7.1 Aufgabe der Gesamtplanbetrachtung bei gleichzeitiger Anwendung des § 6 Abs. 3 EStG und § 6 Abs. 5 EStG

Die Vorschrift des § 6 Abs. 3 EStG regelt u. a. die unentgeltliche Übertragung von Betrieben, Teilbetrieben und Mitunternehmeranteilen ("betriebliche Sachgesamtheiten"). Prinzipiell setzt das Buchwertfortführungsgebot des § 6 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 EStG voraus, dass die gesamte Betriebseinheit übertragen wird, d. h. die Übertragung muss sämtliche wesentlichen Betriebsgrundlagen umfassen, zu denen bei Mitunternehmeranteilen das Sonderbetriebsvermögen gehört. Die Wesentlichkeit bestimmt sich im Rahmen des § 6 Abs. 3 EStG ausschließlich nach funktionalen Gesichtspunkten (funktionale Betrachtungsweise).[1]

Wird im zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit der Übertragung eines Mitunternehmeranteils (sog. Gesamtplanrechtsprechung) funktional wesentliches Sonderbetriebsvermögen nach § 6 Abs. 5 zum Buchwert in ein anderes Betriebsvermögen überführt, konnte nach früherer Auffassung der Finanzverwaltung[2] der Anteil am Gesamthandsvermögen nicht nach § 6 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 EStG zum Buchwert übertragen werden. Der BFH[3] hat dagegen entschieden, dass nach § 6 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 EStG in seiner seit dem Veranlagungszeitraum 2001 gültigen Fassung die Aufdeckung der stillen Reserven im unentgeltlich übertragenen Mitunternehmeranteil auch dann ausscheidet, wenn ein funktional wesentliches Betriebsgrundstück des Sonderbetriebsvermögens vorher bzw. zeitgleich zum Buchwert nach § 6 Abs. 5 EStG übertragen worden ist.

Die Privilegierungen des § 6 Abs. 3 und § 6 Abs. 5 EStG stehen nach dem Gesetzeswortlaut gleichberechtigt nebeneinander. Ein Rangverhältnis ist weder ausdrücklich gesetzlich geregelt, noch lässt es sich durch Auslegung ermitteln. Sind die Tatbestandsvoraussetzungen des § 6 Abs. 3 und § 6 Abs. 5 EStG gleichzeitig erfüllt, sind die Vorschriften prinzipiell nebeneinander anzuwenden. Nach Meinung des BFH sind gleichzeitige Buchwerttransfers nach § 6 Abs. 3 und 5 EStG möglich.

 
Wichtig

Aufgabe der Gesamtplanbetrachtung

Die Finanzverwaltung[4] hat sich dieser Rechtsprechung angeschlossen: Bei einer Überführung oder Übertragung von Wirtschaftsgütern des Sonderbetriebsvermögens nach § 6 Abs. 5 EStG zeitgleich mit einer Buchwertübertragung nach § 6 Abs. 3 EStG wird die Gesamtplanbetrachtung aufgegeben. Der Anwendung des § 6 Abs. 3 EStG, d. h. der Buchwertfortführung in Bezug auf den Gesellschaftsanteil, steht nicht entgegen, dass im Zeitpunkt der Übertragung des Gesellschaftsanteils nach § 6 Abs. 3 EStG zum Sonderbetriebsvermögen gehörende Wirtschaftsgüter zeitgleich oder taggleich zum Buchwert nach § 6 Abs. 5 EStG überführt oder übertragen werden.

Die gleichzeitige Anwendung der beiden Buchwertprivilegien setzt allerdings voraus, dass keine Betriebszerschlagung erfolgt, sondern weiterhin eine funktionsfähige betriebliche Einheit fortbesteht und die Besteuerung der stillen Reserven gesichert ist[5]

7.2 Anwendung des Buchwertprivilegs auch bei vorgelagerter Aufdeckung der stillen Reserven im Sonderbetriebsvermögen

Wird aufgrund einheitlicher Planung zeitlich vor der Übertragung des Mitunternehmeranteils funktional wesentliches Sonderbetriebsvermögen unter Aufdeckung der stillen Reserven entweder entnommen (z. B. durch unentgeltliche Übertragung auf einen Angehörigen) oder zum gemeinen Wert veräußert, kann der reduzierte Mitunternehmeranteil gleichwohl nach § 6 Abs. 3 EStG zum Buchwert übertragen werden, sofern es sich bei dem verbleibenden „Restbetriebsvermögen“ weiterhin um eine funktionsfähige betriebliche Einheit handelt.[1]

 
Achtung

Zeitgleiche Veräußerungen oder Entnahmen des Sonderbetriebsvermögens sind schädlich

Zeitgleiche Veräußerungen oder Entnahmen des Sonderbetriebsvermögens sind dagegen – mit Ausnahme von Überführungen und Übertragungen nach § 6 Abs. 5 EStG – für eine Buchwertfortführung nach § 6 Abs. 3 EStG schädlich (Folge: tarifbegünstigter Aufgabegewinn für den gesamten Mitunternehmeranteil einschließlich des Sonderbetriebsvermögens).[2] Bei einer derartigen Konstellation befindet sich das funktional wesentliche Sonderbetriebsvermögen zum Zeitpunkt der Entnahme noch im Betriebsvermögen des Übertragenden und es werden gerade nicht alle im Übertragungszeitpunkt noch vorhandenen wesentlichen Betriebsgrundlagen des Mitunternehmeranteils nach § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG übertragen.[3] Werden funktional wesentliche Wirtschaftsgüter nicht mitübertragen, sondern zeitgleich gewinnrealisierend ins Privatvermögen überführt, liegt keine unentgeltliche Übertragung eines Mitunternehmeranteils, sondern eine tarifbegünstigte gewinnrealisierende Aufgabe des gesamten Mitunternehmeranteils vor.[4] Diese Beurteilun...

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