Rz. 124

Die Änderung der Bemessungsgrundlage setzt die Steuerpflicht des Umsatzes voraus (Rz. 22). Wird ein steuerpflichtiger Umsatz rückwirkend steuerfrei oder ein steuerfreier Umsatz nachträglich steuerpflichtig, kann deshalb § 17 Abs. 1 UStG nicht unmittelbar angewendet werden. § 17 Abs. 1 S. 8 UStG enthält jedoch einen gesetzlichen Regelungsplan bzw. einen über den Wortlaut der Vorschrift hinausgehenden allgemeinen Grundgedanken, demzufolge "nachträgliche Ereignisse", wie die Änderung der Bemessungsgrundlage und die Rechnungsberichtigung, sich nicht auf die Besteuerungszeiträume, in denen die Leistungen ausgeführt worden sind, auswirken soll. Vielmehr ist der Ausgleich im laufenden Besteuerungszeitraum vorzunehmen.[1]

 

Rz. 125

Als Anwendungsfälle kommen vor allem die Option nach § 9 UStG zur Steuerpflicht bzw. umgekehrt der Verzicht auf die Steuerbefreiung in Betracht. Die Erklärung zur Option nach § 9 UStG (sowie die Rücknahme dieser Option) sind zulässig, solange die Steuerfestsetzung für das Jahr der Leistungserbringung anfechtbar oder aufgrund eines Vorbehalts der Nachprüfung nach § 164 AO noch änderbar ist[2] (s. aber die Einschränkung durch § 9 Abs. 3 UStG) und wirkt der Verzicht auf die Steuerbefreiung auf den Zeitpunkt des Umsatzes zurück. Wegen des in § 17 Abs. 1 S. 8 UStG zum Ausdruck gekommenen Regelungsplans ist diese Vorschrift auch auf diesen Fall anzuwenden, und zwar unter Vorrang vor § 164 Abs. 2 und § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO (Rz. 25). Ob die vom BFH gezogenen Grenzen des Ablaufs der Festsetzungsfrist bzw. der Bestandskraft der Steuerfestsetzung einer Berichtigung entgegenstehen können, erscheint zweifelhaft. Gerade in der Verlagerung der Änderung in die Gegenwart steckt der übergreifende Grundgedanke des § 17 Abs. 1 S. 8 UStG. Eine Vermengung des materiellen Steuerschuldrechts mit dem Verfahrensrecht[3] ist nicht der richtige Weg, Missbräuchen entgegenzuwirken. Entsprechendes wie für den Verzicht auf die Steuerbefreiung muss auch für die Rücknahme des Verzichts gelten.

 

Rz. 126

§ 17 Abs. 1 UStG ist aber auch in anderen Anwendungsfällen des Wechsels zwischen Steuerfreiheit und Steuerpflicht sowie umgekehrt entsprechend anzuwenden. Das gilt z. B., wenn Buch- und Belegnachweise der Steuerfreiheit eines Umsatzes erst nachträglich erbracht werden können (und ansonsten bei Fehlen der Nachweise grundsätzlich davon auszugehen wäre, dass die Voraussetzungen der Steuerbefreiung nicht erfüllt sind), wie z. B. der Nachweis für die Voraussetzungen der Steuerbefreiung nach § 4a UStG (§ 4a Abs. 1 Nr. 7 UStG), der Ausfuhrnachweis und der Buchnachweis für steuerfreie Ausfuhrlieferungen (§ 6 Abs. 4 S. 1 UStG), der Nachweis der Voraussetzungen für eine innergemeinschaftliche Lieferung, der Ausfuhrnachweis und der Buchnachweis für die steuerfreie Lohnveredelung an Gegenständen der Ausfuhr (§ 7 Abs. 4 S. 1 UStG) sowie der Nachweis für die Steuerfreiheit der Umsätze für die Seeschifffahrt und die Luftfahrt (§ 8 Abs. 3 UStG).

 

Rz. 126a

Ein andere Fragestellung für eine etwaige Änderung gem. § 17 UStG ist bei Änderungen zur Anwendbarkeit der abweichenden Steuerschuldnerschaft des Bauträgers gem. § 13b UStG zu finden. Nachdem die Verwaltung zunächst in den UStR und danach im UStAE den Bauträger als Steuerschuldner angesehen hatte, der Bauleistungen für die Errichtung und den Verkauf von Wohnungen bezogen hatte, hatte der BFH diese Ansicht für unzutreffend erklärt.[4] Als Bauträger die Rückgängigmachung der von ihnen – ohne Vorsteuerabzug – vorgenommenen Versteuerung verlangten, hatte die Verwaltung versucht, die leistenden Bauunternehmer für die USt in Anspruch zu nehmen. Dies war an § 176 Abs. 2 AO gescheitert. Daraufhin hatte der Gesetzgeber durch eine Neuregelung in § 27 Abs. 19 UStG versucht, eine Regelung zu finden, indem die frühere unzutreffende Festsetzung geändert wird, soweit der Leistungsempfänger die Erstattung der USt fordert. § 176 AO wird ausdrücklich ausgeschlossen.[5] Als Korrektur wurde vorgesehen, dass der leistende Unternehmer an das FA den ihm gegen den Leistungsempfänger zustehenden Anspruch auf Zahlung der gesetzlich geschuldeten USt abtritt. Der BFH hat diese gesetzliche Regelung im Grundsatz gebilligt.[6] Der BFH geht davon aus, aus einer einschränkenden Auslegung des § 27 Abs. 19 S. 1 UStG sei abzuleiten, dass sich aus dem in der Vorschrift genannten Erstattungsverlangen des Leistungsempfängers auch ergibt, dass dem Leistenden gegen den Leistungsempfänger ein Anspruch auf Erstattung der zu zahlenden Steuer als Voraussetzung für die Änderungsbefugnis gem. § 27 Abs. 19 S. 1 UStG zustehe. Dieses ergäbe sich auch aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes. Das FA hat danach eine Abtretung nach § 27 Abs. 19 S. 3 UStG auch dann anzunehmen, wenn der Steueranspruch bereits durch Zahlung getilgt war, ohne dass es auf die Rechnung mit gesondertem USt-Ausweis ankommt. Nachdem der BFH in einer Aussetzungssache für zweifelhaft gehalten hatte, ob der Steueranspruch gegen den Bauleistenden nicht zugleich i. S. d. §...

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