Leitsatz

Bei dem Verfahren ging es um die Frage, ob bei innergemeinschaftlichen Schiffsreisen mit Drittlandsberührung ein Aufenthalt des Schiffes im Drittlandsgebiet, bei denen die Reisenden das Schiff zwar kurzfristig, z.B. zu Besichtigungen, verlassen können, aber keine Möglichkeit haben, dort die Reise zu beginnen oder zu beenden, einen "Zwischenaufenthalt außerhalb der Gemeinschaft" i.S.d. Art. 8 Abs. 1 Buchst. c der 6. EG-Richtlinie darstellt. Bejahendenfalls wären solche Schiffsreisen, die im Gemeinschaftsgebiet beginnen und enden, insoweit keine innergemeinschaftlichen Beförderungen, bei denen die Bordverkäufe im Mitgliedstaat des Abgangsortes des Schiffes besteuert werden könnten. Die Besteuerung würde sich in diesen Fällen nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der 6. EG-Richtlinie richten. Der Lieferort der Bordverkäufe wäre dann grundsätzlich der Ort, an dem sich der Gegenstand im Zeitpunkt der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet.

 

Sachverhalt

Die Klägerin betrieb eine Boutique auf einem Schiff, das Kreuzfahrten durchführte, die in den Städten Kiel, Bremerhaven oder Travemünde begannen und in Häfen außerhalb des Gemeinschaftsgebiets (Norwegen, Estland, Russland und Marokko) führten, bevor sie in Kiel, Bremerhaven oder Genua (Italien) endeten. Die Reisen konnten nur für die gesamte Kreuzfahrt gebucht werden ohne Zustiegs- oder Ausstiegsmöglichkeit während der Reise. Ein kurzzeitiges Verlassen des Schiffes für Zwischenaufenthalte von einigen Stunden oder einem Tag für Besichtigungszwecke war jedoch vorgesehen. Das Finanzamt behandelte die in der Boutique getätigten Verkäufe als steuerbare Lieferungen, da der Abgangs- und der Ankunftsort des Schiffes im Gemeinschaftsgebiet lägen.

Die 6. Richtlinie in der bis 31. Dezember 1992 geltenden Fassung enthielt noch keine spezielle Ortsbestimmung für die Lieferungen von Gegenständen an Bord von Beförderungsmitteln. Bis zu diesem Zeitpunkt bestimmte sich der Ort der Lieferungen in diesen Fällen grundsätzlich nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der 6. Richtlinie. Danach gilt für den Fall, dass der Gegenstand nicht versandt oder befördert wird, als Ort der Lieferung der Ort, an dem sich der Gegenstand zum Zeitpunkt der Lieferung befindet.

 

Entscheidung

Durch Art. 1 Nr. 4 der Richtlinie 91/680/EWG vom 16. Dezember 1991 (ABl. EG 1991 Nr. L 376/1) wurde Art. 8 Abs. 1 der 6. Richtlinie mit Wirkung vom 1. Januar 1993 um einen neuen Buchstaben c ergänzt. Danach galt als Ort der Lieferung von Gegenständen für den Fall, dass die Lieferung an Bord eines Schiffes, Flugzeugs oder in einer Eisenbahn im Rahmen einer Beförderung erfolgt, deren Abgangs- und Ankunftsort im Gebiet der Gemeinschaft gelegen sind, der Ort, an dem sich die Gegenstände bei Beginn der Beförderung befinden.

Eine ausdrückliche Begründung für diese Richtlinienergänzung existiert nicht. Weder in den Erwägungsgründen der Richtlinie 91/680/EWG noch in dem Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission vom 22. September 1987 für eine Richtlinie des Rates zur Ergänzung des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems und zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG - Steuerliche Übergangsregelung im Hinblick auf die Errichtung des Binnenmarktes (ABl. EG 1987 Nr. C 252/2; BR-Drucks. 379/87) - noch in dem geänderten Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission vom 17. Mai 1990 (ABl. EG 1990 Nr. C 176/8; BR-Drucks. 510/90) noch in dem weiteren Änderungsvorschlag vom 2. Mai 1991 (ABl. EG 1991 Nr. C 131/3; BT-Drucks. 12/486) war eine vergleichbare Regelung vorgesehen. Die ergänzende Ortsbestimmung in Art. 8 Abs. 1 Buchst. c war erst bei den Beratungen über den Richtlinienvorschlag zur Richtlinie 91/680/EWG im Rat aufgenommen worden. Der Grund hierfür war offensichtlich, dass sich der Rat für die bis 30. Juni 1999 befristete Beibehaltung von Tax-free-Verkäufen im innergemeinschaftlichen Reiseverkehr nach Schaffung des Binnenmarktes verständigt hatte (Art. 28 k der 6. Richtlinie).

Der Wortlaut des Art. 8 Abs. 1 Buchst. c in der Fassung der Richtlinie 91/680/EWG war unpräzise. So bestanden z.B. Zweifel, ob unter dem Begriff "Beginn der Beförderung" der Beginn der an den einzelnen Reisenden erbrachten Beförderungsleistungen oder der Beginn der Beförderung der Gegenstände zu verstehen war, die später an Bord des Beförderungsmittels an die Reisenden geliefert werden. Im letzteren Fall wäre unklar geblieben, wie sich der Lieferungsort bestimmt hätte, wenn die Gegenstände nicht nur am Abfahrtsort des Beförderungsmittels, sondern auch unterwegs zugeladen werden. Weiterhin hätte unter "Beginn der Beförderung" auch der Abfahrtsort des Beförderungsmittels verstanden werden können. Wegen dieser Unklarheiten war durch Art. 1 Nr. 4 der Richtlinie 92/111/EWG vom 14. Dezember 1992 (ABl. EG 1992 Nr. L 384/47; Berichtigung: ABl. EG 1993 Nr. L 197/57) Art. 8 Abs. 1 Buchst. c in der Fassung der Richtlinie 91/680/EWG mit Wirkung vom 1. Januar 1993 neu gefasst worden. Dabei ist der Ort von Lieferungen, die an Bord eines Schiffes, eines Flugzeugs oder in einer Eise...

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