgericht offenbar auch dann gewährt worden wäre, wenn die Zeugen die Lieferungen gegenüber der Klägerin tatsächlich nicht als eigene Lieferungen, sondern für nicht näher genannte Hintermänner erbracht hätten. Schließlich haben sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Klägerin wusste oder davon ausgehen musste, dass die ihr gegenüber auftretenden Anlieferer ihre Leistungen nicht als eigene im eigenen Namen erbrachten.

 

Link zur Entscheidung

Niedersächsisches FG, Urteil vom 23.09.2011, 16 K 41/11

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge