Rz. 232

Aus dem Innenverhältnis zwischen Gesellschafter und Gesellschaft können sich eine Reihe von Kosten (Vorumsätze) ergeben, deren Zuordnung zum Gesellschafterbereich einerseits und dem Gesellschaftsbereich andererseits zweifelhaft sein kann. Häufig werden solche Kosten vom Gesellschafter persönlich verauslagt, sind aber durch seine Mitunternehmertätigkeit verursacht. Dabei entsteht die Frage, ob wegen der besonderen einkommensteuerlichen Behandlung solcher Aufwendungen auch beim Vorsteuerabzug eine Sonderbehandlung zulässig ist.

 

Rz. 233

Umsatzsteuerlich sind Personenvereinigungen jeder Art und deren Gesellschafter oder Mitglieder streng voneinander zu trennen. Personenvereinigungen und Mitglieder können jeweils für sich ein Unternehmer sein und auch Leistungen untereinander erbringen. Unternehmereigenschaft und Steuerbarkeit einer Leistung sind nach den allgemeinen Grundsätzen zu beurteilen. An diese Beurteilung knüpft die evtl. Berechtigung zum Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 UStG an. Umsatzsteuerlich ist der Sachzusammenhang, der für die Berücksichtigung als Sonderbetriebsausgaben bei der einheitlichen Feststellung der Einkünfte von Bedeutung ist, ohne Belang. Die gegenteilige Ansicht von Stadie[1] hat sich bisher zu Recht nicht durchgesetzt, denn die Trennung von Gesellschaft und Gesellschafter ist notwendig, wenn man zu klaren Ergebnissen auch bei den Fragen des Leistungsaustauschs kommen will. Nur der jeweilige umsatzsteuerliche Leistungsempfänger ist zum Vorsteuerabzug berechtigt, wenn er die übrigen Voraussetzungen des § 15 UStG erfüllt. Die Personenvereinigung kann deshalb einen Vorsteuerbetrag, der auf einer von einem Dritten an den Gesellschafter erbrachten Leistung ruht, nicht abziehen.[2] Die Beurteilung, ob unmittelbare Leistungen an die Personenvereinigung vorliegen, richtet sich regelmäßig nach den Angaben in der Rechnung.[3] Obwohl der Vorsteuerabzug grundsätzlich eine auf den Namen des Leistungsempfängers lautende Rechnung voraussetzt, beanstandet die Verwaltung eine andere Rechnungsadresse nicht, wenn aus dem übrigen Inhalt der Rechnung oder aus anderen Urkunden, auf die in der Rechnung hingewiesen wird[4], Name und Anschrift des umsatzsteuerlichen Leistungsempfängers hervorgehen, so z. B. wenn die Rechnung auf den Namen des Personengesellschafters ausgestellt ist, obwohl an die Personengesellschaft geleistet wurde.[5]

 

Rz. 234

Diese h. M. wurde durch das Vorabentscheidungsersuchen des BFH v. 20.2.2013[6] infrage gestellt. Der XI. Senat stellte, nachdem seine Abweichungsanfrage an den V. Senat von diesem mit Beschluss v. 6.12.2012[7] ablehnend beantwortet wurde, dem EuGH die Frage, ob ein Gesellschafter, der von einer (Steuerberatungs-)Gesellschaft, an der er beteiligt war, einen Mandantenstamm entgeltlich erworben hat, und den er der neuen Gesellschaft unentgeltlich überlässt, zum Vorsteuerabzug aus der Rechnung der früheren Gesellschaft berechtigt ist. Der XI. Senat wollte das wegen des Neutralitätsgrundsatzes bejahen. Er beruft sich dazu insbesondere auf das EuGH-Urteil v. 1.3.2012.[8] Danach kommt der Vorsteuerabzug einer Gesellschaft aus Bezügen in Betracht, die ein Gesellschafter an ihrer Stelle im Gründungsstadium vornimmt. Mit Urteil v. 13.3.2014[9] hat der EuGH entschieden, dass der Gesellschafter in derartigen Fällen den Vorsteuerabzug nicht geltend machen kann, denn er habe den Mandantenstamm nicht für eine wirtschaftliche Betätigung erworben, da er ihn seiner neuen Gesellschaft unentgeltlich zur Verfügung stellte. Der BFH hat in seinem Folgeurteil v. 26.8.2014[10] ohne weitere eigene Begründung ebenso entschieden.

 

Rz. 235

Lieferungen und sonstige Leistungen, die der Gesellschafter oder das Mitglied einer Personenvereinigung im eigenen Namen und für eigene Rechnung in Anspruch nimmt, scheiden für den Vorsteuerabzug der Vereinigung aus. Sie sind i. d. R. dem privaten Bereich zuzuordnen, es sei denn, es handelt sich um Vorumsätze, die einem anderen vom Gesellschafter betriebenen Unternehmen zuzurechnen sind. Als Leistungen an Gesellschafter kommen in diesem Zusammenhang vor allem infrage: die Anschaffung von langlebigen Wirtschaftsgütern (Pkw, Gebäude), die Aufwendungen für die Unterhaltung und Nutzung derselben, die Inanspruchnahme von sonstigen Leistungen (z. B. Rechts- und Steuerberatung für die Erfüllung einkommensteuerlicher Verpflichtungen ihrer Gesellschafter[11]) und dgl.[12] Der BFH hat im Urteil v. 23.9.2009[13] diese Grundsätze bestätigt in einem Fall, in dem eine Grundstücksgemeinschaft den Vorsteuerabzug aus Modernisierungskosten geltend macht, die ein Mitglied der Gemeinschaft nur im eigenen Namen in Auftrag gegeben hatte. Entgegen dem FG Berlin-Brandenburg[14] lehnt es der BFH ausdrücklich ab, das Urteil des EuGH v. 21.4.2005 (Rz. 247) in dem Sinne umzukehren, dass die Gemeinschaft aus einer nur an ein Mitglied der Gemeinschaft gerichteten Rechnung den Vorsteuerabzug geltend machen kann.

 
Praxis-Beispiel
  1. Ein Rechtsanwalt, Mitglied einer Anwaltsgemeinschaft, erwirbt e...

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