2.3.1 Handelsrechtliche Bilanzierungswahlrechte

 

Rz. 49

Im Handelsrecht bestehen folgende Aktivierungs- und Passivierungswahlrechte:

 
Handelsrechtliche Bilanzierungswahlrechte
Aktivierung Passivierung
(1) Damnum (§ 250 Abs. 3 HGB)
(2) Selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens (§ 248 Abs. 2 Satz 1 HGB)
(3) Passivierungswahlrecht nach Art. 28 EGHGB

2.3.2 Grundsätzliche Auswirkung von handelsrechtlichen Bilanzierungswahlrechten auf die Steuerbilanz

 

Rz. 50

In der Steuerbilanz soll nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs der volle Gewinn erfasst werden. Das entspricht dem Sinn und Zweck der steuerrechtlichen Gewinnermittlung. Es kann daher nicht im Belieben des Kaufmanns stehen, sich durch Nichtaktivierung von Wirtschaftsgütern, die handelsrechtlich aktiviert werden dürfen, oder durch Ansatz eines Passivpostens, der handelsrechtlich nicht geboten ist, ärmer zu machen, als er ist. Das stünde auch nicht im Einklang mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Gleichheit bei der Besteuerung.[1]

 

Rz. 51

Es ergeben sich daher aus handelsrechtlichen Bilanzierungswahlrechten in der Steuerbilanz:

  • Aus einem handelsrechtlichen Aktivierungswahlrecht folgt für die Steuerbilanz ein Aktivierungsgebot.
  • Aus einem handelsrechtlichen Passivierungswahlrecht ergibt sich für die Steuerbilanz ein Passivierungsverbot.

2.3.3 Damnum oder Disagio

 

Rz. 52

Der Posten (1) Damnum oder Disagio der Tabelle in Rz. 49 ist eine Besonderheit im Handelsrecht, dem ein Äquivalent im Steuerrecht fehlt. Das Damnum oder Disagio ist zwar in § 250 HGB und damit in der handelsrechtlichen Vorschrift enthalten, in der die Rechnungsabgrenzungsposten geregelt sind. Im Unterschied zu den "klassischen" Rechnungsabgrenzungsposten von § 250 Abs. 1 Satz 1 HGB besteht aber für das Damnum kein Bilanzierungsgebot. Es heißt in § 250 Abs. 3 HGB, der diesen Posten regelt, auch nicht, dass es sich hierbei um einen Rechnungsabgrenzungsposten handelt, sondern dass dieser Posten "in den Rechnungsabgrenzungsposten auf der Aktivseite aufgenommen werden darf". Er wird also im Gliederungsschema an der Stelle aufgeführt, wo die Rechnungsabgrenzungsposten ausgewiesen werden.

Dass es sich um einen gegenüber den Rechnungsabgrenzungsposten anders gearteten Posten handelt, folgt auch aus § 268 Abs. 6 HGB. Hiernach ist er entweder gesondert auszuweisen, also als besonderer Posten neben den Rechnungsabgrenzungsposten, oder im Anhang anzugeben. Zwar ist diese Vorschrift nur auf Kapitalgesellschaften und ihnen für die Rechnungslegung nach § 264a HGB gleichgestellte Personengesellschaften anzuwenden, wobei kleine Kapitalgesellschaften und kleine KapCo-Personengesellschaften hiervon befreit sind.[1] Das spricht aber nicht gegen die Besonderheit dieses Postens gegenüber den Rechnungsabgrenzungsposten.

Der Posten unterscheidet sich zudem auch seinem Gehalt nach von den Rechnungsabgrenzungsposten. Es besteht hierfür ein Aktivierungswahlrecht, wohingegen für die Rechnungsabgrenzungsposten ein Bilanzierungsgebot besteht. Der Posten muss nicht in vollem Umfang, sondern kann auch zum Teil aktiviert werden. Wenn er aber aktiviert worden ist, muss er abgeschrieben werden, und zwar planmäßig. Die Abschreibungen "können" auf die gesamte Laufzeit verteilt werden. Auch insoweit besteht also ein Wahlrecht. Es darf daher handelsrechtlich ein gegenüber der Laufzeit der Verbindlichkeit kürzerer Abschreibungszeitraum gewählt werden.

 

Rz. 53

Steuerrechtlich gibt es keine dem § 250 Abs. 3 HGB entsprechende Vorschrift. Das Damnum ist als Rechnungsabgrenzungsposten zu aktivieren.[2] Es wird steuerrechtlich also nicht an § 250 Abs. 3 HGB angeknüpft und dann aus dem hiernach bestehenden Aktivierungswahlrecht ein steuerrechtliches Aktivierungswahlrecht gefolgert. Der Ansatz in der Steuerbilanz ergibt sich vielmehr direkt aus § 5 Abs. 5 Nr. 1 EStG. Aktivierung und weitere Behandlung während der Laufzeit sind also von der Behandlung in der Handelsbilanz unabhängig.

Steuerrechtlich ist der Posten zu aktivieren, und zwar in voller Höhe. Die Verteilung hat grundsätzlich auf die volle Laufzeit der Verbindlichkeit zu erfolgen. Sind die Zinsen für einen kürzeren Zeitraum als die Laufzeit der Verbindlichkeit festgeschrieben, kann auf diesen kürzeren Zeitraum verteilt werden. Handelt es sich bei der Verbindlichkeit um ein laufend zu tilgendes Darlehen, bei dem also die Höhe der Verbindlichkeit kontinuierlich abnimmt, kann die Verteilung des aktivierten Betrags auch in entsprechenden fallenden Beträgen geschehen. Wird das Darlehen vorzeitig getilgt, verliert der Abgrenzungsposten seinen Bezug und ist daher über Aufwand aufzulösen.

Diese steuerliche Behandlung des Disagios wird auch als planmäßige Abschreibung bezeichnet, die Auflösung bei vorzeitiger Tilgung des Darlehens als außerplanmäßige Abschreibung. Streng genommen ergeben sich aber diese Erscheinungen aus der Bindung des Rechnungsabgrenzungspostens an die zugrunde liegende Verbindlichkeit.

[2] H 6.10 (Damnum) EStH; Weber-Grellet, in Schmidt, EStG, 40. Aufl. 2021, § 5 EStG Rz. 270.

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