Rz. 9

Die Änderung der Bemessungsgrundlage hatte in der 6. EG-Richtlinie und hat in der MwStSystRL jeweils eine zweigeteilte Grundlage. Zum einen wurde bzw. wird in beiden Richtlinien die Berichtigung des geschuldeten Steuerbetrags und zum anderen die Berichtigung des Vorsteuerabzugs geregelt. Art. 90 Abs. 1 MwStSystRL (ebenso zuvor Art. 11 C Abs. 1 6. EG-Richtlinie) behandelt die Fälle der Annulierung, der Rückgängigmachung und des Preisnachlasses nach dem Bewirken des Umsatzes und lässt die Steuerbemessungsgrundlage "unter den von den Mitgliedstaaten festgelegten Bedingungen" vermindern. Abs. 2 der Vorschrift erlaubt den Mitgliedstaaten Abweichungen. Eine besondere Regelung enthält Art. 92 MwStSystRL (ebenso früher Art. 11 C Abs. 3 6. EG-Richtlinie) für die Kosten zurückzugebender Warenumschließungen.

 

Rz. 10

Die Mitgliedstaaten haben danach einen weit gespannten Entscheidungsspielraum für ihre nationalen Regelungen. Entsprechendes gilt für die Berichtigung des Vorsteuerabzugs. Art. 184 und 185 MwStSystRL (zuvor Art. 20 Abs. 1 6. EG-Richtlinie) enthalten die Grundlagen für diese Vorsteuerberichtigung. Aus Art. 186 MwStSystRL ergibt sich der weite Entscheidungsspielraum für die Mitgliedstaaten. Ergeben sich in solchen Fällen durch unterschiedliche Umsetzungen in zwei Mitgliedsländern unterschiedliche Behandlungen, die sich widersprechen, wie z. B. bei einer Änderung der Bemessungsgrundlage, so ist diese nach Auffassung des EuGH[1] hinzunehmen. Das gilt auch, wenn insgesamt keine zutreffende Belastung mit USt eintritt. Der EuGH hat sich in der Vergangenheit bereits mehrfach mit den Möglichkeiten der Mitgliedstaaten befasst, Voraussetzungen zur Umsetzung von Art. 90 Abs. 1 MwStSystRL aufzustellen und von dieser Bestimmung im Einklang mit Art. 90 Abs. 2 MwStSystRL abzuweichen. Er hat entschieden, dass die Möglichkeit der Mitgliedstaaten zur Regelung von Abweichungen gemäß Art. 90 Abs. 2 MwStSystRL nicht unbegrenzt ist. Obwohl Art. 90 Abs. 2 MwStSystRL den Mitgliedstaaten nicht ausdrücklich die Grenzen der Abweichung von der allgemeinen Regelung des Art. 90 Abs. 1 MwStSystRL vorschreibt, können diese Grenzen aus den allgemeinen Grundsätzen abgeleitet werden. Art. 90 Abs. 1 MwStSystRL ist Ausdruck des fundamentalen Grundsatzes, nach dem die Bemessungsgrundlage die tatsächlich erhaltene Gegenleistung ist. Folge dieses Grundsatzes ist, dass die Finanzbehörde als MwSt keinen Betrag erheben darf, der den an den Unternehmer gezahlten Betrag übersteigt.[2] Allerdings kann sich der Unternehmer im Fall der Nichtbezahlung des Preises nicht auf ein Recht zur Minderung der Steuerbemessungsgrundlage gemäß Art. 90 Abs. 1 MwStSystRL berufen, wenn der betreffende Mitgliedstaat von der Ausnahme nach Art. 90 Abs. 2 MwStSystRL Gebrauch machen wollte.[3] Dieser Schluss beruht vor allem auf der Erwägung, dass der Schuldner im Falle der gänzlichen oder teilweisen Nichtbezahlung der vereinbarten Gegenleistung weiterhin verpflichtet ist, diese zu zahlen, und der Gläubiger damit über eine Forderung verfügt, deren Begleichung er vor Gericht geltend machen kann. Während ein Rücktritt vom Vertrag oder dessen Annullierung den Wegfall der Forderung zur Folge hat, ist dies im Falle der Nichtbezahlung nicht so. Auch steht Art. 90 MwStSystRL einer nationalen Regelung entgegen, nach der die Minderung der Bemessungsgrundlage davon abhängig ist, dass der Schuldner am Tag des Bewirkens des Umsatzes an ihn sowie am Tag vor der Abgabe der Berichtigung der Steuererklärung zur Geltendmachung der Minderung der Bemessungsgrundlage als mehrwertsteuerpflichtig registriert ist, er sich weder in einem Insolvenzverfahren noch in der Liquidation befindet und der Gläubiger am Tag vor der Abgabe der Berichtigung der Steuererklärung selbst weiterhin als mehrwertsteuerpflichtig registriert ist.[4]

Der EuGH hat auch seine Rechtsprechung bestätigt, wonach die Berichtigung der Bemessungsgrundlage nach Art. 90 MwStSystRL und die Berichtigung des Vorsteuerabzugs nach den Art. 184-186 MwStSystRL unterschiedlichen Voraussetzungen unterliegen. Eine fehlende Berichtigung der geschuldeten MwSt auf der Ausgangsseite stellt das Recht der Steuerverwaltung auf Rückforderung des Vorsteuerabzugs auf der Eingangsseite nicht infrage. In einem Rabattfall ist der ursprüngliche Vorsteuerabzug zu berichtigen, sodass der Betrag dieses Vorsteuerabzugs durch diese Änderung letztlich dem Betrag entspricht, zu dessen Vornahme der Steuerpflichtige berechtigt gewesen wäre, wenn diese Änderung ursprünglich berücksichtigt worden wäre.[5] Der EuGH verweist auf die unterschiedlichen Regelungen in den Art. 184 und 185 MwStSystRL einerseits und in Art. 185 MwStSystRL andererseits. Nach Art. 184 MwStSystRL ist der ursprüngliche Vorsteuerabzug zu berichtigen, wenn er höher oder niedriger ist als der, zu dessen Vornahme der Unternehmer berechtigt war. Nach Art. 185 Abs. 1 MwStSystRL besteht diese Verpflichtung insbesondere dann, wenn sich die Faktoren, die bei der Bestimmung des Vorsteuerabzugsbetrags be...

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