Der BGH hat entschieden, dass zumindest eine Offenbarungspflicht für diejenigen Sachverhaltselemente besteht, deren rechtliche Relevanz objektiv zweifelhaft sei. Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn die von dem Steuerpflichtigen vertretene Auffassung über die Auslegung von Rechtsbegriffen oder die Subsumtion bestimmter Tatsachen von der Rechtsprechung, den Richtlinien der Finanzverwaltung oder der regelmäßigen Veranlagungspraxis abweiche. In einem derartigen Fall könne es ausreichend sein, die abweichende Rechtsauffassung mitzuteilen, wenn deren Schilderung die erforderliche Tatsachenmitteilung enthalte. Den Steuerpflichtigen treffe eine Offenbarungspflicht auch dann, wenn er hinsichtlich der Steuerpflicht eine andere Rechtsauffassung als die Finanzbehörde vertritt.[1]

Bereits 1990 (betreffend Steuerhinterziehung bei mittelbarer Parteienfinanzierung) forderte der BGH[2] weitreichende Offenbarungspflichten:

Es ergebe sich unmittelbar aus dem Gesetz, dass es dem Steuerpflichtigen nicht etwa freistünde, den Steuerbehörden aus einem Gesamtsachverhalt nur einen Teil der Tatsachen richtig vorzutragen und die übrigen Tatsachen unter Berufung auf eine nicht zu erkennen gegebene unzutreffende eigene rechtliche Bewertung des Vorgangs zu verschweigen, obwohl die Einzelheiten für die steuerliche Beurteilung bedeutsam sein könnten. Nach § 90 Abs. 1 Satz 2 AO haben die Beteiligten im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht im Besteuerungsverfahren "die für die Besteuerung erheblichen Tatsachen vollständig und wahrheitsgemäß offenzulegen (…)." Zu den erheblichen Tatsachen können nach Ansicht des BFH auch sog. innere Tatsachen gehören, bei § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO also Kenntnisse und Absichten des Steuerpflichtigen bei einem steuerlichen Vorgang, soweit sie den Steueranspruch beeinflussen.

In einem weiteren Urteil hielt der BGH es der Angeklagten vor, dass sie zwar Zweifel an der Rechtmäßigkeit ihrer bisherigen Abrechnungspraxis für Umsatzsteuerkürzungen hatte, sich jedoch gleichwohl entschloss, diese Kürzungen wie bisher vorzunehmen, "ohne gegenüber dem Finanzamt die Zweifel offen zu legen und sachkundigen Rat einzuholen". Der BGH nahm bedingten Vorsatz an.[3]

Die vom BGH in den Urteilen vom 23.2.2000 und 10.11.1999 vertretene weitreichende Ansicht wird im Schrifttum kritisiert.[4]

[1] § 90 Abs. 1 Satz 2 AO;

BGH, Urteil v. 23.2.2000, 5 StR 570/99, wistra 2000 S. 217;

BFH, Urteil v. 10.11.1999, 5 StR 221/99, wistra 2000 S. 137.

[2] BGH, Urteil v. 19.12.1990, 3 StR 90/90, wistra 1991 S. 138/143.
[3] BGH, Urteil v. 15.11.1994, 5 StR 237/94, wistra 1995 S. 69.
[4] Dörn, wistra 2000 S. 334; Hild, BB 2001 S. 493.

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