Rz. 24

Nach dem Einleitungssatz von § 15 Abs. 1 UStG kann der Unternehmer Vorsteuern abziehen. Die erste materielle Voraussetzung für den Vorsteuerabzug ist somit die Unternehmereigenschaft dessen, der den Vorsteuerabzug geltend machen möchte. Wer Unternehmer ist, bestimmt die Legaldefinition des § 2 UStG; der dortige Unternehmerbegriff ist selbstverständlich auch maßgebend in § 15 UStG. Häufig wird allein wegen des Vorsteuerabzugs um die Unternehmereigenschaft oder den Umfang der wirtschaftlichen Tätigkeit gestritten.[1]

 

Rz. 24a

Vor allem bei der öffentlichen Hand sowie bei Vereinen kommt es deshalb bei Prozessen um den Vorsteuerabzug zu Urteilen, die den Schwerpunkt bei § 2 UStG haben.[2] Ebenso ist es bei den zahlreichen Entscheidungen zum Vorsteuerabzug bei Holdinggesellschaften.[3]

 

Rz. 24b

Im Urteil vom 8.11.2018[4] hat der EuGH entschieden, dass es für eine geplante, aber nicht ausgeführte Veräußerung von Aktien einer Enkelgesellschaft für die Besitzgesellschaft gem. Art. 2, Art. 9 Abs. 1 und Art. 168 MwStSystRL keinen Vorsteuerabzug gibt, weil das bloße Innehaben einer Beteiligung keine wirtschaftliche Tätigkeit darstellt, die in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fällt.

 

Rz. 24c

Ein instruktives Beispiel für den häufig festzustellenden Drang zum Vorsteuerabzug ist das Urteil des BFH v. 8.9.2022[5]: Eine als geschäftsführende, komplementär agierende GmbH einer GmbH & Co KG erwarb in einem Jahr zwei Fahrzeuge zum Preis v. ca. 320.000 EUR zzgl. ca. 60.000 EUR USt sowie v. ca. 125.000 EUR zzgl. ca. 24.000 EUR USt. Die Fahrzeuge wurden nicht angemeldet und nicht genutzt, sondern verschlossen und abgedeckt in einer Halle gelagert. Es gab keinerlei Aktivitäten zur Veräußerung der Fahrzeuge, obschon die GmbH gegenüber dem Finanzamt angab, die Fahrzeuge mit der Absicht eines gewinnbringenden Wiederverkaufs erworben zu haben und daher den Vorsteuerabzug geltend machte.

Anders als das FG Baden-Württemberg[6] versagte der BFH den Vorsteuerabzug aus dem Erwerb der Fahrzeuge, da die GmbH mit dem Erwerb der Fahrzeuge keine wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt habe; es liege nur eine Vermögensverwaltung vor, denn die bloße Absicht des Wiederverkaufs ohne aktive Bemühungen zur Umsetzung dieser Absicht begründe keine eigenständige wirtschaftliche Tätigkeit.

 

Rz. 25

Von besonderer Bedeutung für den Vorsteuerabzug ist insbesondere die Frage, wann die Unternehmereigenschaft beginnt oder endet, weil der Vorsteuerabzug nach dem Wortlaut von § 15 Abs. 1 UStG nicht von der Ausführung von Umsätzen abhängt. Allerdings muss der Unternehmer auch nach § 15 Abs. 1 UStG ein Unternehmen betreiben; ein Unternehmen ohne jegliche Umsätze kann es nach dem Zusammenhang von § 2 UStG, § 1 und § 15 UStG aber nicht geben.

 

Rz. 26

Problematisch sind deshalb z. B. die Fälle, in denen eine Tätigkeit, die zu Umsätzen und damit zu einer unternehmerischen Betätigung hinführen soll, im Versuchs- oder Vorbereitungsstadium stecken bleibt, wenn also trotz einer Beteiligung des Betroffenen am wirtschaftlichen Verkehr unabsichtlich letztlich keine Umsätze zustande kommen (Rz. 158ff.). Ebenso gibt es Schwierigkeiten mit der Unternehmereigenschaft, wenn noch nach einer Einstellung der unternehmerischen Betätigung Vorsteuern anfallen (Rz. 167). An diesen Beispielen zeigt sich, dass wegen des Vorsteuerabzugs die USt schon oder noch mit wirtschaftlichen Vorgängen befasst ist, die keine Umsätze i. S. v. § 1 Abs. 1 UStG darstellen.

 

Rz. 26a

Der EuGH verlangt, dass der Steuerpflichtige "als solcher handelt", wenn er den Vorbezug tätigt. Das hielt er auch in einem Fall für möglich, in dem eine Gemeinde ein Gebäude errichtete, aber keine ausdrückliche Zuordnungsentscheidung zu ihrem Unternehmen hinsichtlich dieses Gebäudes traf, das zunächst nur für nicht wirtschaftliche Zwecke, sprich hoheitlich, verwendet wurde. Als die Gemeinde nach vier Jahren das Gebäude teilweise steuerpflichtig vermietete und daher den Vorsteuerabzug anteilig geltend machte, billigte der EuGH der Gemeinde die nachträgliche Darlegung zu, sie habe schon bei der Anschaffung des Gebäudes als Steuerpflichtige gehandelt.[7]

 

Rz. 26b

Das geht sehr weit und kann nicht überzeugen (Rz. 56a ff.); letztlich hat der EuGH damit für geschickt argumentierende Steuerpflichtige den Weg zur Einlagenentsteuerung frei gemacht, die es bisher nicht gibt. Die rückwirkende Zuordnungsentscheidung widerspricht dem Prinzip des Sofortabzugs, das der BFH in seinen Urteilen v. 7.7.2011 heranzog, als er verlangte, dass die Zuordnungsentscheidung – und damit die Dokumentation des Handelns als Steuerpflichtiger – bis spätestens zum 31.5. des der Anschaffung folgenden Jahres zu erklären ist (Rz. 170a).[8]

 

Rz. 27

Auf sog. Kleinunternehmer, für deren Umsätze gem. § 19 Abs. 1 UStG die geschuldete USt nicht erhoben wird, finden die Vorschriften über den Vorsteuerabzug keine Anwendung.[9] Das gilt auch dann, wenn diese Unternehmer in unzulässiger Weise USt in ihren Rechnungen ausweisen und die Steuer deshalb gem. § 14c Abs. 2 UStG zusätzlic...

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