Rz. 1

Nach § 4 Nr. 6 Buchst. e UStG sind Restaurationsumsätze ("Abgabe von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle") an Bord von Seeschiffen im innergemeinschaftlichen Verkehr oder im Verkehr mit Drittstaaten ("im Verkehr mit Wasserfahrzeugen für die Seeschifffahrt zwischen einem inländischen und ausländischen Seehafen und zwischen zwei ausländischen Seehäfen") von der USt befreit. Die Steuerbefreiung umfasst die entgeltliche und unentgeltliche Abgabe von Speisen und Getränken zum Verzehr an Bord von Seeschiffen, sofern diese eine selbstständige sonstige Leistung oder (im Ausnahmefall) eine Lieferung ist. Die Steuerbefreiung bezieht sich in erster Linie auf den Fährverkehr zwischen deutschen und ausländischen Seehäfen. Sie umfasst im Wesentlichen die entgeltliche und unentgeltliche Abgabe von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle an Passagiere und an Arbeitnehmer.

 

Rz. 2

Die sachliche Bedeutung von § 4 Nr. 6 Buchst. e UStG ergibt sich insbesondere aus dem Zusammenhang zu den Ortsregelungen nach § 3a Abs. 3 Nr. 3 Buchst. b und § 3e UStG für die Restaurationsumsätze, die auf in internationalen Gewässern verkehrenden Wasserfahrzeugen der Seeschifffahrt erbracht werden. Die Steuerbefreiung führt zu einem systemwidrigen, nicht mit USt belasteten privaten Endverbrauch, weil der leistende Unternehmer für die Eingangsumsätze, die im Zusammenhang mit der steuerfreien Abgabe von Speisen und Getränken stehen, zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt ist. Dieser steuerfreie Letztverbrauch durch private Konsumenten wurde ausschließlich zur wirtschaftlichen Unterstützung der nationalen Unternehmer der Seeschifffahrt eingeführt und läuft dem Grundgedanken des gemeinsamen Binnenmarkts innerhalb der EU zuwider, weil es gerade das Ziel des gemeinsamen Binnenmarkts ist, den privaten Letztverbrauch grundsätzlich mit USt zu belasten.

 

Rz. 3

Die Regelung soll im Prinzip die vor Einführung der Befreiung (27.6.1998) geltende Nichtbesteuerung infolge der regelmäßigen Nichtsteuerbarkeit der genannten Umsätze (sie wurden vorher als Lieferungen behandelt, die dort erbracht wurden, wo sich das Seeschiff im Zeitpunkt der Abgabe der Speisen und Getränke befand) fortführen. Die Steuerbefreiung dient dazu, Wettbewerbsnachteile inländischer Unternehmer gegenüber ausländischen Konkurrenten zu verhindern. Außerdem sollen Abgrenzungsschwierigkeiten vermieden werden, sodass die Regelung auch der Verwaltungsvereinfachung dient. Ausgenommen von der Steuerbefreiung sind Restaurationsumsätze im Schiffsverkehr zwischen inländischen Seehäfen einschließlich der Freihäfen und der Insel Helgoland, da diese Umsätze ausschließlich in deutschen Hoheitsgewässern ausgeführt werden.

 

Rz. 4

Anlass für die Steuerbefreiung war das Urteil des EuGH.[1] Bei dem EuGH-Verfahren war der Ort der Leistung nach Art. 9 der 6. EG-Richtlinie streitig, soweit es um die Abgabe von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle auf Seefähren ging, die zwischen Deutschland und Dänemark verkehren. Nach der Entscheidung des EuGH sind Restaurationsumsätze als Dienstleistungen (sonstige Leistungen nach deutschem Recht) i. S. d. jetzt Art. 24 MwStSystRL anzusehen und nicht als Lieferungen i. S. d. jetzt Art. 14 MwStSystRL. Der Ort dieser Dienstleistungen richtete sich bis 31.12.2009 nach dem Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit des leistenden Unternehmers oder einer festen Niederlassung, von wo aus er die Dienstleistung erbringt (Art. 45 MwStSystRL). Danach war eine Restaurationsleistung eines im Inland ansässigen Unternehmers auch dann steuerbar, wenn die Abgabe der Speisen und Getränke tatsächlich im Ausland (auf hoher See) erfolgte. Nach dem EuGH-Urteil ist die Abgabe von Speisen und Getränken zum sofortigen Verzehr das Ergebnis einer Reihe von Dienstleistungen vom Zubereiten bis zum Darreichen der Speisen. Etwas anderes gelte, wenn sich der Umsatz auf Nahrungsmittel zum Mitnehmen beziehe und daneben keine Dienstleistungen erbracht werden, die den Verzehr an Ort und Stelle in einem geeigneten Rahmen entsprechend gestalten sollen. Im Kern hat also der EuGH die Auffassung der meisten EU-Mitgliedstaaten bestätigt, dass Restaurationsumsätze keine Lieferungen, sondern Dienstleistungen sind. Der Streitfall bezog sich zwar auf derartige Umsätze auf Seefähren, die Abgrenzung des EuGH ist aber für alle Restaurationsumsätze gültig.

 

Rz. 5

Im deutschen Umsatzsteuerrecht war die Abgabe von Speisen und Getränken vor Ergehen des EuGH-Urteils immer als Lieferung angesehen worden. Dies ergab sich unmittelbar aus § 12 Abs. 2 Nr. 1 S. 2 und 3 UStG a. F., wonach die Lieferung von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle vom ermäßigten Steuersatz ausgenommen war. Nach der EuGH-Entscheidung musste das deutsche Recht dahin gehend geändert werden, dass Restaurationsumsätze den sonstigen Leistungen i. S. d. § 3 Abs. 9 UStG zuzurechnen sind und daraus folgend alle für sonstige Leistungen geltende Regelungen anwendbar sind. Zugleich wurden alle Regelungen gegenstandslos, die vo...

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