Leitsatz

1. Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. a zweiter Gedankenstrich der 6. EG-RL ist dahin auszulegen, dass die Bedingung, wonach die Leitung und Verwaltung einer Einrichtung im Wesentlichen ehrenamtlich erfolgen müssen, nur die Mitglieder dieser Einrichtung, denen nach der Satzung die oberste Leitung übertragen ist, und solche Personen betrifft, die ohne nach der Satzung dazu bestimmt zu sein, die Einrichtung tatsächlich insoweit leiten, als sie in letzter Instanz Entscheidungen über die Politik der Einrichtung, insbesondere im Bereich der Finanzen treffen und übergeordnete Kontrollaufgaben wahrnehmen.

2. Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. a zweiter Gedankenstrich der 6. EG-RL ist dahin auszulegen, dass der Ausdruck im Wesentlichen ehrenamtlich sich sowohl auf die Mitglieder, aus denen sich die mit Leistungs- und Verwaltungsaufgaben einer Einrichtung im Sinn dieser Bestimmung betrauten Organe zusammensetzen, bzw. die Personen, die ohne nach der Satzung dazu bestimmt zu sein, die Einrichtung tatsächlich leiten, als auch auf die Vergütung letztere von der Einrichtung erhalten.

 

Normenkette

Art. 13 Abs.1 der 6. EG-RL , Art. 13 Abs. 2 Buchst. n der 6. EG-RL

 

Sachverhalt

Eine nach englischem Recht gemeinnützige Einrichtung, die u.a. auch zwei Zoos unterhielt und mehr als 300 Teilzeit- und Vollzeitangestellte beschäftigte, beanspruchte vergeblich die Steuerbefreiung für die Eintrittsgelder, die die englische Finanzverwaltung mit der Begründung versagte, an der Leitung und Verwaltung seien auch Mitglieder beteiligt, die für ihre Tätigkeit eine Vergütung erhielten. Dem EuGH legte der High Court die Zweifelsfragen zur Auslegung der 6. EG-RL vor.

 

Entscheidung

Der EuGH beantwortete die Fragen wie oben zusammengefasst. Die Entscheidung kann z.B. bei der Auslegung von § 4 Nr. 18 und § 4 Nr. 22 UStG von Bedeutung sein.

 

Hinweis

Die Entscheidung hat für die den gleichen Sachverhalt betreffende Umsatzsteuerbefreiung in § 4 Nr. 20 UStG keine Bedeutung; gemeinschaftsrechtliche und nationale Befreiungsvorschrift sind nicht identisch. Dennoch ist die Entscheidung berichtenswert; sie zeigt Reichweite und mögliche Grenzen für die Bedingungen, unter denen Umsatzsteuerbefreiungen für Einrichtungen des öffentlichen Rechts auch anderen Einrichtungen zu gewähren sind.

Bei manchen der in Art. 13 Teil A Abs. 1 der 6. EG-RL genannten Befreiungsvorschriften ist die Befreiung von einer Anerkennung der entsprechenden Einrichtung durch den Mitgliedstaat abhängig – so. z.B. die Befreiung für bestimmte kulturelle Dienstleistungen in Art. 13 Teil A Abs.1 Buchst. n der 6. EG-RL (vergl. § 4 Nr. 20 UStG). Nach Art. 13 Teil A Abs. 2 der 6. EG-RL können die Mitgliedstaaten manche der nach Art. 13 Teil A Abs. 1 der 6. EG-RL zulässigen Befreiungen von der Bedingung abhängig machen, dass "Leitung und Verwaltung ... im Wesentlichen ehrenamtlich durch Personen erfolgen, die weder selbst noch über zwischengeschaltete Personen ein unmittelbares Interesse an den Ergebnissen der betreffenden Tätigkeiten haben". Fraglich war, wie weit die Begriffe "Leitung und Verwaltung" zu verstehen sind und worauf sich die Voraussetzung "im Wesentlichen ehrenamtlich" bezieht. Der EuGH hat dies im Urteil präzisiert:

1. Die in Art. 13 Abs. 2 der 6. EG-RL genannten Einschränkungen sind fakultative Bedingungen und können zusätzlich zu einer in der Befreiungsvorschrift (gemeinschaftsrechtlich und der national) geforderten Anerkennung vom Mitgliedstaat eingeführt werden. Daraus folgt, dass die "Anerkennung" sich nur auf sachliche Kriterien für die Gleichbehandlung beziehen darf (vergleichbares Produkt mit vergleichbarem Qualitätsanspruch).

2. Die 6. EG-RL unterscheidet in Art. 13 Abs. 2 der 6. EG-RL zwischen kommerziellen und nicht kommerziellen Einrichtungen. Bei den Letzteren dürfen die an Leitung und Verwaltung beteiligten Personen keine finanziellen Eigeninteressen haben. Die Bedingung (keine finanziellen Eigeninteressen) bezieht sich nur auf die unter 1. genannte Funktionsgruppe; ohne Bedeutung ist, dass zur Durchführung der Aufgaben Personen gegen Entgelt (Arbeitnehmer oder freie Mitarbeiter) beschäftigt werden.

3. An der Leitung oder Verwaltung beteiligte Personen sind:

  • Personen, die nach der Satzung der Einrichtung solche Aufgaben wahrnehmen;
  • Personen die tatsächlich solche Aufgaben wahrnehmen.

Zu prüfen ist danach: Wer trifft – vergleichbar einem kommerziellen Unternehmen – Entscheidungen in letzter Instanz, insbes. wer bestimmt die Politik der Einrichtung, entscheidet im Bereich der Finanzen, wem obliegen übergeordnete Kontrollaufgaben. Personen, die reine Vollzugsaufgaben ausführen, sind nicht gemeint.

4. Finanzielle Eigeninteressen sind: Vergütung, Gewinnverteilung und irgendwelche anderen auch nur mittelbaren finanziellen Interessen.

5. Die genannten Funktionsträger müssen im Wesentlichen unentgeltlich tätig sein; nicht schädlich ist, wenn die Funktionsträger gelegentlich oder ausnahmsweise eine Vergütung erhalten.

6. Die nationalen Stellen (!) haben zu prüfen, ob dadurch der ehrenamtlic...

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