Rz. 41

Unproblematisch ist es, wenn der Wert der Sacheinlage das mit den neuen Anteilen verbundene Nennkapital übersteigt (§ 9 Abs. 2 AktG). Ein solches Aufgeld/Agio hat den gesellschaftsrechtlichen Vorteil, dass die Haftungsrisiken aus einer unbeabsichtigten Einlagenrückgewähr verhindert werden. Der den Nennbetrag übersteigende Betrag, auch Agio genannt, ist als Kapitalrücklage auszuweisen (§ 272 Abs. 2 Nr. 1 HGB).

Umstritten ist allerdings, ob auf den Ausweis der Kapitalrücklage verzichtet werden kann, indem die Sacheinlage in der Gründungsbilanz unterbewertet wird.[1] Teilweise wird eine Unterbewertung der Sacheinlage für zulässig gehalten.[2]

Gegen die Unterbewertung sprechen jedoch gewichtige Gründe. Wird die Einlage mit einem geringeren Wert als dem Zeitwert bewertet, werden willkürlich stille Reserven gelegt. Durch eine solche Unterbewertung wird bereits bei der Gründung das wahre Vermögen der Gesellschaft verschleiert. Nicht der Nennbetrag bzw. Ausgabebetrag ist für die Bewertung der Sacheinlage maßgeblich. Es verhält sich umgekehrt. Der Zeitwert der Sacheinlage bestimmt den relevanten Ausgabebetrag (§ 272 Abs. 2 Nr. 1 HGB). Zusätzlich zu dem Informationsverlust in der Bilanz wird auch die Aussagekraft der Gewinn- und Verlustrechnung verfälscht. Die künftigen Gewinne werden zu hoch ausgewiesen, da ihnen ein zu geringer Abschreibungsaufwand zugrunde liegt. Außerdem kann durch die Veräußerung des unterbewerteten Einlageguts ein außerordentlicher Gewinn erzielt werden.[3] In der weiteren Konsequenz würde dies eine Ausschüttung von Scheingewinnen ermöglichen.[4] Sofern bei der Gründung einer Gesellschaft eine Sacheinlage nicht zum Zeitwert, sondern mit einem geringeren Wert angesetzt wird, verfälscht dies also das "den tatsächlichen Verhältnissen entsprechende Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage" im Sinne des § 264 Abs. 2 HGB. Im Übrigen wird durch die Unterbewertung der Einlage und dem damit verbundenen geringen Eigenkapitalausweis die betriebswirtschaftliche Analyse der Unternehmung erschwert. Es ergibt sich eine zu hohe Eigenkapitalrentabilität und eine zu schlechte Eigenkapital-Fremdkapital-Relation.

Außerdem heißt es in § 272 Abs. 1 Nr. 1 HGB, dass in der Kapitalrücklage der Betrag zu erfassen ist, der über den Nennbetrag "hinaus erzielt wird". Auch wenn das "stille Aufgeld" in der Praxis üblich ist, so steht es trotzdem im Widerspruch zum Gesetzeswortlaut.

Die Sacheinlage ist zum Zeitwert (objektiver Wert) zu bewerten.

 

Rz. 42

Ein Argument für die Zulässigkeit einer handelsrechtlichen Unterbewertung kann auch nicht aus einem Umkehrschluss aus § 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 EStG gezogen werden. Steuerlich ist die Einlage grundsätzlich zum Teilwert anzusetzen.[5] Eine spezielle steuerbilanzrechtliche Regelung ist grundsätzlich nur erforderlich, wenn das Handelsbilanzrecht zu einem abweichenden Ergebnis führt und das Steuerrecht von seinem Bewertungsvorbehalt Gebrauch macht (§ 5 Abs. 6 EStG). Der Umkehrschluss, der auf diesem steuerlichen Bewertungsvorbehalt aufbaut, kann allerdings nicht so weit gezogen werden, dass handelsrechtlich eine Unterbewertung zulässig sei. Es ist nämlich die historische Entwicklung, die zu § 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 EStG in der heutigen Form geführt hat, zu berücksichtigen. Die Vorschrift soll klarstellen, dass die Bewertung der Einlage zum Teilwert und grundsätzlich unabhängig von den historischen Anschaffungskosten und Herstellungskosten erfolgt. In der Zeit von 1934 bis 1954 musste die Einlage mit dem Teilwert, allerdings höchstens mit den Anschaffungs- und Herstellungskosten, erfolgen.[6]

[1] Vgl. Störk/Kliem/Meyer, in Grottel u. a., Beck´scher Bilanz-Kommentar, 12. Aufl. 2020, § 272 Rz. 175.
[2] Vgl. Seidler, in Bertram/Kessler/Müller, Haufe HGB Bilanz Kommentar, 11. Aufl. 2020, § 272 Rz. 125; IDW RS HFA 42, Rz. 42 f.
[3] Vgl. Winnefeld, Bilanzhandbuch, 5. Aufl. 2015, N Rz. 79.
[4] Angermayer, DB 1998, S. 145 (147) m. w. N.; vgl. für den Fall der Wertaufholung und des Sonderpostens mit Rücklagenanteil: § 29 Abs. 4 GmbHG, § 58 Abs. 2a AktG.
[5] Dieser Grundsatz kennt allerdings sehr viele Ausnahmen: § 6 Abs. 5 EStG, §§ 4, 12, 20, 24 UmwStG.
[6] Dies war in inflationären Zeiten ein großes Problem. § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG soll also keine Abweichung des Steuerbilanzrechts zum Handelsrecht, sondern eine Weiterentwicklung einer überwundenen steuerlichen Vorschrift regeln.

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