OFD Frankfurt, 6.6.2017, S 0351 A - 001 - St 21

Änderungssperre nach § 173 Abs. 2 AO; Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung (§ 164 Abs. 3 AO); Lohnsteuer-Haftungsbescheide (§ 42d EStG, § 191 AO)

Bei der Aufhebung oder Änderung von Steuerbescheiden nach vorausgegangener Sonderprüfung (z.B. Umsatzsteuersonderprüfung oder Lohnsteueraußenprüfung) ist folgendes zu beachten:

 

1. Umfang der Sonderprüfung und Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung

Eine Sonderprüfung wirkt sich nur auf die geprüfte Steuerart und die geprüfte Steuerfestsetzung aus. Wurde z.B. bei einer Umsatzsteuersonderprüfung auch ein ertragsteuerlich relevanter Sachverhalt geprüft, so ist die Finanzbehörde nicht gehindert, im Rahmen einer Außenprüfung (§§ 193203 AO) denselben Sachverhalt nochmals zu prüfen und aufgrund dieser Überprüfung die Festsetzung der Ertragsteuer aufzuheben oder zu ändern.

Dieser Grundsatz gilt auch, wenn die Sonderprüfung die Investitionszulage betraf.

Die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung ist im Gesetz für den Fall, dass die Prüfung zu einer Änderung der Steuerfestsetzung führt, nicht ausdrücklich vorgeschrieben. Aus dem Sinn und Zweck des § 164 AO, insbesondere aus dessen Abs. 1, ist zu entnehmen, dass die geänderte Steuerfestsetzung nur dann nicht mehr unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergehen darf, wenn es sich bei der Prüfung um eine „abschließende Prüfung” im Sinne des § 164 Abs. 1 Satz 1 AO handelte. Eine Sonderprüfung stellt keine abschließende Prüfung dar, wenn sie sich auf einzelne Teilbereiche, z.B. Prüfung lediglich des Vorsteuerabzugs, Prüfung der Exportlieferungen usw. bei Umsatzsteuersonderprüfungen, beschränkt (BFH-Urteil vom 30.4.1987, V R 29/79, BStBl 1987 II S. 486). Ob die Prüfung beschränkt war, ergibt sich aus dem Inhalt der Prüfungsanordnung.

 

2. Umsatzsteuersonderprüfungen

Die für einen Voranmeldungszeitraum errechnete Umsatzsteuer ist eine Vorauszahlung. Die Voranmeldung und die abweichende Steuerfestsetzung stehen kraft Gesetzes unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

Nach einer Umsatzsteuersonderprüfung ist bei Umsatzsteuervoranmeldungen der Vorbehalt der Nachprüfung in keinem Fall aufzuheben (§ 164 Abs. 1 Satz 2 AO). Dies gilt auch dann, wenn die Sonderprüfung nicht beschränkt war und zu keiner Änderung der Umsatzsteuervoranmeldung geführt hat.

Eine Umsatzsteuersonderprüfung, die nur Voranmeldungszeiträume erfasst, wirkt sich nicht auf die Festsetzung der Jahresumsatzsteuer aus.

Bei dieser Steuerfestsetzung tritt keine Änderungssperre im Sinne des § 173 Abs. 2 AO hinsichtlich der bereits geprüften Voranmeldungszeiträume ein. Bereits geprüfte Sachverhalte können deshalb bei einer Sonderprüfung oder Außenprüfung, die die Jahresumsatzsteuer zum Gegenstand hat, nochmals überprüft werden und zu einer Änderung der Jahresumsatzsteuer führen (BFH-Urteile vom 11.11.1987, X R 54/82, BStBl 1988 II S. 307, und vom 7.12.2006, V R 52/03, BStBl 2007 II S. 420).

Die Umsatzsteuer-Jahreserklärung steht kraft Gesetzes mit ihrem Eingang bzw. nach Zustimmung der Finanzbehörde einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Ist eine solche Steueranmeldung Gegenstand einer Umsatzsteuersonderprüfung und enthält die Prüfungsanordnung für diese Sonderprüfung keine Einschränkungen, so ist der Vorbehalt der Nachprüfung gem. § 164 Abs. 3 Satz 3 AO aufzuheben, wenn die Sonderprüfung nicht zu einer Änderung der Steueranmeldung führt. Auch eine aufgrund der Sonderprüfung geänderte Steuerfestsetzung kann in diesem Fall nicht mehr unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehen. Bei einer nachfolgenden Außenprüfung ist die Änderungssperre des § 173 Abs. 2 AO zu beachten.

War dagegen die Prüfung der Jahresumsatzsteuer lt. Prüfungsanordnung auf einzelne Sachbereiche beschränkt (z.B. Prüfung lediglich des Vorsteuerabzugs, Prüfung der Exportlieferungen usw.), so braucht der Vorbehalt der Nachprüfung nicht aufgehoben zu werden, wenn die Prüfung zu keiner Änderung der Jahresumsatzsteuer führt. Auch eine geänderte Steuerfestsetzung kann in diesem Fall mit dem Vorbehalt der Nachprüfung versehen werden. Eine nachfolgende Außenprüfung kann eine derartige unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehende Umsatzsteuerfestsetzung in vollem Umfang nachprüfen; die Änderungssperre des § 173 Abs. 2 AO tritt nicht ein.

Im Hinblick auf die eingeschränkten Änderungsmöglichkeiten im Rahmen einer späteren Außenprüfung sollen sich Umsatzsteuersonderprüfungen, die die Jahresumsatzsteuer betreffen, in der Regel nur auf einzelne Sachbereiche beschränken. Die Beschränkung ist in der Prüfungsanordnung ausdrücklich vorzusehen.

 

3. Lohnsteueraußenprüfungen

 

3.1 Inanspruchnahme des Arbeitgebers als Haftungsschuldner

Auch Lohnsteueranmeldungen stehen kraft Gesetzes unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 168 AO); sie haben jedoch keinen Vorauszahlungscharakter. Bei einer Lohnsteueraußenprüfung handelt es sich stets um eine abschließende Prüfung. Führt daher die Lohnsteueraußenprüfung nicht zu einer Änderung der angemeldeten Lohnsteuer, ist der Vorbehalt...

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