Seit dem 1.1.2019 wird bei Gutscheinen umsatzsteuerlich danach unterschieden, ob bei dem Gutschein die Verpflichtung besteht, ihn als Gegenleistung – ganz oder teilweise anstelle einer regulären Zahlung – für eine Lieferung von Gegenständen oder die Erbringung sonstiger Leistungen anzunehmen, oder ob der Gutschein den Inhaber lediglich zu einem Preisnachlass oder einer Preiserstattung berechtigt (wie z. B. ein Rabattgutschein). Das UStG unterscheidet für den Fall, dass der Gutschein dazu berechtigt, eine Leistung in Anspruch nehmen zu können, zwischen Einzweck- und Mehrzweck-Gutscheinen. Das BMF hat mit Schreiben vom 2.11.2020[1] (fast 2 Jahre nach Inkrafttreten der Neuregelungen) einführende Verwaltungsregelungen zur Auslegung der Bestimmungen erlassen. Das BMF-Schreiben enthält zudem eine Fülle von Beispielen zu den einzelnen Rechtsbereichen.

5.1 Einzweck-Gutscheine

Ein Einzweck-Gutschein nach § 3 Abs. 14 Satz 1 UStG ist dadurch gekennzeichnet, dass der Ort der Lieferung oder sonstigen Leistung, zu deren Bezug der Gutschein berechtigt, sowie die geschuldete USt, bei dessen erstmaliger Übertragung bzw. Ausgabe durch den Aussteller des Gutscheins feststehen. Für die Annahme eines Einzweck-Gutscheins ist die Leistung dahingehend zu konkretisieren, dass der steuerberechtigte Mitgliedstaat und der auf die Leistung entfallende Steuersatz und damit der zutreffende Steuerbetrag mit Sicherheit bestimmt werden können. Die spätere Gutscheineinlösung, also die tatsächliche Lieferung bzw. Erbringung der sonstigen Leistung, ist für die umsatzsteuerliche Würdigung nicht mehr relevant, da diese nicht als unabhängiger Umsatz gilt. Wenn eine Zuzahlung durch den Gutscheininhaber bei Einlösung erfolgt, ist lediglich die bislang noch nicht versteuerte Differenz zu versteuern. Bei einem Einzweck-Gutschein liegen alle Informationen bereits bei der Ausgabe des Gutscheins vor, die benötigt werden, um die umsatzsteuerrechtliche Behandlung der zugrunde liegenden Umsätze mit Sicherheit zu bestimmen. Demzufolge erfolgt die Besteuerung bereits im Zeitpunkt der Ausstellung/Übertragung des Gutscheins.

 
Praxis-Beispiel

Gutschein für den Erwerb eines Wörterbuchs in Deutschland

Ein Buchverlag mit mehreren Filialen in Deutschland gibt einen Gutschein zur Einlösung gegen alle im Sortiment befindlichen Wörterbücher im Wert von 50 EUR an einen Kunden für 50 EUR aus. Der Gutschein ist in einer beliebigen Filiale des Verlags in Deutschland einlösbar. Es handelt sich um einen Einzweck-Gutschein. Der Leistungsort ist in entsprechender Anwendung des § 3 Abs. 7 Satz 1 UStG hinsichtlich des steuerberechtigten Mitgliedstaates hinreichend bestimmt (= Deutschland). Somit kann die geschuldete USt (ermäßigter Steuersatz) bei Ausgabe des Gutscheins ermittelt werden.

5.2 Mehrzweck-Gutscheine

Ein Mehrzweck-Gutschein liegt vor, wenn zum Zeitpunkt der Übertragung bzw. Ausgabe des Gutscheins der Ort der Leistung und/oder der leistende Unternehmer und/oder der Leistungsgegenstand noch nicht endgültig feststehen und daher die geschuldete USt nicht bestimmbar ist. Bei einem Mehrzweck-Gutschein gilt die Lieferung der Gegenstände oder die Erbringung der sonstigen Leistung erst im Zeitpunkt der tatsächlichen Erbringung der Leistung als erbracht. Die Ausgabe eines Mehrzweck-Gutscheins und alle bis dahin erfolgten Übertragungen sind steuerlich unbeachtlich. Es handelt sich insbesondere auch dann um einen Mehrzweck-Gutschein, wenn sich der Gutschein gegen Leistungen eintauschen lässt, die dem ermäßigten oder dem Regelsteuersatz unterliegen. In diesen Fällen lässt sich die geschuldete USt zum Zeitpunkt der Gutscheinübertragung oder Ausgabe noch nicht abschließend bestimmen.

 
Praxis-Beispiel

Gutschein für den Erwerb eines Wörterbuchs europaweit

Ein deutscher Buchverlag mit europaweiten Filialen veräußert einen Gutschein zur Einlösung gegen alle im Sortiment befindlichen Wörterbücher im Wert von 50 EUR an einen Kunden für 50 EUR. Der Gutschein kann in einer beliebigen Filiale europaweit eingelöst werden. In diesen Fällen steht im Zeitpunkt der Ausgabe des Gutscheins noch nicht abschließend fest, in welchem Mitgliedstaat der Gutschein eingelöst wird. Demzufolge steht die gesetzlich geschuldete USt zu diesem Zeitpunkt noch nicht fest. Es handelt sich um einen Mehrzweck-Gutschein.

5.3 Gutscheine im Zeichen der befristeten Absenkung des allgemeinen und ermäßigten Steuersatzes zum 1. 1.2020 und zu deren Anhebung zum 1.1.2021

Die Änderung des Steuersatzes in der Zeit vom 1.7.2020 bis 31.12.2020 hat nicht in allen Fällen Auswirkung auf die Besteuerung der Gutscheinausgabe bzw. des späteren Umsatzes, bei dem ein ursprünglich als Einzweck-Gutschein bewerteter Gutschein als Gegenleistung verwendet wird. Da ein Einzweck-Gutschein, der z. B. am 1.3.2020 ausgegeben wird, der Besteuerung bereits im Zeitpunkt der Ausgabe unterliegt, hat die am 1.7.2020 erfolgte Steuersatzsenkung darauf keinen Einfluss. Es bleibt bei der Besteuerung zum Normalsteuersatz von 19 % oder dem ermäßigten Steuersatz von 7 %. Eine Zuzahlung beim Erwerb der Leistung, die durch den Gutschein verkörpert wird, unterliegt dann dem zu diesem Zeitpunkt gelt...

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