Viele mittelständische Unternehmen haben kein eigenständiges Krisenfrühwarn- oder Risikomanagementsystem. Dies ist auch kein grundsätzliches Problem. Der Gesetzgeber fordert kein eigenständiges Risikomanagement, sondern lediglich die Fähigkeit mögliche "bestandsgefährdende Entwicklungen" – also schwere Krisen – früh zu erkennen. Bei mittelständischen Unternehmen ohne eigenständiges Risikomanagement ist es damit die Aufgabe der kaufmännischen Geschäftsführung oder des Controllers, ein den gesetzlichen Anforderungen des StaRUG genügendes System für Krisenfrüherkennung und Krisenprävention zu etablieren.

Gerade viele mittelständische Unternehmen sind bisher aber noch nicht in der Lage, mögliche bestandsgefährdende Entwicklungen aus Kombinationseffekten von Risiken, die das Rating oder Covenants bedrohen, zu erkennen. Es fehlt insbesondere an einem an sich einfach implementierbaren Verfahren für die Risikoaggregation.

Für eine solche Risikosimulation stehen in der Zwischenzeit einfach nutzbare und kostenlose Simulationstools speziell für mittelständische Unternehmen zur Verfügung (eine Alternative ist ein Outsourcing). Auch kleinere Unternehmen können also eine Risikoaggregation in wenigen Arbeitsstunden umsetzen. Der "Risikosimulator" der FutureValue Group AG ist kostenlos zu beziehen unter http://strategienavigator.net/software. Dieser betrachtet vereinfachend nur eine Gewinn- und Verlustrechnung und eine rudimentäre Bilanz für ein Jahr und stellt damit einen pragmatischen Einstieg in die simulationsbasierte Risikoaggregation dar.

Abbildung 1: Risikoaggregation mit dem kostenlosen Risikosimulator

Abbildung 1 zeigt die Software "Risikosimulator" im "Einsatz" inkl. Eingaben und Ergebnisse nach einer durchgeführten Risikoaggregation. Eingegeben werden zunächst die wesentlichen Planungspositionen der Gewinn- und Verlustrechnung, wie Umsatzerlöse und die wichtigsten Kostenarten, z. B. Material und Personalkosten.[1] Zur Erfassung der Planungsunsicherheit können die einzelnen Planungspositionen durch eine Bandbreite beschrieben werden, z. B. durch Mindestwert, wahrscheinlichsten Wert oder Maximalwert. Durch diese Angaben sind sowohl planungsbezogene als auch ereignisorientierte Risiken mit der Unternehmensplanung verknüpft und es kann eine planungsbezogene Risikoaggregation mittels Monte-Carlo-Simulation vorgenommen werden. Durch die Berechnung einer großen Anzahl von Kombinationseffekten der Risiken wird die Bandbreite von EBIT und Gewinn berechnet. So lässt sich zunächst unmittelbar der Umfang an Verlusten ableiten, der mit 95 %iger Sicherheit nicht überschritten wird und damit lässt sich der Eigenkapitalbedarf (eines Jahres) berechnen. Neben dieser Kennzahl für den Gesamtrisikoumfang wird aber auch berechnet, mit welcher Wahrscheinlichkeit eine „bestandsgefährdende Entwicklung“ durch die Verletzung von Mindestanforderungen an das Rating auftritt. Unter Berücksichtigung des erfassten Risikodeckungspotenzials (Eigenkapital) werden dabei die Auswirkungen der Risiken auf ein Finanzkennzahlenrating und das durch diese ausgedrückte Insolvenzwahrscheinlichkeit berechnet.[2] Angegeben wird die Insolvenzwahrscheinlichkeit, die man auch als Ratingnote ausdrücken kann. Zusätzlich wird berechnet, mit welcher Wahrscheinlichkeit eine für die Liquiditätssicherung notwendige Mindestgüte des Ratings[3] verfehlt wird ("Gefährdungswahrscheinlichkeit"). Zur Beurteilung des Grads der Bestandsgefährdung wird dabei abgezählt, welcher Anteil der risikobedingt möglichen Szenarien zur Verletzung von Ratinganforderungen führt (vgl. Abbildung 1).

[1] In enger Anlehnung an Gleißner (2021b).
[2] Siehe zum sogenannten Mini-Rating basierend auf Eigenkapitalquote und Gesamtkapitalrendite (ROCE) Gleißner (2017a).
[3] Ein B-Rating, entsprechend einer maximalen Ausfallwahrscheinlichkeit von 7,0 %.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge