Rz. 150

Ist die Forderung bereits erfüllt, kann sie grundsätzlich nicht uneinbringlich sein.[1] Ist das bereits gezahlte Entgelt ganz oder teilweise zurückgezahlt, kann es insoweit uneinbringlich werden. Zahlt z. B. ein Gläubiger des Insolvenzschuldners Beträge, die er vor Insolvenzeröffnung vom Insolvenzschuldner vereinnahmt hat, nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens infolge einer erfolgreichen Insolvenzanfechtung in die Insolvenzmasse zurück, hat der Insolvenzverwalter im Zeitpunkt der Rückzahlung gem. § 17 Abs. 1 S. 2 i. V. m. Abs. 2 Nr. 1 S. 2 UStG den Vorsteuerabzug zu berichtigen.[2] Die Berichtigung führt zur Entstehung einer Masseverbindlichkeit i. S. d. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO.[3] Masseverbindlichkeiten sind gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO die Verbindlichkeiten, die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise, d. h. nicht durch eine Handlung des Insolvenzverwalters, durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören. Voraussetzung einer Masseverbindlichkeit i. S. d. § 55 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 InsO ist stets, dass die Verbindlichkeit durch die Insolvenzverwaltung ausgelöst wird oder mindestens einen (sonstigen) Bezug zur Insolvenzmasse aufweist.[4] Nach § 55 Abs. 4 InsO gelten Umsatzsteuerverbindlichkeiten des Insolvenzschuldners, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter oder vom Schuldner mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters oder vom Schuldner nach Bestellung eines vorläufigen Sachwalters begründet worden sind, nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeit. Zur Anwendung der Vorschrift, auch mit Blick auf § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 UStG vgl. BMF-Schreiben v. 11.1.2022.[5] Für die Berichtigung des Vorsteuerabzugs infolge erfolgreicher Insolvenzanfechtung ist unerheblich, ob der insolvenzrechtliche Rückgewähranspruch ein originär gesetzlicher Anspruch ist.[6] Wird eine vom Insolvenzschuldner vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens geleistete Entgeltzahlung für eine bezogene Leistung erfolgreich nach §§ 129ff. InsO vom Insolvenzverwalter angefochten und das Entgelt zurückgezahlt, ist der Vorsteuerabzug gem. § 17 Abs. 2 Nr. 1 S. 2 UStG zu berichtigen. Die Berichtigung des Vorsteuerabzugs ist nach der Verwaltungsauffassung im Zeitpunkt der tatsächlichen Entgeltrückgewähr an den Insolvenzverwalter vorzunehmen und nicht bereits bei Entstehung des zivilrechtlichen Anspruchs auf Rückgewähr. Denn erst mit der Rückzahlung des Entgelts wird dieses nachträglich uneinbringlich, sodass der den Umsatzsteueranspruch begründende Tatbestand erst zu diesem Zeitpunkt eintreten kann. Da sich die Abgrenzung zwischen Insolvenzforderungen und Masseverbindlichkeiten danach bestimmt, ob der den Anspruch begründende Tatbestand vor oder nach Insolvenzeröffnung vollständig verwirklicht und abgeschlossen ist, entsteht der Anspruch auf Berichtigung des Vorsteuerabzugs infolge der Rückgewähr einer insolvenzrechtlich angefochtenen Entgeltzahlung gem. § 17 Abs. 2 Nr. 1 S. 2, Abs. 1 S. 2 UStG regelmäßig im Rahmen der Masseverwaltung und erhöht die gem. § 55 Abs. 1 S. 1 InsO als Masseverbindlichkeit festzusetzende Umsatzsteuerjahresschuld, welche gegenüber dem Insolvenzverwalter geltend zu machen ist.[7] Ist das Entgelt teilweise entrichtet, so kann die Forderung nur für den anderen Teil uneinbringlich werden. Bei Leistung des Entgelts durch einen Dritten ist insoweit auch keine Uneinbringlichkeit gegeben.[8]

Seit der durch den BFH[9] geänderten Rechtsprechung ist bei Steuervergütungsfestsetzungen[10], die auf einem Steuerberichtigungsanspruch nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 1 S. 1 UStG beruhen, entscheidend, "wann der materiell-rechtliche Berichtigungstatbestand" verwirklicht wird. Bei einem derartigen Vergütungsanspruch aufgrund von Uneinbringlichkeit kommt es daher darauf an, ob die Uneinbringlichkeit vor oder nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingetreten ist. Erst mit der Uneinbringlichkeit sind die materiell-rechtlichen Tatbestandsvoraussetzungen für die Entstehung eines darauf beruhenden Berichtigungsanspruchs, der zu einer Steuervergütung führen kann, erfüllt. Der Zeitpunkt der Abgabe der Steueranmeldung oder des Erlasses eines Steuerbescheides, in dem der Berichtigungsfall erfasst wird, ist unerheblich. Bezieht sich ein Berichtigungsanspruch nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 S. 1 und Abs. 1 S. 1 UStG auf Entgelte für steuerpflichtige Leistungen, die der Unternehmer vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen erbracht hatte, wurden diese Entgelte nach ständiger BFH-Rechtsprechung bereits mit und dabei eine juristische Sekunde vor der Verfahrenseröffnung aus Rechtsgründen uneinbringlich.[11] Da ein derart bereits uneinbringlich gewordenes Entgelt nicht nochmals uneinbringlich werden kann, kommt es auf nach der Insolvenzeröffnung eintretende (tatsächliche) Zahlungsausfälle in Bezug auf die gegen die Leistungsempfänger des Insolvenzschuldners gerichteten Entgeltforderungen nic...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge