Rz. 92

Wirtschaftlich verfolgen Verschmelzung und Spaltung unterschiedliche Richtungen. Die Verschmelzung führt zur Konzentration von Wirtschaftsgütern und die Spaltung zur Aufteilung des Vermögens. Rechtlich folgen diese beiden Umstrukturierungsvorgänge aber einem grundsätzlich identischen Konzept. Die Vorschriften der Spaltung verweisen auf die Verschmelzung (§ 125 UmwG). Die bilanzrechtlichen Vorschriften des Umwandlungsgesetzes[1] gelten sowohl für die Verschmelzung als auch für die 3 Formen der Spaltung: der Abspaltung, Aufspaltung und Ausgliederung. Außerdem hat sich das IDW mit RS HFA 42 zur Verschmelzung und mit RS HFA 42 zur Spaltung geäußert.

 

Rz. 93

Bei der Verschmelzung und Spaltung sind grundsätzlich 2 selbstständige Bilanzen, die des übertragenden und die des übernehmenden Rechtsträgers, aufzustellen. Eine handelsrechtlich zwingende (Buch-) Wertverknüpfung besteht zwischen diesen Bilanzen nicht, da § 24 UmwG ein Wahlrecht vorsieht.

 

Rz. 94

Das UmwG und das UmwStG folgen unterschiedlichen Ordnungsprinzipien. Das UmwG unterscheidet nach Arten von Umwandlungen (§ 1 Abs. 1 UmwG). Demgegenüber differenziert das UmwStG danach, ob es durch die Umwandlung bezüglich des übertragenen Vermögens zu einem Wechsel zwischen der Besteuerung nach dem Trennungs- oder Transparenzprinzip kommt, das Trennungs- oder Transparenzprinzip erhalten bleibt, oder eine neue Besteuerungsebene eingezogen wird.

9.1.1 Schlussbilanz des übertragenden Rechtsträgers

9.1.1.1 Handelsbilanzrecht

 

Rz. 95

Die Schlussbilanz des übertragenden Rechtsträgers gehört zu den Unterlagen, die bei der Verschmelzung zum Handelsregister eingereicht werden müssen (§ 17 Abs. 2 UmwG). Diese Schlussbilanz ist eine Sonderbilanz. Sie schließt die Buchführung der übertragenden Gesellschaft ab und beendet eine Kette von Bilanzen, die durch die Bilanzidentität verknüpft sind.

 

Rz. 96

Der Stichtag für diese Bilanz darf höchstens 8 Monate vor dem Zeitpunkt der Anmeldung liegen. Grundsätzlich gelten die allgemeinen Vorschriften für den Jahresabschluss und dessen Prüfung.[1] Aus Gründen der Kostenersparnis wird in der Praxis oft auf den letzten regulären Jahresabschluss zurückgegriffen. Wird allerdings extra für die Umwandlung eine Bilanz erstellt, kann aufgrund der bevorstehenden Veränderung vom Grundsatz der Bewertungsstetigkeit (§ 252 Abs. 1 Ziffer 6 HGB) abgewichen werden.[2]

[2] Vgl. IDW HFA 42, Stand 29.10.2012, Rz. 17.

9.1.1.2 Steuerbilanzrecht

 

Rz. 97

Steuerlich kommt es grundsätzlich zur Aufdeckung der stillen Reserven beim übertragenden Rechtsträger in dessen Schlussbilanz.[1] Unter bestimmten Voraussetzungen kann aber der Ansatz des Buch- oder Zwischenwerts beantragt werden, sodass es nicht zu einer Aufdeckung von stillen Reserven kommt.[2]

Während handelsrechtlich stets dem übernehmenden Rechtsträger das Wahlrecht zusteht, mit welchem Wert er die übertragenen Vermögensgegenstände ansetzt, kann steuerlich entweder dem übertragenden oder dem übernehmenden das Wahlrecht zustehen. Dem übernehmenden Rechtsträger steht das Wahlrecht in Ausgliederungsfällen (Einbringung und Anteilstausch) zu.[3]

 

Rz. 98

Im Rahmen einer Spaltung nach UmwG kann (irgend-)ein Teil des Vermögens auf einen anderen Rechtsträger übertragen werden. Die steuerliche Buchwertfortführung knüpft bei Spaltungsvorgängen an das strenge Teilbetriebserfordernis an.

9.1.2 Bilanz des übernehmenden Rechtsträgers

9.1.2.1 Handelsbilanzrecht

 

Rz. 99

§ 24 UmwG regelt die Bilanzierung beim übernehmenden Rechtsträger. Die Übernahmebilanz des übertragenden Rechtsträgers bei Verschmelzung oder Spaltung zur Aufnahme ist keine Sonderbilanz, da die Übernahme ein laufender Geschäftsvorfall ist.[1] Die Übernahmebilanz kann man allerdings als eine Sonderbilanz im weiteren Sinn verstehen, da ihr ein außergewöhnlicher und seltener Geschäftsvorfall zugrunde liegt.[2]

Erfolgt die Verschmelzung oder Spaltung allerdings durch Neugründung, ist die Eröffnungsbilanz des neu gegründeten Rechtsträgers die Übernahmebilanz.[3] Die Übernahmebilanz als Eröffnungsbilanz ist eine Sonderbilanz im technischen Sinn. Sie bildet den Ausgangspunkt einer neuen Buchführung und begründet eine neue Kette von Bilanzen, die durch die Bilanzidentität miteinander verbunden sind.[4]

Dem übernehmenden Rechtsträger steht ein Wahlrecht zu, ob der die übertragenen Vermögensgegenstände zu Anschaffungskosten bewertet, oder den Buchwert des übertragenden Rechtsträgers fortführt (§ 24 UmwG).

[1] Vgl. IDW HFA 42, Stand 29.10.2012, Rz. 3 und IDW HFA 43, Stand 6.9.2012 Rz. 5 (verweist auf IDW HFA 42).
[2] Vgl. Deubert/Roland, in Deubert/Förschle/Störk, Sonderbilanzen, 6. Aufl. 2021, A Rz. 14.
[3] Vgl. Budde, in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 24 Rz. 156 f., Stand: 2/2021.

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