1 Inhalt und Zweck der Norm

 

Rz. 1

Mit § 25f UStG hat der Gesetzgeber ab dem 1.1.2020 eine Sanktionsvorschrift geschaffen, die den Umsatzsteuerbetrug in Form des unberechtigten Vorsteuerabzugs und der unberechtigten Geltendmachung der Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen dadurch bekämpfen soll, dass Unternehmern, die in eine Umsatzsteuerhinterziehung oder eine unberechtigte Geltendmachung des Vorsteuerabzugs oder einer Schädigung des Umsatzsteueraufkommens auf einer vorhergehenden oder nachfolgenden Umsatzstufe einbezogen waren, der Vorsteuerabzug oder die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen versagt wird.

 

Rz. 2

§ 25f UStG ist an die Stelle des zum 31.12.2019 aufgehobenen § 25d UStG getreten, der seit dem 1.1.2002 eine Haftung der an Umsatzsteuerbetrügereien wissentlich beteiligten Personen vorsah. Diese Vorschrift hatte sich aber in der Praxis nicht bewährt, weil sich die subjektiven Voraussetzungen der Haftung nur selten nachweisen ließen.[1]

 

Rz. 3

Mit der Versagung der Steuerbefreiung und des Vorsteuerabzugs will die Norm nach der Regierungsbegründung verhindern, dass es zur Auszahlung von unberechtigten Vorsteuerüberschüssen kommt – das ist das Ziel der betrügerischen Karussellgeschäfte, die sich seit 1993 die Regeln des Binnenmarktregimes ohne physische Grenzkontrollen zunutze machen.[2]

Ob das in der Praxis erreicht werden wird, erscheint eher zweifelhaft, denn die Erfahrung zeigt, dass die Kontrollen durch die Verwaltung oft zu spät kommen, denn die unberechtigten Vorsteuerauszahlungen und die fingierten innergemeinschaftlichen Lieferungen sind oft durch legale Geschäfte versteckt und nicht ohne Weiteres erkennbar. Das machte z. B. die Betrügereien im Zusammenhang mit CO2-Zertifikaten möglich. Es kommt hinzu, dass die vorgesehene Versagung nicht kraft Gesetzes gilt, sondern immer erst durch eine Finanzbehörde ausgesprochen werden muss.[3]

 

Rz. 4

Damit hängt der Vollzug der Norm davon ab, ob eine zuständige Finanzbehörde überhaupt davon erfährt, dass es zu einer Umsatzsteuerhinterziehung gekommen ist. Angesichts der vermuteten hohen Dunkelziffer ist anzunehmen, dass es damit um den gleichmäßigen Vollzug der Norm eher schlecht bestellt sein wird. Womöglich droht hier ein anhaltendes strukturelles Vollzugsdefizit, dass nach den dafür vom BVerfG zur damaligen Zinsbesteuerung aufgestellten Grundsätzen[4] die Verfassungsmäßigkeit der Norm infrage zustellen sein könnte wegen der Verfehlung der gebotenen Rechtsanwendungsgleichheit durch die Verwaltung. Bisher gibt es keine Verwaltungsentscheidungen z. B. in Form eines BMF-Schreibens zu § 25f UStG.

[1] So die Regierungsbegründung zu § 25f UStG in BT-Drs. 19/13436 v. 23.9.2019.
[2] S. dazu Kemper, UR 2017, 449; ders., in UmsatzsteuerForum/ BMF, 100 Jahre Umsatzsteuer in Deutschland, 2018, 749ff.; Widmann, UR 2016, 506; Ismer/Schwarz, MwStR 2019, 348.
[3] So auch Sterzinger, UR 2020, 1.
[4] BVerfG v. 27.6.1991, 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239; BVerfG v. 9.3.2004, 2 BvL 17/02, Haufe-Index 1120941. S. dazu Seer, in Widmann (Hrsg.), Steuervollzug im Rechtsstaat, DStjG Bd. 31, 2008, 7ff. Zu möglichen Vollzugsdefiziten bei der Umsatzsteuer s. Widmann, in Seer (Hrsg.), Umsatzsteuer im Europäischen Binnenmarkt, DStjG Bd. 32, 2009, 103.

2 Entstehungsgeschichte

 

Rz. 5

§ 25f UStG ist durch Art. 12 Nr. 18 des Gesetzes vom 12.12.2019[1] in das UStG eingefügt worden. Er gilt gem. Art. 39 Abs. 2 dieses Gesetzes ab dem 1.1.2020.

 

Rz. 6

Das ist deshab nicht unproblematisch, weil die Norm im Wesentlichen auf der inzwischen ständigen Rechtsprechung des EuGH[2] beruht, wonach den an betrügerischen Machenschaften wissentlich beteiligten Unternehmern der Vorsteuerabzug oder die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung zu versagen ist.[3] Weil alle Organe der EU-Mitgliedstaaten verpflichtet sind, die Rechtsprechung des EuGH zu befolgen, muss die Versagung des Vorsteuerabzugs oder der Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen auch bereits für Fälle ausgesprochen werden, die sich vor dem 1.1.2020 ereignet haben. Dazu sei auf das BFH-Urteil vom 10.7.2019[4] verwiesen, in dem der BFH unter Bezugnahme auf die hier zitierten Urteile des EuGH Folgendes gesagt hat:" Außerdem ist – unabhängig von der Erfüllung formeller Rechnungsanforderungen – das Recht auf Vorsteuerabzug auch zu versagen, wenn aufgrund der objektiven Sachlage feststeht, dass dieses Recht in betrügerischer Weise oder missbräuchlich geltend gemacht wird."

 

Rz. 7

Insofern entfaltet diese Kodifizierung der EuGH-Rechtsprechung eine Rückwirkung, die sich mit der Inkrafttretensvorschrift des Art. 39 Abs. 2 des Gesetzes vom 12.12.2019 nicht verträgt. Es kann aber nicht zweifelhaft sein, dass hier der Vorrang des Unionsrechts in der Ausprägung der EuGH-Rechtsprechung auch schon für die Zeit vor dem 1.1.2020 greift.

 

Rz. 8

Die Regierungsbegründung[5] setzte sich mit diesen Fragen nicht auseinander, sondern beschränkte sich auf diesen Satz:

"Im Interesse einer einheitlichen und praxisgerechten Rechtsanwendung wird mit der Regelung die vorliegen...

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