Wenn die Zahlungsmittel der GmbH nicht mehr genügen, um sämtliche Verpflichtungen der GmbH zu erfüllen, muss der Geschäftsführer alle Gläubiger der GmbH im gleichen Umfang befriedigen (Grundsatz der anteiligen Tilgung). Sollte der Geschäftsführer andere Gläubiger gegenüber dem Finanzamt bevorzugen, geht er ein Haftungsrisiko ein: Er haftet für die sich daraus ergebende Benachteiligung des Finanzamts. Ggf. droht ihm auch der Vorwurf einer strafbaren Gläubigerbegünstigung.

 
Praxis-Beispiel

Rückständige Umsatzsteuer

Der Geschäftsführer muss rückständige Umsatzsteuer in dem gleichen Verhältnis tilgen wie die GmbH-Verbindlichkeiten gegenüber sonstigen Gläubigern. Wenn keine hinreichenden Mittel zur Verfügung stehen, haftet er für den pflichtwidrig verursachten Steuerschaden nur in dem Umfang, in dem er das Finanzamt gegenüber anderen Gläubigern benachteiligt hat.

Dieser Grundsatz der anteiligen Tilgung gilt für ihn nicht, wenn er die Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung oder Steueranmeldung verletzt hat und Vollstreckungsmöglichkeiten bei der GmbH bestanden. Z. B. erklärt der Geschäftsführer im Eröffnungsbogen gegenüber dem Finanzamt bewusst zu niedrig prognostizierte Umsätze. Hierdurch setzt das Finanzamt zu niedrige Vorauszahlungen fest, obwohl sie höher hätten ausfallen müssen und die GmbH sie im damaligen Zeitpunkt hätte bezahlen können. Wenn der Geschäftsführer die zu niedrige Prognose in der Folgezeit nicht richtigstellt, haftet er für den daraus entstandenen Steuerschaden.

Bei der Lohnsteuer als Abzugsteuer handelt es sich um fremde Gelder, sodass der Geschäftsführer diese Beträge in voller Höhe abführen und sonst ggf. dafür haften muss. Wenn die Liquidität der GmbH hierzu nicht genügen würde, verlangt die Rechtsprechung, dass der Geschäftsführer die Lohnansprüche soweit kürzen muss, wie eine Abführung der Lohnsteuer gesichert ist.

Bei wirtschaftlicher Betätigung der GmbH nach Insolvenzreife – zumindest nach Ablauf der Antragsfrist von 3 Wochen – darf sich der Geschäftsführer ebenfalls nicht auf die anteilige Tilgung berufen. Er haftet dann i. d. R. für die gesamten Steuerbeträge.[1]

Weiterhin kann er sich nicht auf den Grundsatz berufen, wenn er für die GmbH zu Unrecht Steuervergütungen auszahlen ließ, z. B. bei einem Antrag auf überhöhte Vorsteuererstattung. Prinzipiell gilt dies bei jeglicher Steuerhinterziehung, die der Geschäftsführer zugunsten der GmbH beging.

Zur Prüfung der anteiligen Tilgung übersendet das Finanzamt dem Geschäftsführer mit der Haftungsankündigung einen Vordruck zur Mittelverwendung. Dieser soll eine grobe Feststellung der Haftungsquote ermöglichen, d. h. der Quote, mit welcher das Finanzamt als Gläubiger (unter mehreren) befriedigt werden muss bzw. musste.

Es besteht nach einer Literaturansicht keine persönliche Rechtspflicht für den Geschäftsführer, diesen Vordruck auszufüllen.[2] Der Geschäftsführer sollte daher sorgfältig abwägen, ob das Ausfüllen sinnvoll ist. Durch das Ausfüllen verschafft der Geschäftsführer dem Finanzamt die Sachverhaltsangaben und nimmt sich im Ergebnis die Verteidigungsmöglichkeiten.

Wenn der Geschäftsführer diesen Vordruck zur Mittelverwendung allerdings nicht ausfüllt, kann das Finanzamt die Tilgungsquote schätzen. Das Finanzamt trägt die Feststellungslast für eine Benachteiligung des Fiskus. Das FG München geht von einer Obliegenheit des Geschäftsführers zur Mitwirkung aus, deren Verletzung im Rahmen der Schätzung zu berücksichtigen sei.[3] Eine Obliegenheit ist von einer durchsetzbaren Rechtspflicht zu unterscheiden. Eine Schätzung von 100 % zugunsten des Finanzamts ist jedoch oftmals zu hoch, weil das Finanzamt nicht berücksichtigt, dass im Haftungszeitraum Steuern gezahlt wurden.

 
Praxis-Tipp

Im Zweifel Rechtsbehelf

Bei Zweifeln über die Höhe der zu entrichtenden Steuern sollten Geschäftsführer den gegen die GmbH gerichteten Steuerbescheid anfechten. Ansonsten werden sie gem. § 166 AO mit solchen Einwendungen in einem späteren gegen sie gerichteten Haftungsverfahren nicht mehr gehört. Bei Insolvenzverfahren sollte auch ein insolvenzrechtlicher Widerspruch gem. § 176 InsO geprüft werden. Der in Haftung genommene alleinige (ehemalige) Geschäftsführer einer GmbH ist nach Ansicht des FG Mecklenburg-Vorpommern im Haftungsverfahren mit Einwendungen gegen die formell bestandskräftig festgesetzten Lohnsteuern ausgeschlossen, wenn er nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens den im Prüfungstermin angemeldeten (Lohnsteuer-)Forderungen des Finanzamtes nicht widersprochen hat. Aktuell ist beim BFH ein Revisionsverfahren zu der Frage anhängig, ob im Insolvenzverfahren über das Vermögen einer GmbH Einwendungen des Geschäftsführers ausgeschlossen sind gem. § 166 AO.[4]

Wenn der Geschäftsführer keine nachvollziehbaren Angaben über die Gesamtsumme aller bezahlten Schulden vorlegt, kann das Finanzamt nach Ansicht des FG München im Schätzwege von einer anteiligen Gläubigerbefriedigung im Haftungszeitraum von 80 % ausgehen.[5]

Der Grundsatz der anteiligen Tilgung gilt jedoch nicht ...

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