Rz. 106a

Im Mittelpunkt der Strategie der EU-Kommission seit Beginn der 2000er-Jahre standen Vereinfachung, Modernisierung, einheitlichere Anwendung der geltenden Regelungen sowie eine verstärkte Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden.[1] Die EU-Kommission konzentrierte ihre Kräfte darauf, die Besteuerung nach dem derzeitigen MwSt-System (der "Übergangsregelung") möglichst praktikabel und einfach zu gestalten und den Umsatzsteuerbetrug zu bekämpfen.

 

Rz. 106b

Hierzu hatte die EU-Kommission am 1.12.2010 ein "Grünbuch über die Zukunft der MwSt" mit dem Untertitel "Wege zu einem einfacheren, robusteren und effizienteren MwSt-System" veröffentlicht. Als Konsequenz aus den Stellungnahmen der EU-Mitgliedstaaten und der Wirtschaftsverbände zu diesem Grünbuch machte die EU-Kommission in ihrer Mitteilung v. 7.12.2011[2] Vorschläge zur Verbesserung des MwSt-Systems in der EU auf der Basis der sog. Übergangsregelung. Hinsichtlich der MwSt-Sätze plante die EU-Kommission zur Steigerung der Effizienz des MwSt-Systems eine Reduzierung der ermäßigten Steuersätze. Sie hatte am 8.10.2012 eine Überprüfung der Struktur der MwSt-Sätze eingeleitet und wollte anschließend nach umfassender Konsultation mit Interessengruppen und EU-Mitgliedstaaten bis Ende des Jahres 2013 entsprechende Vorschläge vorlegen.

 

Rz. 106c

Die Überprüfung der Struktur der MwSt-Sätze basierte auf folgenden Leitlinien der EU-Kommission:

  • Abschaffung der ermäßigten MwSt-Sätze, die ein Hindernis für das reibungslose Funktionieren des EU-Binnenmarkts darstellen. Früher gerechtfertigte ermäßigte Steuersätze könnten heute verzerrende Auswirkungen haben, da sich die wirtschaftlichen, unternehmerischen und rechtlichen Rahmenbedingungen mittlerweile geändert haben.
  • Abschaffung von ermäßigten MwSt-Sätzen für Gegenstände und Dienstleistungen, deren Konsum bzw. Inanspruchnahme durch andere Maßnahmen auf EU-Ebene verhindert werden soll. Dies kann insbesondere bei Gegenständen und Dienstleistungen in Betracht kommen, die sich schädlich auf Umwelt, Gesundheit und Gemeinwohl auswirken.
  • Besteuerung vergleichbarer Gegenstände und Dienstleistungen mit demselben MwSt-Satz und Berücksichtigung des technologischen Fortschritts, sodass das Problem der Konvergenz zwischen Online-Umfeld und realem Umfeld thematisiert wird.
 

Rz. 106d

Am 7.4.2016 hatte die EU-Kommission einen Aktionsplan (VAT Action Plan) vorgestellt, in dem sie ihre Gesetzgebungsinitiativen für die Jahre 2016 und 2017 darlegte.[3] Die seinerzeit geltenden MwSt-Vorschriften sollten nach Auffassung der EU-Kommission dringend modernisiert werden.[4] Damit sollten sie den Binnenmarkt besser fördern, den grenzüberschreitenden Handel erleichtern und mit der digitalen und mobilen Wirtschaft Schritt halten. Darüber hinaus sollte der grenzüberschreitende MwSt-Betrug eingedämmt werden. Von dem Aktionsplan waren insbesondere folgende Politikbereiche betroffen:

  1. Beseitigung der mehrwertsteuerlichen Hindernisse für den grenzüberschreitenden elektronischen Geschäftsverkehr
  2. Verbesserte Verwaltungszusammenarbeit innerhalb der EU und mit Drittstaaten
  3. Vorschlag für ein endgültiges MwSt-System in der EU
  4. Mehr Freiheit für die Mitgliedstaaten bei der Festsetzung ihrer MwSt-Sätze.

Hinsichtlich der MwSt-Sätze sollte den EU-Mitgliedstaaten – nach der weitgehenden Einführung des sog. Bestimmungslandprinzips als endgültiges MwSt-System – mehr Flexibilität bei der Festsetzung der MwSt-Sätze eingeräumt werden.

 

Rz. 106e

Die EU-Kommission hielt somit eine stärkere Wahlfreiheit der EU-Mitgliedstaaten bei den ermäßigten MwSt-Sätzen für vorstellbar. Sie schlug in ihrem Aktionsplan dafür zwei Optionen vor:

  1. Der Mindestsatz für den MwSt-Normalsatz von 15 % sollte beibehalten werden. Die Liste mit Gütern und Dienstleistungen, für die ein ermäßigter MwSt-Satz angewendet werden kann (Anhang III der MwStSystRL), sollte beim Übergang zum endgültigen MwSt-System geprüft und dann regelmäßig unter Berücksichtigung der politischen Prioritäten revidiert werden. Sämtliche bestehenden ermäßigten MwSt-Sätze – einschließlich der rechtskonform angewandten Ausnahmen – sollten erhalten bleiben und in die Liste der fakultativ ermäßigten MwSt-Sätze aufgenommen werden.
  2. Die Liste mit Gütern und Dienstleistungen, für die ein ermäßigter MwSt-Satz angewendet werden kann (Anhang III der MwStSystRL), sollte abgeschafft werden. Damit sollte den EU-Mitgliedstaaten mehr Freiheit bezüglich der ermäßigten MwSt-Sätze und der Höhe dieser Steuersätze gewährt werden. Die EU-Mitgliedstaaten sollten die EU-Kommission und die übrigen Mitgliedstaaten über ihre ermäßigten MwSt-Sätze unterrichten und die Auswirkungen auf den EU-Binnenmarkt analysieren. Zur Vermeidung eines unlauteren Steuerwettbewerbs bei grenzüberschreitenden Einkäufen überlegte die EU-Kommission, die Anwendung von ermäßigten MwSt-Sätzen auf hochwertige Gegenstände und Dienstleistungen sowie auf leicht zu befördernde Gegenstände zu untersagen. Außerdem sollte die Gesamtzahl der ermäßigten MwSt-Sätze pro EU-Mitgliedstaat beschränkt we...

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