Leitsatz

1. Eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 9 Buchst. a KraftStG kommt nur in Betracht, wenn das im Kombinierten Verkehr eingesetzte Fahrzeug ausschließlich für Fahrten zwischen den Be- und Entladestellen und dem nächstgelegenen geeigneten Bahnhof verwendet wird, der die kürzeste, verkehrsübliche Straßenverbindung zu den Be- und Entladestellen aufweist.

2. Die von der Verkehrsbehörde nach § 2 Abs. 1 der Verordnung über den grenzüberschreitenden kombinierten Verkehr ausgestellten Bescheinigungen sind keine Grundlagenbescheide i.S.v. § 171 Abs. 10 AO und entfalten daher für die Finanzbehörden keine Bindungswirkung.

3. Die Beschränkung der in § 3 Nr. 9 Buchst. a KraftStG angelegten Steuerbefreiung auf Transporte der in den Leitsätzen unter Ziffer 1 bezeichneten Art verstößt nicht gegen Gemeinschaftsrecht, insbesondere nicht gegen Art. 6 der Richtlinie 92/106/EWG.

4. In Fällen einer auf Dauer angelegten Vermengung von steuerbegünstigten und nicht begünstigten Fahrten kann eine anteilsmäßige Steuerbefreiung nur für die begünstigten Fahrten nicht gewährt werden.

5. Eine rückwirkende Erhebung des Anhängerzuschlags nach § 10 Abs. 2 KraftStG kommt nicht in Betracht.

 

Normenkette

§ 3 Nr. 9 Buchst. a KraftStG , § 10 Abs. 2 KraftStG , Art. 6 Abs. 1 und 2 Richtlinie 92/106/EWG

 

Sachverhalt

Eine Spedition nahm eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 9 Buchst. a KraftStG für den Einsatz von Sattelschleppern im Kombinierten Verkehr Schiene/Straße in Anspruch. Mit ihren Fahrzeugen führte sie aber u.a. auch Transporte von München nach Zwickau durch. Sie berief sich dafür auf eine Bescheinigung der Regierung von Oberbayern, in der gem. § 1 Abs. 4 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 der Verordnung über den grenzüberschreitenden kombinierten Verkehr (BGBl I 1988, 198) der Bahnhof München-Riem für Vor- und Nachläufe in Bayern, Berlin, Hessen und Sachsen zum nächstgelegenen geeigneten Bahnhof des Kombinierten Verkehrs bestimmt worden war. Der Kombinierte Verkehr muss nach Ansicht der Spedition aus wirtschaftlichen und transportlogistischen Gründen über Terminals in München und Nürnberg abgewickelt werden, obwohl es zu den vorgenannten Zielgebieten näher gelegene geeignete Bahnhöfe gebe.

Das FA ließ dies nicht gelten und setzte nach § 12 Abs. 2 Nr. 2 KraftStG Kraftfahrzeugsteuer fest.

 

Entscheidung

Die Steuerfestsetzung ist rechtmäßig. Die Fahrzeuge sind nicht steuerbegünstigt eingesetzt, weil Transporte von München und Nürnberg nach z.B. Sachsen und Berlin nicht vom nächsten für den Kombinierten Verkehr geeigneten Bahnhof aus erfolgen. Die verkehrsbehördliche Bescheinigung hat keine kraftfahrzeugsteuerliche Bedeutung; sie ist insbesondere nicht etwa ein Grundlagenbescheid.

 

Hinweis

1. Nach § 3 Nr. 9 Buchst. a KraftStG ist das Halten von Fahrzeugen von der Kraftfahrzeugsteuer befreit, solange sie ausschließlich für die Zustellung und Abholung von Behältern mit einem Rauminhalt von fünf Kubikmetern oder mehr, von auswechselbaren Aufbauten oder von Kraftfahrzeuganhängern verwendet werden, die im Vor- oder Nachlauf im Kombinierten Verkehr Schiene/Straße zwischen Be- oder Entladestelle und dem nächstgelegenen geeigneten Bahnhof befördert worden sind. Es muss die kürzeste Straßenverbindung zwischen dem Ort der Be- bzw. Entladung und dem Ort des Beginns der Gleisbenutzung genutzt werden. Wirtschaftliche, "transportlogistische" Überlegungen des Spediteurs bleiben außer Betracht.

2. § 2 Abs. 1 der Verordnung über den grenzüberschreitenden kombinierten Verkehr eröffnet allerdings die Möglichkeit, durch Entscheidung der höheren Landesverkehrsbehörde nach Anhörung der Deutschen Bundesbahn auf Antrag des Güterkraftverkehrsunternehmens einen anderen als den nächsten Bahnhof zum nächstgelegenen geeigneten Bahnhof zu bestimmen, sofern dies der Förderung des kombinierten Verkehrs dient. Das ist indes in das Kraftfahrzeugsteuerrecht nicht übernommen worden; § 3 Nr. 9 Buchst. a KraftStG knüpft ausschließlich an die verkehrsrechtliche Definition des Kombinierten Verkehrs an, ohne für eine abweichende Bestimmung des nächstgelegenen Bahnhofs Raum zu lassen. Das entspricht – besser als die verkehrsrechtliche Regelung – Art. 1 der Richtlinie 92/106/EWG, auf welche die vorgenannten Sondervorschriften über den Kombinierten Verkehr zurückgehen.

3. Beachten Sie, dass nach § 157 Abs. 2 AO die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen einen unselbstständigen Teil des Steuerbescheids bildet, soweit die Besteuerungsgrundlagen nicht gesondert festgestellt werden. Gesondert festgestellt werden nach § 179 Abs. 1 AO Besteuerungsgrundlagen nur dann, wenn dies in der AO oder sonst in den Steuergesetzen bestimmt ist. Da weder in der AO noch im KraftStG (in anderem Zusammenhang siehe aber § 2 Abs. 2 KraftStG!) bestimmt ist, dass die Festlegung des nächstgelegenen geeigneten Bahnhofs von der Verkehrsbehörde vorzunehmen ist bzw. vorgenommen werden kann, kann eine solche verkehrsbehördliche Bestimmung also nicht Grundlagenbescheid (§ 179 Abs. 2 AO) für das Besteuerungsverfahren sein.

4. Eine kraftfahrzeu...

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