Rz. 67

Die Vorschrift enthält eine Vereinfachungsregel für Kleinstunternehmen, die die Umsatzschwelle nicht überschreiten und auch nicht auf deren Anwendung verzichten. Sie ist gleichzeitig eine Vereinfachung für die Fiskalverwaltung vor dem Hintergrund der Wirtschaftlichkeit. Beides begrenzt den Anwendungsbereich der Regelungen des innergemeinschaftlichen Fernverkaufs (Bagatellgrenze).

 

Rz. 68

Die Vorschrift setzt Art. 59c Abs. 1 MwStSystRL um, der den Schwellenwert für Lieferungen nach Art. 33 (Ort des innergemeinschaftlichen Fernverkaufs sowie des Fernverkaufs aus Drittgebieten) sowie nach Art. 58 (elektronische Dienstleistungen, Telekommunikationsdienstleistungen sowie Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen"TRFE-Leistungen"), bestimmt und auf einen aus innergemeinschaftlichen Fernverkäufen und TRFE-Leistungen zusammengesetzten Gesamtbetrag von 10.000 EUR definiert.

 

Rz. 69

Die Umsatzschwelle nach § 3c Abs. 4 UStG ist ausschließlich auf den innergemeinschaftlichen Fernverkauf nach § 3c Abs. 1 UStG anwendbar und gilt nicht für die nach § 3c Abs. 2 und Abs. 3 UStG geregelten Fälle des Fernverkaufs aus dem Drittland. Eine analoge Anwendung auf diese Fernverkäufe aus dem Drittland über den Wortlaut von § 3c Abs. 4 S. 1 UStG hinaus scheidet wegen des normstrukturellen Zusammenhangs und den durch Art. 59c Abs. 1 MwStSystRL aus.

 

Rz. 70

Die Voraussetzungen der Umsatzschwelle, die zum grundsätzlichen Ausschluss der Anwendbarkeit der Regelungen des innergemeinschaftlichen Fernverkaufs führen, sind nach Art. 59c Abs. 1 MwStSystRL erfüllt, wenn:

  1. Der Lieferer oder Dienstleistungserbringer ist in nur einem Mitgliedstaat ansässig oder hat, in Ermangelung eines Sitzes der wirtschaftlichen Tätigkeit oder einer festen Niederlassung, seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort in nur einem Mitgliedstaat;
  2. Die Dienstleistungen werden an nichtsteuerpflichtige Personen erbracht, die in einem anderen als dem unter Buchst. a genannten Mitgliedstaat ansässig sind, dort ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort haben, oder die Gegenstände werden in einen anderen als den unter Buchst. a genannten Mitgliedstaat geliefert und
  3. der Gesamtbetrag – ohne Mehrwertsteuer – der Lieferungen oder Dienstleistungen nach Buchstabe b überschreitet im laufenden Kalenderjahr nicht 10.000 EUR bzw. den Gegenwert in Landeswährung und hat dies auch im vorangegangenen Kalenderjahr nicht getan.
 

Rz. 71

Wird in einem Kalenderjahr der Schwellenwert überschritten, so gelten ab diesem Zeitpunkt die Regeln des innergemeinschaftlichen Fernverkaufs nach § 3c Abs. 1 UStG.[1] Für das Kalenderjahr 2021 leitet sich wegen des Inkrafttretens der Vorschrift zum 1.7.2021 ab, dass bei der Prüfung der Umsatzschwelle von 10.000 EUR auch die Umsätze vor dem 1.7.2021 herangezogen werden müssen. Sofern Unternehmer in 2020 oder schon im ersten Halbjahr 2021 Waren in andere EU-Mitgliedstaaten an Abnehmer i. S. d. § 3c Abs. 1 UStG für mehr als 10.000 EUR in der Summe aller Mitgliedstaaten geliefert hat (einschl. TRFE-Leistungen), unterliegen alle Lieferungen ab dem 1.7.2021 Ortsbestimmung des § 3c Abs. 1 UStG, soweit dessen weiteren Voraussetzungen erfüllt sind. Für die Beurteilung nach § 3c Abs. 4 S. 1 UStG kommt es darauf an, ob diese Umsätze insgesamt jeweils 10.000 EUR im vorangegangenen Kalenderjahr nicht überschritten haben und im laufenden Kalenderjahr nicht überschreiten.

 
Praxis-Beispiel

Der im Inland ansässige Unternehmer verkauft über seine eigene elektronische Schnittstelle ein Smartphone für 1.000 EUR an eine Privatperson in Österreich. Die Ware wird am 1.8.2021 aus einem inländischen Lager durch einen vom Unternehmer beauftragten Kurierdienstleister zum Kunden nach Österreich transportiert.

Varianten:

  1. Der Unternehmer hat im Kalenderjahr 2020 Waren im Gesamtwert von 50.000 EUR an Privatpersonen in anderen EU-Mitgliedstaaten geliefert.
  2. Der Unternehmer hat in 2020 keine Waren an Privatpersonen in anderen EU-Mitgliedstaaten geliefert. Zwischen dem 1.1.2021 und dem 30.6.2021 hat er für 20.000 EUR an Privatpersonen in anderen EU-Mitgliedstaaten Waren geliefert.
  3. Der Unternehmer hat bisher noch keine Waren an Privatpersonen in anderen EU-Mitgliedstaaten geliefert. Er hat im Kalenderjahr 2020 Privatpersonen aus anderen EU-Mitgliedstaaten den Download von Software im Gesamtwert von 30.000 EUR ermöglicht.
  4. Der Unternehmer hat im Kalenderjahr 2020 Waren für 1.000 EUR und im Kalenderjahr 2021 bis einschließlich zum 30.6.2021 Waren im Gesamtwert von 5.000 EUR an Privatpersonen in anderen EU-Mitgliedstaaten geliefert.

Lösung:

In den Varianten 1. bis 3. werden die Umsatzschwellen von jeweils 10.000 EUR nach § 13 Abs. 4 S. 1 UStG überschritten, weshalb der Ort der Lieferung des Smartphones am 1.8.2021 nach § 3c Abs. 1 UStG in Österreich liegt, weil sich der Gegenstand am Ende der Beförderung oder Versendung dort befindet (Bestimmungsland).

Diese Lieferung ist im Inland nicht steuerbar, sondern nur in Österreich. Deshalb entsteht österreichische Umsatzsteuer, denn der Umsatz ist...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge